Intensivstation

Richard lachte leicht, als Rune antwortete, dass sich schon Vampire an seinem Hals ausgebissen hatten. Das stimmte tatsächlich, doch selbst dann hatte Richard immer noch Bedenken. Der Rest von Rune war nämlich leider nicht aus Stahl, wobei die Frage war, ob sein Körper nach all den Strapazen damals stärker statt schwächer geworden war, obwohl er nicht sehr stark aussah. Vielleicht steckte aber genau die Zähigkeit in ihm, die es für den Job brauchte. Trotzdem behagte Richard der Gedanke nicht, dass ab jetzt Rune statt er die League leiten würde. Am liebsten wäre ihm, wenn es keiner von ihnen beiden tun würde. Leider war im Moment keine andere Wahl möglich, Richards Rachegedanken ließen gar keine andere zu.
Diesen Teil musste Richard wohl einfach akzeptieren, allerdings nicht alles, was Rune sagte. Vielleicht aber nur, weil er sich selbst nicht eingestehen wollte, dass er wirklich einen Moment lang so gedacht hatte. Jahrelang war er der heimliche Beschützer der Stadt gewesen und nun war er höchstens als Berater der League tätig? Natürlich hatte ihm das einen Stein in den Magen gelegt. Es war ja nicht so, dass er Rune für diesen Posten ausgebildet hätte und jetzt wie ein alter Geschäftsführer eremitierte. Er war durch den Unfall dazu gezwungen seine Position aufzugeben und zwar ohne angelernten Nachfolger, eher auf gut Glück. Natürlich machte er sich da Sorgen, auch um sich selbst. Ehrgeiz war nämlich manchmal ein zweischneidiges Schwert.
"Ich bin nicht nutzlos, zumindest werde ich alles daran setzen immer noch eine Hilfe für euch zu sein. Und sei es nur, dass ich dich dafür trainiere mein Nachfolger zu sein.", erwiderte Richard etwas ernster als eben, "Ich meine... Vincent hat eine Möglichkeit gefunden Balto durch Magie alles zurück zu geben, was er verloren hat, also warum sollte ich nicht irgendwann in der Lage sein ähnliches zu leisten? Ich könnte sein Wissen vielleicht nutzen, um euch noch besseres Equipment zu verschaffen, aber vielleicht auch Probleme anderer Menschen zu lösen."
Richard hielt inne. Ihm war deutlich anzusehen, dass er eine leuchtende Idee hatte, eine Eingebung.
"Ja, warum eigentlich nicht?", murmelte er.

Rune verkniff sich ein genervtes Seufzen. Nein, Richard dazu zu kriegen das er sich erst einmal ausschließlich um seine Genesung kümmerte war wohl zu viel verlangt. Also musste Rune zusätzlich zu der Verantwortung die er sich gerade im Affekt aufgeladen hatte also auch noch weiterhin aufpassen das Richard sich nicht übernahm. Aber was machte er sich auch vor? Irgendwo liebte er den Starrsinn dieses Mannes ja auch. Solange seine Zunge und sein Gehirn noch funktionierten würde er wohl immer nach einem Weg suchen bei der Verwirklichung seiner Ziele mitzuwirken. Doch Rune musste darauf aufpassen das ihm diese bewundernswerte Eigenschaft nicht zum Galgen wurde. Herregud, wenn ihnen keine organisieren Verbrecher mehr nach dem Leben trachteten hatten sie beide sich einen Urlaub redlich verdient!
Aber natürlich plante Richard bereits wie er vom Krankenbett aus mitarbeiten konnte. Runes trotzig verhärtete Mundwinkel zuckten. Es war seine eigene Sturheit die sie unten hielt. So einfach gab er sich nicht geschlagen. Erst einmal musste er abwarten was Richard sich nun schon wieder auf den Rücken lud.
Schließlich musste der Cyborg doch kapitulieren. Nein, es sprach nichts dagegen sein mysteriöses neues Wissen zu nutzen. Abgesehen davon das ihnen das wirklich nützen könnte, gab es ihm Hoffnung. Auch die brauchte Richard um gesund zu werden. Außerdem war Rune schon immer machtlos gegen dieses besondere Leuchten in seinen Augen gewesen. Sanft strich er mit dem Daumen über Richards Mundwinkel und sein Blick wurde weich. „Besteht die Chance das du mich einweihst?“

