Der See

Caitlin wollte der Fremden grade aufhelfen, aber da hatte sie sich schon selber aufgerappelt und sich den meisten Sand abgeklopft. Erleichtert atmete sie auf als die junge Frau relativ entspannt reagierte, "Benji das war nicht nett, sie so zu erschrecken ! Wir haben darüber geredet," ermahnte sie ihren Hund und schüttelte dabei den Kopf.
"Tut mir leid ! Ich wollte sie nicht erschrecken !", der Husky wandte den Kopf von Caitlin zu der Fremden und ging wieder auf sie zu, diesmal um ihr den Kopf ans Bein zu drücken, "Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken ! Tut mir leid, bitte sein nicht böse auf mich," ein leises fiepen war von dem jungen Hund zu hören und er rieb seinen Kopf weiterhin vorsichtig an Elaines Bein, eine stumme Aufforderung ihn zu streicheln.

Die junge Gestaltwandlerin musste schmunzeln, "Was für ein Schleimer er doch sein kann.", sie sah wieder auf und richtete ihren Blick auf die Dunkelhaarige, "Ich kann ihn anleinen wenn du willst... ansonsten wird er dir wohl erstmal nicht von der Seite weichen.."

Beinahe wäre Elaine ein „Aw“ über die Lippen gekommen, als der nasse Husky sich fiepend gegen ihre Beine drückte. Der hatte wirklich so überhaupt keine Angst vor ihr. Schnell klappte sie ihren Zeichenblock zu und steckte Block und Stift zurück in ihren Rucksack, bevor sie sich hinkniete um den Hund – Benji hatte seine Besitzerin in genannt – ausgiebig zu kraulen.
Sie schüttelte den Kopf während sie den Husky am Hals und Rücken kraulte und entgegnete mit einem warmen Lächeln auf den Lippen: „Nein nein, das ist schon okay. Ich mag Hunde eigentlich sehr gerne, ich hab mich nur ein bisschen erschreckt. Ich war ein bisschen in meiner Arbeit vertieft, als er angerannt ist.“ Elaine konnte sich ein kichern nicht verkneifen.
Sie hatte den See zeichnen wollen, aber dann hatte sie sich so darin verloren, dass sie sich mehr auf ihren Zeichenblock als ihre Umgebung verloren hatte. Das war schon irgendwie ironisch.
Während sie Benji immer noch ausgiebig streichelte, sagte sie: „Ich bin übrigens Elaine, und du?“ Sie blickte zu der jungen Frau hoch während sie ihre Position anpasste, um es sich ein bisschen bequemer zu machen.

“Caty… sie riecht komisch,” Benji legte den Kopf in den Nacken damit Elaine besser an seinen Hals kam, “aber sie hat ..die Stelle gefunden,” sein rechtes Ohr begann unkontrolliert zu zucken und er schloss zufrieden die Augen.
Caitlin konnte sich dabei das kichern nicht verkneifen, “Ich glaub du hast echt seinen aus-Schalter gefunden.”
Immernoch mit einem Grinsen auf den Lippen griff sie in ihre Hosentasche und fischte ein paar Leckerchen heraus, welche sie Elaine anbot. “Hier, damit kannst du ihn noch weiter bestechen… auch wenn ich glaube das er dich schon mag.”
Die Ohren des Huskys stellten sich aufmerksam auf und seine Augen richteten sich auf die Hand voll Leckerlis, welche Caitlin immer noch Elaine hinhielt.
“Ohh das sind die Hühnerbällchen oder ? Ich kann sie riiieeechen. Leeeeecker.”
Sie kniete sich neben die beiden und fuhr Benji mit der freien Hand einmal über den Kopf, “Du machst dir immer Freunde nicht wahr ?”, murmelte sie Benji zu und schüttelte amüsiert den Kopf ehe sie sich wieder ihrer neuen Bekanntschaft zuwandte, “Er muss wirklich immer jeden begrüßen. Da macht er keine Ausnahmen.”
