Lillehammer, Norwegen [Gegenwart]

Als sich plötzlich Stille im Wagen ausbreitete, wagte Richard kurz einen forschenden Blick zu Oystein hinüber, bevor sein Blick sich auf Runes Hand auf seiner Brust senkte und ein leichtes Lächeln sich auf seine Lippen zeichnete. Langsam hob er seine Hand, um sie auf Runes Hand zu legen und mit dem Daumen leicht über den Handrücken zu streicheln, während er den Blick nachdenklich nach draußen warf. Oysteins folgende Worte verstärkten seine Nachdenklichkeit noch zusehends und ließen sein leichtes Lächeln fast ganz verschwinden. Die Geschichte über Runes Eltern stimmte ihn traurig, doch auch sein Erinnerungen an seine eigene Familie. Oystein hatte schon Recht damit, was er sagte. Auf seinen Vater und Wendy war Richard wirklich nicht scharf, aber Mama und James waren immer noch in seinem Herzen und beides Menschen, die ihn bis heute beeinflusst hatten. Vielleicht einer der Gründe, wieso er sich in Rune verliebt hatte. Irgendwo erinnerte er ihn auch an James.
Völlig überrascht wandte Richard seinen Blick zu Oystein hinüber, als der meinte, dass er gerne zur Familie dazu gehören durfte, solange er Rune glücklich machte. Natürlich erst einmal auf Bewährung, aber Richard blinzelte mehrmals perplex darüber, dass der alte Herr doch so schnell von ihm überzeugt zu sein schien. Dabei hatte er noch fast gar nichts über sich erzählt. Oder hatte Rune das? Sein Daumen an Runes Handrücken hielt kurz inne, dann legte sich seine Hand etwas fester auf die von Rune. Er wollte dazu gehören, aber er hatte auch Angst. Er liebte Rune so sehr, aber so sehr fürchtete er auch sein Herz noch mehr Menschen zu öffnen, denn wenn Richard jemanden liebte, so sah er das als eine große Verpflichtung und war auch bereit für diese Menschen zu sterben.
"Danke.", murmelte Richard und versuchte ein Lächeln zustande zu bringen, was allerdings erst so wirklich gelang, als Oystein wieder ein witziges Kommentar nach hinten zu Rune warf.

„Bedank' dich nicht, mach was draus.“ ,entgegnete Øystein schlicht und in diesem Moment wusste Rune das er dabei war Richard zu akzeptieren. Niemals hätte er gedacht das diese Erkenntnis so eine Erleichterung bringen würde. Diese Konstellation konnte funktionieren. Noch vor ein paar Stunden hatte er sich auf ein paar abwertende Kommentare vorbereitet die auf seine Sexualität abzielten. Aber das war gar nicht erst zum Thema geworden. Stattdessen zweifelte er Richards Platz an Runes Seite überhaupt nicht an. Sanft schmiegte Rune seine Hand an seinen Liebsten, mehr Nähe ließ der Sitz nicht zu. Aber Richards Hand auf seiner lieferte ihm genug Bestätigung. Oder suchte Richard gerade nach Halt? War er überfordert? Rune könnte es ihm nicht verdenken.
Øystein erstickte das emotionale Schweigen im Keim indem er sofort das Thema wechselte. „Du hast allerdings auch ein leichtes Spiel wenn ich daran denke was ich von deiner Vorgängerin gewohnt bin.“ Sofort fielen Runes Mundwinkel in einem geraden Strich herunter. Musste das jetzt sein? „Wirklich? Es ist ziemlich traurig das du dich wahrscheinlich schon die ganze Woche darauf freust über Tiril her zuziehen.“
Gerade eben hatte sein Vater ihn noch positiv überrascht, jetzt hatte Rune wieder das Bedürfnis ihm ein paar Takte für sein süffisantes Grinsen zu erzählen.
„Darauf kannst du dich verlassen. 15 Jahre alt und versucht mir Platon zu erklären obwohl sie nicht einmal die Hälfte versteht. Alles was sie an Überzeugungen hatte war nachgeplappert weil sie fand das es sich gut anhörte.“
Rune seufzte genervt in die Rückenlehne vor seiner Nase. Sein Vater wurde nie müde zu betonen wie nervig seine Ex-Freundin gewesen war. Selbst nach sieben Jahren konnte er das Thema immer noch nicht begraben. Rune hatte für Tiril vielleicht nicht annähernd so viel empfunden wie jetzt für Richard, aber trotzdem war sie eine Freundin gewesen und manchmal fühlte er sich immer noch schuldig wegen dem was er ihr angetan hatte. Er hatte ihr einmal sehr nahe gestanden und diese Erinnerungen waren nach wie vor wertvoll für ihn. Es behagte ihm nicht immer wieder ihre negativen Seiten aufgezählt zu bekommen. „Sie ist Umweltaktivistin!“ „Sie hätte sich auch für das Wahlrecht von Elchen eingesetzt um dich zu beeindrucken.“ Und wieder einmal traf Øystein damit voll ins Schwarze. Manchmal hatte er bei Tiril das Gefühl gehabt das er sich ebenso gut mit seinem Spiegelbild unterhalten können. Aber sie waren noch so jung gewesen! „Du hast keine Ahnung wie sie jetzt ist.“ „Ihr habt noch Kontakt?“ „Sporadisch....“ ,murmelte Rune so leise dass die Worte drohten hinter unter den lauten Motorengeräuschen unterzugehen. Die Sache war...kompliziert. Er konnte selbst nicht sagen ob er an diesem Zustand gerne etwas ändern würde. Vielleicht war ihre Liebe einseitig gewesen, aber ihre Freundschaft nicht. „Sie hat mir keinen Anlass geliefert der es rechtfertigen würde sie aus meinem Leben zu streichen.“ Wenn dann war es eher anders herum...
„Jedenfalls hättest du nie so an ihr geklebt wie an deinem Freund gerade.“ Unsanft wurde Rune aus seinen Gedanken gerissen und zuckte zusammen. Er fühlte sich ertappt, sah deswegen aber nicht die Notwendigkeit Distanz aufzubauen. Er drückte seine Hand sogar noch fester an Richard während er seinen Vater böse anfunkelte weil er das Thema überhaupt erst aufgebracht hatte. War das ein Test um heraus zu finden ob Richard noch bei ihm bleiben würde wenn er jedes peinliche Detail aus seiner Vergangenheit kannte? „Das mit Tiril war anders.“