Mit seinem Ansatz einer Idee schien Richard Runes bis eben noch steife Mundwinkel langsam wieder heben zu können. Sanft strich er über Richards Wange und fragte sogar, ob Richard ihn in seine Idee einweihen würde. Richard war schon kurz davor es einfach auszuplaudern, doch dann fiel ihm wieder ein, dass das ganze ja eine Überraschung werden sollte und wenn seine Idee ein Teil davon war, dann durfte er auch darüber nichts verraten.
"Ähm...", stammelte Richard und lächelte verlegen, "Ja, natürlich. Nur... nicht jetzt. Solange es noch nur eine Idee ist, möchte ich es dir noch nicht verraten. Erst, wenn ich sicher bin, dass es auch wirklich funktioniert, okay? Aber so viel kann ich sagen: Ich bin sehr zuversichtlich, dass es dir sehr gefallen wird."
Daraufhin grinste Richard breit und hoffte, dass Rune wie beim letzten Mal Geduld beweisen würde. Zudem war die Idee im Moment wirklich noch nur eine Idee. Zwar hatte er schon mit allen Beteiligten gesprochen - außer Rune versteht sich - aber wirklich angegangen hatten sie das Projekt noch nicht. Aber vielleicht war es genau das, was er spätestens jetzt endlich mal angehen sollte. Dazu würde er aber einige Telefonate tätigen müssen und auch mit seinem Anwalt und Finanzberater konkrete Termine ausmachen. Also vielleicht doch besser nachdem die schwarze Hand endlich zerstört war?
"Hm... aber ich denke zu allererst muss die schwarze Hand daran glauben.", meinte Richard und sein Lächeln verschwand, "Ich schätze erst dann hätte ich den Kopf dafür und zudem auch etwas mehr Sicherheit."

Nun konnte Rune das genervte Seufzen nicht mehr unterdrücken. „Nach allem was passiert ist macht es dir immer noch Spaß mich zu foltern, hm?” Er lachte schnaubend auf. Ein Lächeln hatte sich an seiner harten Strenge vorbei auf seine Lippen geschlichen. Wenn Richard selbst jetzt kein Erbarmen hatte, nachdem Rune so eine schreckliche Woche voller Angst, Zorn und Schmerz hinter sich hatte, brauchte er sich wirklich keine Hoffnungen mehr zu machen. Richard würde sein Geheimnis für sich behalten. Damit gab er Rune nur einen Grund mehr dafür zu sorgen das die Hoffnung seines Liebsten schön da blieb wo sie gerade war. Ansonsten würde er schließlich nie erfahren was sich hinter diesen geheimnisvollen Plänen verbarg.
Das hieß natürlich auch dafür zu sorgen das sie beide bis zur Verwirklichung überlebten. Dabei kam es ihnen natürlich sehr entgegen das auch der Rattenkönig sich mit seinem Anschlag angreifbar gemacht hatte. Mit ein paar Anhaltspunkten würde sich vielleicht das Studium auf einer Polizeihochschule endlich bezahlt machen. Informationsbeschaffung war nun erst einmal das Wichtigste.
„Immerhin wissen wir jetzt wie er aussieht, außerdem... du solltest ihm doch deine Aktien überschreiben. An wen sollten die gehen? Es wird eine Alibi-Firma sein. Das ist mir klar, aber auch die lässt sich zurück verfolgen.” Er zögerte einen Moment, er war im Begriff eines ungeschriebenes Gesetz zu übertreten. Eines der wenigen Gesetze das tatsächlich Wert für Rune hatten. Allerdings war dieses Gesetz auch schon einige Male umtanzt worden um Runes Leben zu schützen. Eine Kooperation war also nicht ausgeschlossen wenn er die richtigen Worte wählte. Nun war es an dem Cyborg triumphierend zu lächeln. „Du magst deine Kontakte haben, aber ich jamme regelmäßig mit dem Buchhalter von Cadysas Unterwelt!”