Freundlich lächelte sie der Brünetten zu, während sie ihr Gewicht mehr auf das rechte Bein verlagerte, "Ich bin Caitlin.. und Benji kennst du ja schon," erwiederte sie fröhlich, "Freut mich dich kennen zu lernen."

Elaines Augen wurden groß, als Benji den Kopf zurücklehnte und sie fing bereitwillig an, ihn nun fast ausschließlich am Hals zu kraulen. Sein Fell war so weich, und er war so warm… Elaine konnte nicht anders, als leise zu kichern. Sie hatte sich jetzt seit Wochen nicht mehr so gut gefühlt. Während sie immer noch durch Benji’s Fell kraulte, sagte sie mit einer sanften Stimme: „Der ist aber auch echt einfach zu finden. Mit Benji hast du halt echt den Jackpot gewonnen, so ein guter Junge. Hm? Bist du ein guter Junge?“ Sie ging weiter durch das Fell des Huskys wie hypnotisiert. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sehr ihr der Kontakt mit Tieren gefehlt hatte, aber hier im Sand zu sitzen und mit Benji zu schmusen war eben einfach nur der Himmel auf Erden.
Sie blickte auf, als Benjis Besitzerin ihr die Leckerchen anbot und nahm sie mit einem freundlichen Lächeln entgegen. Sie erwiderte: „Danke, ich hab kein Problem damit, wenn er mich noch mehr mag.“ Erneut kicherte sie und sie hielt Benji eines der Bällchen vorsichtig auf der offenen Hand hin. Ein bisschen nervös war sie, dass der stürmische Husky vielleicht nach ihrer Hand schnappen würde, um das Bällchen zu bekommen. Aber die Sorge verflog schnell wieder; und wenn schon? Sie konnte Wunden ja schnell wieder heilen, und um Infektionen brauchte sie sich auch keine Sorgen mehr zu machen.
An die Halterin gerichtet, die sich jetzt als Caitlin vorstellte, sagte Elaine mit ruhiger Stimme: „Schön, euch beide kennenzulernen. Ich bin noch relativ neu in der Stadt und kenne hier in der Gegend kaum jemanden.“ Und die wenigen Begegnungen, die mehr als flüchtig gewesen waren, waren unter eher ungünstigen Umständen passiert. Jetzt und hier fühlte sie sich zum ersten mal richtig wohl.

Das brummen was tief auf Benjis Brust kam war voller zufriedenheit, “Jaaaa. Bin ich ! Ich bin der beste Junge wenn du das weiter machst !”
Seine Augen wichen jedoch nicht von den Leckerchen, die von Caitlin zu Elaine wechselten, welche ihm die Hand mit den Leckerchen anbot.
Ein leises fiepen war zu vernehmen und Caitlin konnte nicht anders als kurz zu lachen, “Schau ihn dir an, weiß gar nicht mehr was er besser findet ..die Streicheleinheiten oder die Leckerchen,” sie schüttelte grinsend den Kopf, “Du musst ihm ‘nimm’ sagen.. sonst wartet er das er es haben darf,” erklärte sie Elaine im ruhigem Ton während dem Husky schon der Sabber im Mund zusammen lief und er bettelnd eine Pfote auf den Unterarm seiner neuen Bekanntschaft legte.
Caitlin lächelte Elaine erneut zu, “Tja dann kennst du jetzt ja schonmal mich und Benji.. und Benji ist jetzt schon sehr begeistert von dir,” kicherte sie und holte ihr Handy aus der Hosentasche und hielt es kurz fragend hoch, “Ist es okey wenn ich ein Bild von euch mache ?”

Elaine hätte in diesem Moment gar nicht glücklicher sein können. Benji war einfach zu niedlich und Elaines Augen wurden noch ein bisschen größer, als er seine nasse, kalte Pfote auf ihren Unterarm legte. Der war so süß, und auch noch so gut erzogen!