Jetzt hieß es für Richard die Arschbacken zusammen zu kneifen und weder zu lachen, noch zu lächeln oder abschätzig die Augenbrauen hoch zu ziehen. Lieber warf er wieder den Blick nach draußen, während er das kurze Streitgespräch zwischen Vater und Sohn über dessen letzte Freundin mitverfolgte. Als Oystein dann allerdings fragte, ob sie noch Kontakt hatten wurde der Weißhaarige hellhörig. Moment Moment Moment, Rune hatte noch Kontakt zu seiner Ex? Runes darauf folgende Worte trafen Richard tiefer, als er es zuerst vermutet hatte und eigentlich zulassen wollte. Das Streicheln seines Daumens hörte auf und langsam lockerte er seinen Griff um Runes Hand bis er sie ganz von seiner nahm und dann so tat als jucke ihn etwas an der Schläfe, während er weiterhin den Blick nach draußen richtete. Jetzt war er ganz froh darüber nichts zu dem Thema gesagt zu haben. Hätte er sich jetzt mit einem leichten Lachen über so ein naives Denken lustig gemacht, würde er jetzt wahrscheinlich von Oystein wieder in die Diskussion gezogen werden. Der versuchte das zwar, indem er auf Runes Hand auf Richards Brust anspielte, doch Richard ließ sich davon nicht zurück ins Gespräch holen. Lieber beobachtete er die schöne vorbeiziehende Landschaft und versuchte nicht weiter über das eben Gesagte nach zu denken und vor allem nichts zu fühlen. Runes Anmerkung, dass das mit seiner Exfreundin anders gewesen war, bekam der Weißhaarige nur noch mit halbem Ohr mit und versuchte nicht daran zu denken, dass anders in dem Fall sofort eine Wertung beinhaltete. Trotzdem konnte er das nagende Gefühl nicht abstellen.