„Nach allem was passiert ist macht es dir immer noch Spaß mich zu foltern, hm?”, protestierte Rune lächelnd und brachte Richard damit dazu leicht zu lachen.
"Schuldig im Sinne der Anklage.", scherzte Richard und lachte verlegen, "Aber es wird dir gefallen, das Warten lohnt sich also."
Neben der kleinen Überraschung stand jedoch noch eine andere Sache im Raum, die vorher geklärt werden musste. Anstatt abermals gegen Richards Rachepläne zu wettern, stieg Rune nun überraschenderweise darauf ein und überlegte sogar, wie es ihnen gelingen könnte die schwarze Hand zur Rechenschaft zu ziehen. Richards Augen wurden groß, als Rune ihn darauf aufmerksam machte, dass sie ja bereits einige Informationen in den Händen hielten und diese nur noch gewinnbringend nutzen mussten, um an den großen Schatten und damit die gesamte Organisation heran zu kommen.
"Verdammt, ich Idiot, natürlich.", meinte Richard etwas verärgert über sich selbst, dafür aber umso begeisterter über Runes Findigkeit, "Wir brauchen nur eine Datenbank mit Fotos und Informationen über die Geldgeber der Scheinfirma."
Rune war ein kleines Genie und auf einmal bereute Richard es ihm bisher so wenig vertraut zu haben. Der Junge war sehr wohl für den Job als Anführer geeignet, ihm hatte bisher wohl nur einfach eine Herausforderung und eine Chance gefehlt sein Potential auch mal zu zeigen.
"Du meinst Lucky?", warf Richard etwas ungläubig ein, als Rune nun seine Kontakte in der Unterwelt von Cadysa erwähnte, "Hat er etwa Zugang so solchen heiklen Informationen?"

Rune verkniff es sich Richard darin zu bestätigen das er ein Idiot war. Ja, das konnte er inzwischen durchaus bezeugen. Zumindest in einigen Dingen. Ein ziemlich attraktiver, leidenschaftlicher und intelligenter Idiot zugebenermaßen, aber immer noch ein Idiot Er dachte auch jetzt immer noch viel zu kompliziert. Es war gar keine spezifische Information die sie benötigten, alles was sie über das Privatleben des Schattenanführers in Erfahrung bringen konnten war ein potentieller Strick.
Bevor sie diese Planung angehen konnten musste Rune allerdings mit einer Information heraus rücken die er eigentlich für sich behalten wollte. Nicht weil er Richard nicht traute. Nein, er traute den Wänden nicht.
„Wusstest du nicht das ich Lucky bei einem Verhör kennen gelernt habe? Er hat mir den Mittelfinger gezeigt und ich habe seine Art zu Argumentieren gelobt.” ,berichtete Rune Schulterzuckend wie die Freun... Zweckgemeinschaft von einem Gesetzeshüter und einem Unruhestifter ihren Anfang genommen hatte. „Er ist Urkundenfälscher und hat mir schon einige Male die Haut gerettet weil er Informationen durchsickern lassen hat. Ich denke wir sind uns deswegen einig das er von allen vermeidbaren Schwierigkeiten fern gehalten wird sollte er uns helfen.” ,fuhr Rune mit gedämfter Stimme fort und warf Richard gleichzeitig einen bittenden Blick zu. Er riskierte schließlich nicht gerne die Sicherheit von Leuten die ihre Sicherheit schon für ihn riskiert hatten.
„Und selbst wenn er keine Anhaltspunkte hat die uns etwas nützen; nur weil ich mich nicht für lapidare Diebstähle anstrenge heißt das nicht das ich nicht in der Lage bin zu ermitteln. Ich kriege raus wer hinter der Firma steckt. Alles was wir über den Rattenkönig in Erfahrung bringen ist eine Spur die ihm zum Verhängnis werden kann. Bei so einem arroganten Drecksack würde es mich nicht wundern wenn er sich hinter seiner Tarnung in Sicherheit wiegt. Deswegen schlagen wir am besten dort zu wo er sich am Sichersten fühlt; im Untergrund.”