Sie kicherte und sagte leise: „Tut mir leid, ich wusste nicht, wie gut er trainiert ist. Nimm!“ Ihre Stimme wurde zum Ende hin ein bisschen bestimmter, aber man konnte immer noch ihr Entzücken heraushören. Sie strich dem Hund über den Kopf und ging noch einmal durch sein Fell.
Sie setzte sich ein bisschen gerader hin und ihr wurde klar, dass sie in ihrer Verzückung ganz vergessen hatte, zu atmen. Hastig holte sie Luft und ihr Körper sträubte sich gegen den Strom aus kaltem Gas, das sich den Weg in ihre Lunge bahnte. Sie musste husten, kurz aber heftig. Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie ein bisschen heiser: „Es ist wohl etwas frischer, als ich dachte. Klar kannst du ein Foto machen.“
Elaine atmete jetzt wieder kontrollierter, und immer noch schmerzte ihr Brustkorb von den schwachen Atemzügen, die ihr jetzt so unwirklich erschienen. Vielleicht hätte sie Caitlin sagen können, dass sie eine Vampirin war, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen. Sie hatte die junge Frau und ihren Hund ja gerade erst kennengelernt, woher sollte sie wissen, wie ihr Gegenüber auf eine untote Blutsaugerin reagieren würde?

Die Hundebesitzerin schüttelte immer noch mit einem Lächeln den Kopf, “Woher auch ?”
Mit einem Schmunzeln beobachtete sie wie Benji das Leckerchen vorsichtig mit den Zähnen von Elaines Hand nahm und auf den Boden fallen ließ, ehe er danach schnappte und es in einem Happs verschlang.
“Ich glaube er versucht dich zu beeindrucken,” gab Caitlin mit einem Kichern von sich, ehe sie Benji einmal über den Kopf strich. Der junge Hund schloss glücklich die Augen, ehe er näher an Elaine ran trat und sich neben sie setzte, während er sich an ihre Seite presste.
Das er dabei ihre Kleidung durchnässte, daran dachte der Hund nicht, Caitlin hingegen verzog das Gesicht, “Benji, du machst sie ganz nass !”
Erneut fiepte der Husky und entfernte sich wieder ein paar zentimeter von seiner neuen Freundin und stupste ihr entschuldigend mit der Nase gegen ihr Kinn. “Das wollte ich nicht…. wirklich !”
Caitlins Aufmerksamkeit richtete sich von Benji zurück auf Elaine, als diese anfing zu husten und runzelte besorgt die Stirn. “Alles okey ? Wenn du willst können wir gleich zu meinem Auto gehen.. ich hab da bestimmt noch nen Pulli drin,” murmelte die Brünette, ehe sich ihr Blick auf ihr Handy richtete und kurz blinzelte als sie dieses entsperrte.
Sie hatte vergessen die Helligkeit runter zu stellen und ihr pastellfarbener Hintergrund blendete sie, ehe sie die Kamera-app öffnete und das Handy auf Gesichtshöhe hob und das Foto zu machen. Doch bevor sie abdrückte erstarrte die junge Frau. Das Lächeln auf dem Gesicht festgefroren.
Hatte ihr Handy etwa einen Fehler ?!
Sie blinzelte. Ein, zwei, drei Mal. Aber das was ihr Handy ihr da anzeigte blieb das selbe: Benji, sitzend vor dem See. Keine Elaine.
Ihr Blick huschte von dem kleinen Bildschirm zu den beiden vor sich und sie konnte nicht anders als irritiert die Stirn zu runzeln als sie erneut auf das kleine Gerät blickte.
Wieder: nur Benji vor dem See.