Runes Hand fühlte sich augenblicklich kälter an als er nicht mehr Richards darauf spürte. Zu kalt und er befürchtete das nicht die Raumtemperatur das Problem war. War das Entfernen seiner Hand eine Geste gewesen? Eine ohnehin schon komplizierte Situation war auf einmal noch sehr viel komplizierter geworden.
„Ich habe immer gewusst das du dir nur etwas vormachst.“ Dem gab es nichts entgegen zu setzen. Seitdem er mit Richard zusammen war wusste Rune erst was es wirklich bedeutete sich zu wünschen mit jemanden eins zu werden und das Leben zu teilen. Das waren jetzt keine leeren Phrasen mehr die kitschige Lovesongs unausstehlich werden ließen. Er spürte genau diese Gefühle der er immer als naive Träumereien verlacht hatte. Und er wusste wie weit seine Beziehung mit Tiril davon entfernt gewesen war. Bei Tiril hatte er nur in der Gegenwart gelebt und nie an die Zukunft gedacht.
Trotzdem fragte er sich weshalb sein Vater der Meinung war das jetzt der Zeitpunkt war darüber zu sprechen. Sieben Jahre zu spät.
„Hättest du mir das nicht früher sagen können? Das hätte mir viel Ärger erspart.“ ,schnaubte Rune verächtlich. „Ich habe inzwischen gelernt das du gewisse Dinge eher tust wenn ich dir das Gegenteil rate. Außerdem hat es doch nur ein Jahr gedauert bist du das selbst begriffen hast.“ Die tiefe Stimme des Wissenschaftlers triefte vor Sarkasmus. Warum sollte er sonst so heiter klingen? Aber das lag jetzt weit in der Vergangenheit, er war kein 16-Jähriger Teenager mehr.
„Wie lange kennt ihr euch?“ Dieses Mal wirkte es nicht so als wollte Øystein nonchalant das Thema wechseln, es fühlte sich eher an als wollte er auf etwas Bestimmtes hinaus. „Fast zwei Monate.“ ,antwortete Rune prompt weil er sofort die ominöse Einladungskarte vor Augen hatte mit der alles angefangen hatte. Er konnte sich immer noch lebhaft an diesem Moment erinnern, dabei hatte er das Gefühl das seither eine Ewigkeit vergangen war. Es wirkte als gehörte dieser Augenblick in ein anderes Leben, zu einem anderen Rune. „Und ja, ich bin mir sicher, falls du darauf hinaus willst.“ „Was unterstellst du mir? Ich habe keine Ahnung von diesen Dingen, du warst immer der emotionale Part in diesem Haushalt. Ich dagegen bin auf externe Erfahrungsberichte angewiesen.“ ,stellte Øystein eine Spur zu vergnügt fest. Diese Unbeschwertheit blieb als er sich an Richard wandte. „Und du? Immer noch nicht genervt von Rune?“

Richard hielt sich auch weiterhin aus dem Gespräch heraus und hörte nur mit halbem Ohr mit, auch wenn er sich jeden Satz davon niemals vergessen würde. Allerdings wollte er sich von dem ganzen jetzt nicht noch weiter runterziehen lassen und versuchte es irgendwie auszublenden oder zu objektivieren. Als Oystein schließlich auf die Länge ihrer Beziehung ansprach, wagte Richard es den Blick von der Landschaft zu nehmen und geradeaus auf das Armaturenbrett zu schauen. Rune meinte, dass sie fast zwei Monate zusammen wären, aber war es wirklich nur so wenig? Richard vergaß tatsächlich für einen Augenblick, dass sie lange vorher Freunde gewesen waren. Komischerweise zählte er diese Zeit im Kopf zu ihrer Beziehung hinzu, aber Rune hatte Recht, so lange waren sie noch gar nicht zusammen. Das machte dem Weißhaarigen mal wieder schmerzlich bewusst wie naiv seine Wünsche waren. Mit Rune zusammen ziehen oder sogar mehr? Sie hatten ja nicht einmal die Einjahresmarke überschritten. Er würde sich ja zum Gespött aller machen! Verdammt, er war ja so ein Trottel! Nach so kurzer Zeit dachte man noch nicht an sowas, in den ersten Monaten stand ja erst noch aus, ob es überhaupt eine längere Beziehung werden würde. Richard konnte sich nicht vorstellen mit Rune irgendwann Schluss zu machen, aber das bedeutete ja nicht...
Richard wurde von Oystein aus seinen Gedanken gerissen, als dieser ihn direkt ansprach, um ihn zu fragen, ob er schon von Rune genervt war.
"Ähm...", begann Richard und musste erst seine Gedanken ordnen, bevor er die Frage gänzlich verstehen konnte, "Ich weiß nicht. Also... mir fällt jetzt nichts ein, was mich nervt."