Richard überlegte kurz, ob Runes Geschichte über sein erstes Treffen mit Lucky geflunkert war, doch dann erinnerte er sich daran, dass er es weder bei Rune, noch bei Lucky mit "normalen" Menschen zu tun hatte. Deswegen war es eher wahrscheinlich, dass solch eine Geschichte der Wahrheit entsprach, als eine harmlos klingende. Trotzdem war es eine verrückte Geschichte, die Richard amüsiert auflachen ließ.
"Keine Sorge, als Helfer der League wäre er automatisch Teil des Netzwerks und das wird von meinen Leuten zuverlässig abgesichert. Da müsste schon die Polizei mit einem handfesten Durchsuchungs- oder Haftbefehl vor der Tür stehen, aber selbst dann hätte ich noch einen der besten Anwälte als Ass im Ärmel. Solange er es nicht darauf anlegt geschnappt zu werden, sorge ich dafür, dass nichts passiert.", versprach Richard, als Rune darauf hinwies, dass es ihm lieb wäre, wenn Lucky bei all der Sache nichts passieren würde.
Rune fügte noch hinzu, dass er trotz mancher Zurückhaltung bei Ermittlungsarbeiten durchaus ermitteln konnte, wenn es darauf ankam. Dabei hatte Richard nie angezweifelt, dass er das konnte. Er verstand zwar Runes Prinzipientreue und liebte diesen Aspekt von ihm auch an gewissen Enden, aber nicht an allen. Seine gewisse Nachlässigkeit bei seiner Polizeiarbeit ließ ihn zwar nie etwas Negatives sagen, doch nicht zum ersten und letzten Mal hob Richard bei dem Thema wissend die Augenbrauen.
"Rattenkönig.", wiederholte Richard murmelnd und lachte dann leicht.
Was für ein komischer Name für den großen Schatten, aber vielleicht gar nicht so unpassend, immerhin war der Großteil der schwarzen Hand ein unterwürfiger, willenloser Haufen. Zumindest was die Loyalität dem großen Schatten gegenüber anging. Rune schien sich schon Pläne zurecht zu legen, aber Richard sah das nur teilweise mit Wohlwollen. Als er daraufhin wieder die Stimme erhob, wirkte er sehr konzentriert und ernst.
"Ich würde eher dazu raten, dass du die Füße still hältst. Er weiß jetzt, wer du bist und in welcher Verbindung du zu mir stehst. Würdest du anfangen zu ermitteln, würdest du irgendwann während den Ermittlungen plötzlich verschwinden. Darauf wette ich. Nein, du solltest dich bedeckt halten, am besten nur hier oder auf der Wache sein, wo du sicher bist. Scheuch die anderen der League meinetwegen hin und her, telefonier die Leitung mit dem Netzwerk heiß, aber geh nicht da raus.", argumentierte Richard und hob den Blick nun wieder zu Rune, "Ja, du hast Recht, er wirkte sehr selbstsicher und ich wette sein Stolz ist ihm äußerst wichtig, aber genau daran haben wir gerade gekratzt, indem ich eben nicht gestorben bin. Mein Überleben wird nicht nur ihn persönlich ärgern, weil er mich gerne tot sehen würde, sondern auch im Hinblick auf die schwarze Hand. Er hatte die Chance den Erzfeind zu erledigen und hat versagt. Was glaubst du wie er im Moment vor seinen Leuten dasteht? Was ich aus meiner Zeit in der Finanzwelt gelernt habe ist, dass man Menschen mit großem Stolz besser nicht verärgert und wenn, sich dann besser auf den totalen Krieg vorbereitet. Glaub mir, er wird ab jetzt statt Samthandschuhe Schlagringe tragen. Eine unvorsichtige Aktion von uns und er mäht uns alle nieder wie die Ähren auf dem Feld. Er ist mächtig, vergiss das nicht. Er hat uns gezeigt, dass er der Meister der Schatten ist. Wahrscheinlich wimmelt die ganze Stadt von ihnen und sind tausende Augen und Ohren für ihn. Und wenn es sein muss auch Schwert. Wenn du da raus gehst, alleine, dann werden sie dich jagen, da bin ich mir sicher. Daher solltest du sehr vorsichtig sein und besser von hier oder der Wache aus ermitteln."