Sie schluckte stark, irgendwas stimmte hier nicht. “Was ist los Caty ?”, der Husky spürte die plötzliche Angespanntheit seiner Besitzerin und wurde ein wenig unruhig. Er verlagerte sein Gewicht von eine Pfote auf die Andere und ein leises, hohes, unzufriedenes fiepen war zu hören. “Komm schon was ist los ?”, wiederholte er, diesmal dringlicher, als die Angesprochene nicht antwortete.
Sie blinzelte erneut, ehe sie sich räusperte und ihr Handy sinken ließ. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie ihre Nerven zu beruhigen, war Elaine ein Geist ? … Benji hatte gesagt das sie seltsam roch.. aber, rochen Geister überhaupt nach etwas ?
Und außerdem konnte Elaine doch auch Dinge berühren.
“Ganz ruhig Benji… alles ist gut,” murmelte sie vor sich hin um ihn zu beruhigen, ehe sich ihr Blick auf ihre neue Bekanntschaft richtete und all ihren Mut zusammen nahm.
“Ok das klingt jetzt seltsam. Und ich hoffe wirklich dass du das nicht falsch aufnimmst,” wenn sie das tat könnte das für sie wirklich, wirklich böse ausgehen.. je nachdem was die Antwort auf ihre Frage war, “Aber, was bist du ?”

Elaine konnte ihre Augen nicht von Benji abwenden, während der sich vorsichtig das Leckerchen nahm. Ein wirklich wohlerzogener Hund, das musste sie schon sagen. Und das sagte ja nicht nur etwas über ihn, sondern auch über Caitlin aus, die ihn so großartig erzogen hatte.
Mit einem Kichern kraulte Elaine durch Benjis Fell; fast hätte sie sogar die Arme um ihn geschlossen, als er sich an sie ran drückte, aber bevor sie das tun konnte, hatte Caitlin den Husky auch schon streng zurechtgewiesen und damit auch Elaine damit aufmerksam gemacht, dass ihr Kleid nun ganz schön nass war. Großartig… als war es nicht schon schwer genug gewesen, gegenüber den beiden Menschlich zu erscheinen, jetzt musste Elaine auch noch wirklich so agieren, als wäre ihr kalt.
Sie versuchte, leicht zu zittern während sie nach ihrem Rucksack griff und auf Caitlins Frage antwortete: „Schon okay; Ich hab noch ne Jeansjacke dabei, das müsste erst mal gehen. Und Benji hat es ja nicht böse gemeint.“ Sie zog besagte Jacke aus ihrem Rucksack und streifte sich die über.
Mit einem Lächeln kraulte sie den Husky erneut am Hals, ehe ihr klar wurde, dass sie das vermutlich grade nicht hätte tun sollen. Sie hatte mal gelernt, dass man Hunden keine Zärtlichkeit schenken sollte, wenn sie gerade eben noch etwas getan hatten, das ihre Besitzer nicht wollten, weil sie das als Belohnung auffassen und das Verhalten dann öfter an den Tag legen konnten.
Zögerlich und ein bisschen verunsichert zog sie ihre Hand zurück. Sie wollte Benji schließlich nichts vermitteln, das Caitlin bei ihm nicht wollte. Als die allerdings das Handy hob, um ein Foto zu schießen, setzte sich Elaine ein bisschen aufrechter hin, lächelte in die Kamera und fing wieder an, den Hund zu kraulen, um eine gute Pose für das Foto zu machen.
Es dauerte einen Moment bis Elaine merkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Caitlin war für einen Moment wie erstarrt, ehe sie zwischen Elaine und Benji und ihrem Handy hin und her blickte. Elaines Augenbrauen zogen sich zusammen und sie konnte spüren, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten.
Hatte sie etwas vergessen? War da etwas, das zeigte, was sie war? Hatte sie vielleicht ihre Fangzähne gezeigt, ohne es zu merken?! Vorsichtig fühlte sie die Rückseite ihrer oberen Zahnreihe mit der Zunge – ein normales, menschliches Gebiss. Aber dennoch fühlte sie sich ertappt bei einer Lüge, die sie nicht hatte erzählen wollen.