Richards Antwort war verhalten und aus irgendeinem Grund wäre es Rune lieber gewesen wenn er sich darüber beschwert hätte das er wegen ihm sämtliche Zimmerpflanzen austauschen musste. Das hätte bestimmt nicht so bedrückt geklungen. Er hatte keine Ahnung was sein Vater beabsichtigt hatte, aber er hoffte doch stark das es er nicht darauf abgezielt hatte!
„Dann musstest du ihn wohl noch nie von einem einsturzgefährdeten Baum herunter pflücken. Verschläft er immer noch ganze Nachmittage? Ich habe nie verstanden wie ein erwachsener Mensch so ein großes Schlafbedürfnis haben kann. Hat er dich schon wegen Folter angeklagt weil du dir Pflanzen ins Haus geholt hast?“ Fröhlich plauderte Øystein weiter und brachte damit Rune nicht so sehr aus der Fassung wie er vermutlich hoffte. „Ob du es glaubst oder nicht, Richard hat mich schon dabei unterstützt Topfpflanzen auszuwildern.“ Stolz und Entschlossenheit schwangen in seiner Stimme mit. Es war die Überzeugung das ihre Beziehung etwas ganz besonderes war und das Richard ihn verstand wie niemand sonst. Selbst in diesen kleinen Akten der Rebellion stand er ihm zur Seite.
„Wirklich? Gut zu wissen.“ Er war zu stur um “Schön zu wissen“ zu sagen, aber Rune hörte es trotzdem heraus. „Nur derjenige der jede Schramme in der Rinde kennt kennt hat einen Baum angemessen bewundert.“
Sofort fiel Rune jegliche Farbe aus dem Gesicht. Feuerrot kehrte sie zurück. Seine Züge bereiteten sich darauf vor zu wüten. Er wusste ganz genau wo dieses Zitat herstammte. „Du warst bei meinen Sachen!“ Øystein lachte ein tiefes, amüsiertes Lachen. „Betrachte es als Recherche. Allerdings kann ich zu meiner Verteidigung sagen das du dich nicht wundern musst wenn dein Vater zufällig drüber stolpert weil er versucht Herr über das Chaos in deinem Zimmer zu werden.“ „Das gibt dir nicht das Recht das frei zu zitieren. Ich verklag dich wegen wegen dem Diebstahl von geistigen Eigentum!“ Aber mit dieser Anklage verstärkte er Øysteins Lachen nur noch. Wütend presste Rune die Lippen aufeinander.
„Der Baum dahinten hat ziemlich viele Schrammen und zweifelsohne so manchen Knick in der Krone. Aber man muss ihn einfach gern haben.“

Als Oystein ein paar Sachen aufzählte, dämmerte Richard so langsam, was der alte Herr meinte. Er wollte gerade schon antworten, dass er selbst gerne lange schlief, vor allem in Runes Nähe und dass er sich damit abgefunden hatte keine echten Pflanzen mehr in der Wohnung zu haben, aber da sprang Rune schon dazwischen und beantwortete Oysteins Fragen sofort. Der schien sich darüber zu freuen, allerdings entfachte er mit seinem folgenden Satz sofort einen neuen Brandherd.
Etwas ungläubig wandte Richard seinen Blick zu Oystein, der sich abermals mit Rune ein Streitgespräch lieferte, bei dessen Sätzen Richard immer breiter grinsen musste. Er wandte sich wieder dem Fenster zu, grinste aber weiter in sich hinein. Während Rune sich aufregte, lachte sein Vater nur und meinte dann, dass Rune wohl ein ziemlich verschrammter Baum mit Knick in der Krone war. Jetzt konnte Richard ein leichtes Lachen nicht unterdrücken.
"Rune mag es bestimmt mit einem Baum verglichen zu werden.", murmelte Richard halblaut und grinste dann wieder, "Obwohl... ich glaube, dass ich nicht halb so bin wie die kerzengerade Birke, die er in mir sieht."
Etwas verlegen kratzte sich Richard am Ohr und sein Lächeln wurde etwas nachdenklich.

Rune stutzte über Richards Worte. Was? Nein er war zweifelsohne keine Birke die mit ihrer Makellosigkeit in der konformistischen Masse unterging! Gerade deswegen liebte er Richard doch!
„Du bist keine Birke!“ ,stellte Rune klar. Glaubte er wirklich das er ihn so sah? Als Fehlerfrei? Langweilig? „Du bist eher eine Silberweide.“ Verästelt, schief und trotzdem so atemberaubend das sie das Herzstück vieler Wiesen war.
Jetzt wagte er sich doch sich so weit vorzubeugen das er sein Kinn beinahe auf Richards Schulter ablegen konnte. Sollte sein Vater doch die Augen verdrehen. Diese Worte waren nur für sie beide bestimmt.
„Und ich bewundere jede deiner Schrammen und Knicke.“ ,wisperte er sanft.
Offenbar war Øystein an diesen Daten überhaupt nicht interessiert. Stattdessen beschleunigte er den Motor um die Geräuschkulisse zu erhöhen. Rune nutzte die Gelegenheit um Richard einen raschen Kuss auf die Schulter zu hauchen.
Zwischen dem Seeufer zu ihrer linken und dem weitläufigen Wald zur rechten waren bereits die ersten Häuser von Runes Heimat zu sehen. In greifbarer Ferne lag das idyllische Städtchen eingebettet von Hügeln und überragt von der riesigen Skischanze. Zurzeit war einer der wenigen Monaten in der sie im satten Grün erstrahlte. Rune lächelte, es war immer wieder schön das wunderbar langweilige Stück Erde zu sehen auf dem er seine Kindheit verbracht hatte.
„Ich würde dir gerne gleich die Stadt zeigen, Kjære.“ „Ausgezeichnet, dann habe ich mehr Zeit peinliche Kinderfotos von dir zu suchen.“