Richards Zusage für den Schutz seines Parasitens zu sorgen nahm Rune nur die Hälfte seiner Bedenken. Das Mitglied eines Netzwerks...das klang nicht nach etwas das Lucky sehr gefallen würde. Diese Wortwahl durfte er definitiv nicht verwenden. Er wusste genug über Luckys Geschäfte um zu wissen das er mit den meisten davon nichts zu tun haben wollte. Gleichzeitig wollte er den Spinner auch nicht in seine Schwierigkeiten herein ziehen. Sie standen immer noch auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes. Ihre Treffen bestanden daraus sich zusammen auf Grauzone dazwischen zu vergnügen. Es war ein empfindliches Gleichgewicht. Es ärgerte Rune das er sich so viele Gedanken um einen Idioten machte der ziemlich gut auf sich selbst aufpassen konnte. Am besten informierte er ihn überhaupt nicht über die Schutzvorkehrungen, Lucky würde sich davon doch sowieso nur beleidigt fühlen.
Rune runzelte die Stirn als ihm auf einmal Stubenarrest auferlegt wurde. So hatte er sich die ganze Operation aber nicht vorgestellt. “Bei wichtigen Dingen verlasse ich mich nicht auf Andere, das regel' ich lieber selbst! Außerdem will ich mich nicht verstecken, während andere sich in Gefahr begeben!” ,protestierte Rune ungehalten. “Mit Ermittlungen meinte ich immerhin nicht das ich ihm vor der Nase herum hüpfe!” Letztendlich würde es doch sowieso an ihm hängen bleiben, so wie jedes verfluchte Problem in dieser Stadt! Dann konnte er es genauso gut gleich selbst erledigen. Das Richard sich Sorgen machte konnte er verstehen, er mochte es schließlich auch nicht wenn er...“Faensdritt!” ,rief der Cyborg auf einmal aus und warf seinen Kopf in den Nacken. Er taxierte die Decke mit genervtem Blick. “Ich bin genauso bekloppt wie du...” ,gab er sich seufzend geschlagen.
Als gut, dann würden es also komplett verdeckte Ermittlungen werden. Umso sorgsamer mussten sie mit den wenigen Informationen umgehen die sie hatten. Richard sprach ein tatsächlich ziemlich großes Problem an.
„Ja, wahrscheinlich war er nur so leichtsinnig weil er so siegessicher war. Er wird jetzt, wo sein Plan fehlgeschlagen ist, vorsichtiger sein. Die Chance seinen Hochmut auszunutzen haben wir verpasst...Es sei denn...” Runes Kopf kippte zur Seite. Er musterte Richard eingehend. Er war immer noch ein blasses Abbild seines früheren strahlenden Selbsts. Auch ohne den finalen Stich hatte der Plan des Rattenkönigs zweifelsohne genug angerichtet. „Und was ist wenn wir ihm seinen Triumph geben? Was ist wenn...er nicht erfährt das du überlebt hast?”