Selbst Benji neben ihr spannte sich plötzlich an und fing an, in einem unangenehmen Ton zu fiepen.
Dieser eine kleine Moment war alles, das es gebraucht hatte, um Elaines Laune von Grund auf zu ruinieren. Nicht nur, dass sie an ihre Situation erinnert wurde, die sie einfach mal für eine Weile hatte vergessen wollen, wahrscheinlich war gerade eine potentielle neue Freundschaft kaputt gegangen, bevor sie sich überhaupt wirklich hatte formen können.
Es brauchte Elaines gesamte Willenskraft, damit sie nicht auf der Stelle anfing, vor Scham und Wut zu weinen. Caitlins Frage traf sie hart. Es waren nicht nur die Worte selbst, sondern auch der nervöse Unterton in der Stimme der anderen, die stach wie ein Dolch ins Herz. Und schlimmer, in ihrem Hinterkopf flüsterte eine leise, boshafte Stimme: „Du bist anders und du wirst immer anders sein. Warum versuchst du es überhaupt?“
Elaine ballte die Hand, mit der sie sich im Sand abstützte, zu einer Faust. Vielleicht, wenn sie die Wahrheit sagte, konnte sie diese Situation noch irgendwie retten. Ein Teil von ihr hoffte einfach, dass Caitlin sie nicht sofort ablehnen würde, wenn sie erfuhr, was Elaine wirklich war. Als sie antwortete, war ihre Stimme fast erstickt und es war nicht schwer zu erkennen, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. „Ich bin eine Vampirin.“ Sie wand den Blick beschämt ab und jetzt zitterte sie wirklich, wenn auch nur kaum merklich.

Caitlins gesamter Körper war angespannt während sie auf Elaines Antwort wartete.
Die junge Gestaltwandlerin war ohnehin nicht die mutigste und sie konnte sich gerade so mit reiner Willenskraft davon abhalten zu zittern. Sie hatte Angst, riesige Angst das die Brünette vor ihr ein Geist war. Sie konnte es sich selber nicht erklären, aber sie hatte schon immer mehr Angst vor Geistern und Dämonen gehabt als vor allem anderen.
Vielleicht weil eben diese in ihrer Vorstellung meist weder greifbar, noch sichtbar waren. Also konnte man auch nicht wissen aus welcher Richtung das Böse kam .. noch sich dagegen verteidigen.
Sie hatte gar nicht gemerkt wie sie ihren Atem angehalten hatte, wurde aber unangenehm daran erinnert als ihre Lunge anfing zu brennen und ihr leicht schwindelig wurde. Mit einem lauten Schnauben atmete sie aus, ehe sie gierig die Luft zurück in ihre Lungen zog und sich mit einer Hand im Sand abstützte.
Ihr Hirn registrierte erst einige Sekunden später das Elaine bereits gesprochen hatte und ihr Blick wandte sich von ihr zu Benji, “Ich dachte immer das mit den Fotos wäre eine Legende,” ihre Stimme war kaum ein Flüstern, vor allem weil sie mehr zu sich sprach als wirklich zu Elaine. Aber auch, weil sie ihrer Stimme nicht traute, würde sie lauter reden hätte man die Erleichterung heraushören können.. und das war wirklich nicht angebracht in diesem Moment. Caitlin atmete tief durch um sich zu beruhigen und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Elaine, “Also du -”, sie unterbrach sich selber und runzelte die Stirn während sie versuchte das Gesicht ihrer neuen Bekanntschaft besser zu erkennen. In ihrer Menschlichen Form war es im Dunkeln nicht immer so einfach alles scharf zu sehen, weshalb sie für einen Moment ihre Augen verwandelte, ehe sie wieder zu ihrer Menschlichen Sicht wechselte.
“Hey…”, sie versuchte beruhigend zu klingen und rückte ein bisschen näher an sie ran, hielt aber noch immer einen kleinen Abstand zwischen den beiden.
“Das.. das war nicht böse gemeint, ich ….. tut mir leid wenn ich dich verletzt habe,” vorsichtig legte sie ihr eine Hand auf die Schulter, auch wenn diese noch immer leicht zitterte. Sie wusste dass ihre Reaktion nicht normal war und das man nicht erleichtert sein sollte dass die Person die man im Dunkeln an einem verlassenen See getroffen hatte ein Vampir war, aber Elaine konnte doch nicht wirklich böse sein ? So fertig wie sie aussah konnte sich Caitlin einfach nicht vorstellen das sie irgendwem was antun konnte… und darauf zählte sie gerade. Ihr Blick huschte zu Benji, welcher kein Wort mehr gesagt hatte. Seine Nackenhaare waren aufgestellt und er war angespannt, aber nicht feindselig gegenüber Elaine. Der Arme wusste selber gar nicht was los war und man merkte ihm an das er mindestens genau so nervös war wie Caitlin.
Ein leises Seufzen entkam ihr und ihre freie Hand streichelte kurz beruhigend über den Kopf des jungen Huskys, “Ganz ruhig Benji. Elaine ist doch nett, die wird uns nichts tun,” eindringlich sah sie die Brünette vor sich an, wie um ihr mitzuteilen das sie Vertrauen in sie hatte… so seltsam das auch erscheinen mochte, “Nicht wahr ?”

Elaine registrierte Caitlins Worte kaum. Noch immer zitterte sie und ihre Haltung war sichtlich verkrampft, aber sie hatte zumindest nicht angefangen, zu weinen. Das Gefühl war so seltsam: Sie war beschämt und erwartete, dass sie rot werden und ihr Gesicht sich heiß anfühlen würde, aber das passierte nicht. Und wie sollte es auch? Sie hatte keinen Blutkreislauf und sie konnte nicht mehr erröten.
Sie wurde durch eine Hand, die sie sanft an der Schulter berührte, aus ihren Gedanken gerissen und bevor sie wirklich registrierte, was passiert war, hatte Elaine Caitlins Hand weggeschlagen und mit beinahe schon panischer Stimme geschrien: „FASS MICH NICHT AN!“ Schockiert blickte sie erst ihre nun erhobene Hand, dann Caitlin, und dann wieder ihre Hand an und sie fühlte, wie sich ihr der Hals zuschnürte. Schnell zog sie die Hand zurück an ihren Körper; sie wollte nicht bedrohlich erscheinen. Auch, wenn es dafür jetzt wahrscheinlich zu spät war.
Jeden Moment würde sie anfangen, zu weinen. Sie spürte es bereits: Den dicken Klos im Hals, der ihr normalerweise die Luft abgeschnürt hätte, die feuchten Augen… Nur ein paar wenige Tränen und dann würde sie Blut weinen. Und da war noch etwas, das sie beunruhigte: Sie spürte ihre Reißzähne deutlich mit der Lippe und der Zunge. Die konnte Caitlin nicht auch noch sehen.
Elaine zog die Beine eng and den Körper und schlug die Hand vor den Mund, den Kopf geneigt, um ihr Gesicht zu verstecken. Schwach nickte sie auf Caitlins Frage hin und murmelte mit tränenerstickter Stimme: „Ich hätte keinen Grund dazu. Es tut mir leid, dass ich so heftig reagiert hab, ich… ich bin einfach fertig mit den Nerven.“ Die ehrlichste Antwort, die sie hätte geben können. Caitlin war nicht schuld an ihrer Situation, und dass sie sie weggeschlagen hatte, war nicht ihre Schuld. Elaine hätte sich zusammenreißen müssen und ihre Hände bei sich behalten, immerhin hatte Caitlin sie nur trösten wollen.