Rune schien das ganze etwas anders zu sehen und protestierte gegen Richards Anweisung hier bei ihm zu bleiben. Natürlich war Richard nicht davon ausgegangen, dass Rune unvorsichtig werden könnte, aber trotzdem blieb er bei seiner Meinung, dass es draußen zu gefährlich war. Zumindest im Moment. Überraschenderweise sah Rune es dann doch plötzlich ein und gab zu, in der Sache sogar recht ähnlich wie Richard zu denken. Richard lächelte leicht und hätte am liebsten Runes Hände in seine genommen, aber leider war er im Moment nur hilfloses Gemüse.
Rune sprach weiter und so langsam verstand er worauf Richard die ganze Zeit hinaus wollte. Ja, ihre erste Chance hatten sie vertan, doch vielleicht... Richard riss überrascht die Augen auf und blinzelte Rune perplex an, als dieser etwas sehr trickreiches vorschlug. Der Norweger schien ja richtig aufzublühen. Er dachte bereits jetzt schon wie ein richtiger Stratege, jemand der durchaus fähig war eine ganze League zu leiten.
"Das...", begann Richard erstaunt und lachte dann leicht, "Sag mal kann dein Bruder im Geiste auch Totenscheine fälschen? Mich hier ungesehen heraus bringen ist weniger das Problem und Akagi könnte da bestimmt etwas deichseln, damit es sogar eine Urne mit Asche gibt, aber der Totenschein wäre wichtig. Mit dem könnten alle Vorkehrungen getroffen werden, um eine grandiose Falle zu stellen. Wenn ich nämlich offiziell als tot gelte, wird er davon erfahren und... Das ist es. Seine Siegessicherheit wird ihn unvorsichtig machen und sein Stolz wird ihn vielleicht sogar dazu bringen bei der Beerdigung aufzutauchen. Das wäre die Gelegenheit, um ihn zu stellen. Vor allem weil auf dem Friedhof nicht so schnell unschuldige Passanten ins Kreuzfeuer geraten könnten."

„Ich bevorzuge den Ausdruck Parasit. Aber ja, ich gehe stark davon aus. Wirklich jedes Dokument lässt sich fälschen. Du wärst schockiert darüber wie unsicher das Banksystem ist wenn du sein Lager sehen würdest.” Runes Begeisterung hielt sich im Gegensatz zu Richards bedeckt. Nicht weil er sich unsicher über die Ausführung des Plans war. Er war oft genug Zeuge geworden wie leicht Behörden sich mit den richtigen Mitteln austricksen ließen. Eine Person für tot zu erklären war auf dem Papier nicht schwer. Er war allerdings nicht sonderlich scharf darauf der Beerdigung seines Geliebten beizuwohnen. Nach allem hatte das eine sehr bittere Note. Er legte seinen Arm um Richard und drückte ihn fest an seine Seite.
„Inzwischen habe ich auch genügend Übung darin um dich zu trauern. Das sollte sich also glaubhaft rüber bringen können.” ,brummte er unter einem trockenen Lachen das ihm beinahe im Hals stecken blieb. Wacker versuchte er sein Unbehagen mit Humor zu verstecken. “Nach der Playlist die ich für deine Beerdigung zusammen stellen werde, wird der Rattenkönig mich auf alle Fälle noch weniger ernst nehmen.” Das war gut. Ständig unterschätzt zu werden brachte eben auch einige Vorteile mit sich. Das klang wirklich als könnte daraus ein funktionierender Plan entstehen. Allerdings würde er nicht der einzige trauernde Angehörige sein. Auch diese Konsequenzen mussten sie einkalkulieren. Besorgt runzelte Rune die Stirn. Er schluckte schwer.
„Was ist mit deiner Familie, sollen wir sie einweihen?” Es war eine Frage der Sicherheit. Eigentlich blieb ihnen nur eine Option, aber die kam Rune sehr grausam vor. Nicht einmal Richards erzkonservativer Vater sollte sein eigenes Kind zu Grabe tragen müssen.