Immer noch auf den Sand vor sich starrend sagte Elaine leise: „Ich denke, ich sollte gehen… es tut mir wirklich leid, wenn ich dir weh getan habe…“ Sie griff nach ihrem Rucksack und zog den Reisverschluss zu, bevor sie sich die Gurte über die Arme zog.

Caitlin hatte ein schlechtes Gewissen. Ein unfassbar schlechtes gewissen, sie hatte Elaine nicht zum weinen bringen wollen. Sie war doch nur verunsichert gewesen und hatte kurz Angst gehabt. Aber jetzt, jetzt dachte sie .. vielleicht hatte sie überreagiert.
Man sah sowas schließlich nicht alle Tage.. und sie fühlte sich hier im dunkeln am See, alleine, eh nicht am sichersten und mit all den geistergeschichten die sie schon gehört hatte hatte sich kurze blinde Panik in ihr breit gemacht.
Aber jetzt wo sie Elaine so dort sitzen sah, dieses Mädchen würde doch niemals absichtlich jemandem wehtun.
Als die Brünette ihre Hand weg schlug hob sie erschrocken abwehrend ihre Hände und Benji ließ ein kurzes grollen hören. Aber Elaine hatte sich schnell wieder gefasst, weswegen Caitlin ihre Hände sinken ließ und sich kurz an ihren Husky wandte, “Shhh Benji, Elaine hat sich nur erschrocken.”, sie setzte sich in den Schneidersitz, darauf bedacht immernoch den kleinen Abstand zwischen ihnen zu wahren, “Nein, mir tut’s leid. Ich hätte dich nicht einfach anfassen sollen.”, beruhigend lächelte sie sie an während sie in ihrer Hosentasche nach den Taschentüchern kramte und ihr eins anbot ehe diese aufsprang und fast schon hektisch zusammenpackte.
“Hey… wenn du reden willst.. kannst du auch hier bleiben.”, sie sah kurz zu Benji, welcher sich auch erhoben hatte und nun seine Schnauze in Elaines Kniekehle drückte, “Tut mir leid das ich geknurrt hab. Ich wollte nur Caty beschützen, aber du bist nicht böse ich weiß das ich hab mich aber erschrocken.. bitte geh nicht weil ich geknurrt hab tut mir leid”
Caitlin seufzte leise, der Hund dachte wirklich immer es läge an ihm wenn etwas schief ging.
“Wenn dich die Situation grade überfordert und du wirklich gehen willst kann ich das verstehen, aber wenn du wann anders reden willst.. lass mich dir zumindest meine Nummer aufschreiben, ja ?”, die gesamte Situation kam ihr bizarr vor. Wie sie hier auf dem Boden am See saß und versuchte eine Vampirin zu trösten. Aber eben diese Vampirin sah aus als könnte sie eine Freundin gebrauchen und Caitlin sollte verdammt sein wenn sie nicht zumindest versuchte ihr eine zu sein. Sie selbst war schon mal an diesem Punkt gewesen und wäre froh um jeden gewesen der ihr angeboten hätte zu reden.
“Oder wenn du das nicht willst.. ich arbeite im Tierheim, nächste Woche habe ich Nachtschicht.. da könntest du uns ja besuchen kommen..”

Elaine schüttelte den Kopf, jetzt wesentlich weniger energisch als zuvor. Sie wollte zwar nicht allein sein, aber gerade war es wohl keine gute Idee zu bleiben. Mit heiserer Stimme murmelte sie: „Ich… ich würde wirklich gern bleiben, aber ich kann im Moment deine Sicherheit nicht garantieren. Es tut mir wirklich leid…“ Elaine blickte beschämt zu Boden und zog sich ihren Rucksack auf. Sie versuchte immer noch, die Tränen zu unterdrücken, die sie immer wieder wegwischen musste, damit sich keine rote Spur über ihr Gesicht ziehen würde.