Der Plan nahm langsam Gestalt an. Mit den Fähigkeiten von Lucky könnten sie vielleicht wirklich eine astreine Beerdigung türken. Die Frage war eher, ob Rune und die anderen mitspielen würden, immerhin hingen da auch einige Gefühle an der Sache. Daher war Richard fast schon etwas empört, als Rune meinte, dass er mittlerweile Übung darin hatte um ihn zu trauern. Runes nächster Satz bewies Richard aber wieder wie reif der am Anfang so freche und teilweise naive Polizist in der kurzen Zeit geworden war.
"Ich sehe schon, die League ist bei dir in guten Händen.", meinte Richard und lächelte Rune anerkennend zu.
Sein Lächeln wurde jedoch bald wieder schwächer, als Rune seine Familie ansprach, die ja immerhin auch von seiner Beerdigung erfahren würde. Richard gab ein nachdenkliches Brummen von sich und ließ seinen Blick kurz durchs Zimmer schweifen.
"Ich muss sie definitiv vorher informieren. Auch hierüber. Es bleibt uns also fast gar nichts anderes übrig, als ihnen die ganze Wahrheit zu sagen. James wird wahrscheinlich an die Decke gehen, positiv gesehen, Mama wird mir die Ohren langziehen, dass ich mich so in Gefahr gebracht habe, aber am Ende wird sie es verstehen. Keine Ahnung, was mein Vater tun wird. Ich glaube seitdem er weiß, dass ich mit einem Mann zusammen bin, interessiert ihn rein gar nichts mehr, was ich tue oder sage.", meinte Richard und seufzte resignierend, "Wäre vielleicht ganz gut, wenn wir sie gleich mal anrufen und her bitten. Ich hoffe du hast nach allem noch ein klein wenig mehr Kraft."
Richard hob den Blick wieder zu Rune und lächelte ihm entschuldigend zu.

Rune verzichtete darauf Richard darauf hinzuweisen das es eigentlich inkorrekt war bei ihm die Mehrzahl zu verwenden wenn von Händen die Rede war. Streng genommen hatte er nämlich nur eine und ob die wirklich geeignet war um die Zügel einer Vigilantenoperation zu halten stand noch in den Sternen. Aber es ging zumindest voran. Der Weg war zwar steinig, hatte aber zumindest keine trauernde Familie zur Folge. Rune atmete erleichtert auf. Die Standpauke würde er Oliv kaum verübeln können. Richard wohl auch nicht. Sie hatten sich diese Anklage schon oft genug gegenseitig an den Kopf geworfen. Ob Richards Vater allerdings die Chance nutzen würde um endgültig zu beweisen was für ein Idiot er war kümmerte Rune da deutlich weniger.
Der Cyborg hatte sofort sein Handy gezückt als Richard ankündigte das er es gleich angehen wollte, doch der letzte Satz ließ ihn innehalte. Ungläubig wandte er den Kopf in Richards Richtung und wölbte eine Augenbraue. Ob er noch Kraft hatte? War das sein Ernst? Seine Augen waren vielleicht von zahlreichen Tränen und koffeingetränkten Nächten geprägt, aber er hatte immerhin nicht um sein Leben gekämpft.
"Ich sollte demnächst an eine Steckdose, aber ansonsten geht’s mir gut." ,spielte Rune seinen Zustand mit einem Schulterzucken herunter. Er wandte sich wieder seinem Handy zu und wischte über das Display um Olivs Nummer heraus zu suchen.
"Soll ich das Gespräch übernehmen?" Es waren nicht seine Nerven die jetzt geschont werden mussten, sondern Richards. Rune schickte seine Mundwinkel in die Höhe um zu Signalisieren das die Erschöpfung ihn noch nicht eingeholt hatte. "Dann kann ich mich gleich erkundigen ob die Rosen sich von den Blattläusen erholt haben."