Mit zitternden Fingern streichelte sie Benji nochmal über den Kopf und fühlte nochmal die Wärme, die von ihm aus ging. Sie hatte es ganz eindeutig vermasselt und es tat ihr leid, wie sie reagiert hatte, aber jetzt zu bleiben und sich zu erklären war definitiv keine Option. Sie war aufgewühlt und sie spürte das Biest in ihrem Inneren. Ein Biest, das Caitlin definitiv nicht zu Gesicht bekommen sollte. Nein, die Sicherheit ihres Gegenübers hatte oberste Priorität und das hieß, dass Elaine jetzt gehen sollte.
Überrascht hob sie den Kopf, als Caitlin meinte, sie solle zumindest noch bleiben, bis sie ihr ihre Nummer gegeben habe. Die Brünette wollte trotz ihres Ausbruchs noch etwas mit ihr zu tun haben? Zuerst zögerte Elaine, dann nickte sie langsam und sagte mit heiserer Stimme: „So lang kann ich noch bleiben. Aber… du solltest wissen, dass ich gefährlich bin… Es ist nicht, dass ich dir weh tun will; aber es gibt seit meiner Wandlung etwas in mir, das ich nicht kontrollieren kann…“ Elaine blickte beschämt auf ihre Hände. Sie wollte nicht drohend klingen, aber wenn Caitlin sich wirklich noch einmal mit ihr treffen wollte, hatte sie ein Recht, zu wissen, dass sie damit ihr Leben riskierte.
Was Caitlins Vorschlag anging, schüttelte Elaine allerdings energisch den Kopf und entgegnete: „Nein, das ist keine gute Idee. Ich war schon überrascht, wie ruhig Benji in meiner Anwesenheit war, aber die meisten Tiere haben panische Angst vor mir. Ich denke nicht, dass ein Tierheim ein guter Ort für jemanden wie mich ist.“ Nervös zog sie die Gurte ihres Rucksacks zurecht und richtete sich die Haare. Mittlerweile hatte sie zumindest aufhören können, zu weinen. Caitlins Offenheit, trotz ihrer zugegeben leicht übertriebenen Reaktion war unerwartet, aber sie hatte es geschafft, dass die Vampirin sich nicht mehr ganz so allein fühlte. Etwas, das Elaine fast schon für unmöglich gehalten hatte.

Die Brünette nickte leicht bei Elaines Entgegnung. Zumindest war sie ehrlich .. und das sie zugab dass sie momentan nicht ihre Sicherheit garantieren konnte zeigte doch schon das sie ihr eigentlich gar nichts tun wollte.
“Du musst dich für nichts entschuldigen. Ich kann verstehen das du aufgewühlt bist,” ihr Blick richtete sich auf Benji, der weiterhin leise vor sich hin wimmerte und Elaine weiter dazu aufforderte doch zu bleiben.
Ein leises seufzen entfuhr der jungen Frau und sie fuhr mit einer Hand durch das Fell ihres Hundes um ihn zu beruhigen.
“Hast du einen Zettel für mich ? Oder hast du dein Handy dabei, dann kann ich meine Nummer direkt einspeichern..”
Abwartend sah sie zu Elaine auf, sie hätte die Hand ausgestreckt, wollte sie aber nicht weiter drängen und blieb deshalb einfach so sitzen wie zuvor und nickte nur leicht, “Wir haben einen Aufenthaltsraum in dem, bis auf Benji, keine Tiere sind.. also wenn du wirklich mal was dringendes hast können wir zur Not auf dorthin,” ihr Blick blieb an Elaines Gesicht hängen, auch wenn es ihr schwer fiel in der dunkelheit viel zu erkennen.
“Wir haben da ein oder zwei Tiere die sich bestimmt auch über deine Anwesenheit freuen würden. Wir haben eine Katze die vorher bei einem Vampir gelebt hat…. magst du Katzen ?”