Rune winkte ab, als Richard andeutete, dass er vielleicht auch mal eine Pause bräuchte. Richard zog bei Runes Protest ungläubig eine Augenbraue hoch. Bei aller Liebe, aber mittlerweile kannte Richard seinen Liebsten und da konnte er sich kaum vorstellen, dass Rune seit seiner Einlieferung hier viel geschlafen oder gegessen hätte.
"Kjaere, du siehst schrecklich aus und jetzt hänge ich dir noch zusätzlich am Bein. Ich weiß, das alles... das war alles ziemlich schlimm für dich und ich wünschte ich könnte dich einfach in den Arm nehmen, dir sagen, dass alles gut wird und dann mit dir einschlafen. Das können wir auch, nur nicht jetzt. Trotzdem darfst du dich nicht überanstrengen. Wenn der Plan funktionieren soll, dann musst du am Tag der Beerdigung geistig und körperlich fit sein. Ich weiß, im Moment verlange ich viel von dir, aber bitte hör auf mich, okay?", bat Richard und versuchte versöhnlich zu lächeln, "Deshalb... wenn meine Familie später wieder geht, legst du dich bitte hin, okay? Wir legen uns hin. Wir müssen stark sein für den letzten Tag der schwarzen Hand. Ein letztes Mal, dann müssen wir nicht mehr stark sein, nur noch füreinander da."

„Tusen Takk, wie charmant von dir.“ Runes unterstrich seine Augenringe mit einem müden Lächeln. Das er gerade keinen schönen Anblick angab wunderte ihn nicht. Wie ironisch das Richard davon sprach nicht mehr stark für andere sein zu müssen, während er seinen eigenen Kampf ganz offen in den Schatten stellte. Aber gut, er sollte sich ruhig Sorgen um ihn machen. Das war Rune immer noch lieber als wenn Richard an seiner eigenen Lage verzweifelte.
Rune griff nach Richards tauben Arm und drapierte ihn um seine eigenen Schultern. Er schmiegte seine Wange an seine Schulter. Wenn Richard ihn in den Arm nehmen wollte, machte er ihm das eben möglich! Und das war nicht alles was er für ihn übernehmen konnte.
„Es wird alles gut. Was meinst du wie großartig ich schlafen werde, nachdem ich mich mit deinem Vater angelegt habe wenn er sich wieder wie ein Idiot verhält? Weißt du wie lange ich schon auf so eine Gelegenheit warte? Und niemand wird es mir übel nehmen, weil ich eine Horrorwoche hinter mir habe.” Die Vorfreude darauf brachte tatsächlich den ersten Anflüge eines schelmischen Grinsens auf Runes Lippen.
Lange hielt es sich allerdings nicht, denn Rune hatte auch eine wichtige Bitte mit der er zu Richard hoch blickte. „Sprich' nicht so als würdest du mir etwas aufbürden, auch jetzt gerade bin ich aus freien Stücken hier und hätte ich vorher davon gewusst hätte ich mich nicht anders entschieden.”

Rune dankte Richard scherzhaft und half ihm dann aber die erwähnte Umarmung doch noch möglich zu machen. Richard versuchte seine letzte Kraft aufzubringen und die Umarmung zumindest ansatzweise vollständig zu machen. Ein belustigtes Auflachen konnte sich Richard einfach nicht verkneifen, als Rune meinte, dass er besonders ruhig schlafen würde, nachdem er sich mit Richards Vater angelegt hätte.
"Ich jedenfalls würde es dir nicht übel nehmen.", meinte Richard und hauche Rune einen Kuss auf die Schläfe.
Als Richard seinen Kopf ein Stückchen zurück nahm, erkannte er ein Lächeln auf Runes Lippen. Leider blieb es nicht lange, denn Rune lag etwas auf dem Herzen. Richards Mundwinkel folgten denen von Rune, während er seinem Liebsten zuhörte, der ihm klar zu machen versuchte, dass er sich für das hier entschieden hatte, egal wie anstrengend es war. Richards Lächeln kehrte wieder zurück und dieses Mal füllten sich seine Augen sogar leicht mit Tränen.
"Jeg elsker deg.", raunte Richard seinem allerliebsten Cyborg zu und brachte all seine Kraft auf, um ihm einen langen, liebevollen Kuss auf die Lippen zu drücken.