Rune war mit diesem Vergleich absolut nicht einverstanden. Er verglich seinen Liebsten lieber mit einer Silberweide und unweigerlich musste Richard an seine einzige Begegnung mit einem ausgewachsenen Baum denken. Sofort zeichnete sich ein breites Grinsen auf seine Lippen, das allerdings sofort schwächelte, als er Runes Stimme plötzlich ganz nah an seinem Ohr hörte, bevor der Cyborg ihm einen Kuss auf die Schulter drückte. Sofort schien alles vergeben und vergessen und Richard wollte nichts anderes, als sich jetzt abschnallen und auf die Rückbank zu Rune springen, um ihn stürmisch zu umarmen und zu küssen.
Als Rune vorschlug ihm die Stadt zu zeigen, ignorierte Richard das bissige Kommentar von Oystein total und raunte seinem Liebsten ein "Gerne." zu, während er seinen Kopf so weit zur Seite wandte, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren.

Richards warmer Atem wärmte Runes Gesicht wie die Morgensonne. Er seufzte glücklich. Das knisternde Feuer in seiner Brust wurde von dem Ausdruck in den Augen seines Liebsten nur noch mehr angefacht. Die Versuchung ihn einfach zu küssen war groß. Es war eine süße Qual jetzt nicht einfach das Kinn recken zu können um ihre Lippen miteinander zu vereinen. Gerade diese Sehnsucht machte diesen Moment so wunderschön und bittersüß.
Schließlich blieb Øystein war nichts anders übrig als sich einzumischen. „Rune, wenn ich jetzt einem Elch ausweichen muss läufst du Gefahr dir das Genick zu brechen.“ Rune verzog genervt das Gesicht. Vielleicht war dieser Einwand berechtigt. Vielleicht war es dieses Mal wirklich nur Sorge die aus seinem Vater sprach. Glücklich war er trotzdem nicht darüber. Ganz kurz nahm er diese Gefahr in Kauf um Richards Wange sanft mit seinen Lippen zu streicheln. Dann verkrümelte er sich wieder auf die Rückbank.
Dort wurde er von einem kichernden Jesper begrüßt. Auch Rune schmunzelte unter seinen leicht geröteten Wangen. Der Junge war noch so verdammt unschuldig.
Schließlich hielt der Wagen vor einem dunkelroten Holzcottage das sich zur Hälfte im Wald versteckte. Die Häuser der Nachbarn lagen mindestens einen 10 Minuten-Gang entfernt. Wahrscheinlich war es das abgeschiedenste Haus das verfügbar gewesen war als sie hier eingezogen waren. Möglichst weit weg von verurteilenden Augen.
Sofort zog Rune eine Sonnenbrille aus seiner Hosentasche um zu verstecken was ihn am Offensichtlichsten als Cyborg auszeichnete. Das Überwerfen eines Rollkragenpullovers wollte er hingegen so lange wie möglich heraus zögern. Denn dafür war es eigentlich zu warm.
Sobald er der Motor verstummte schnellte Runes Anschnallgurt zurück und er sprang aus dem Wagen um auf den schnellsten Weg nach Richards Hand zu greifen und ihn hinter den heruntergekommenen Bauschuppen zu ziehen.
„Ich weiß mein Vater ist ein bisschen...speziell. Er hat Schwierigkeiten Menschen außerhalb ihrer neurologischen Funktionen zu verstehen.“ ,entschuldigte er sich dafür das Richard die Gesellschaft seines Vaters auf sich nehmen musste als sie im Schutz des Schuppens und der Bäume standen. Die Sonnenbrille verdeckte die Zuversicht in seinem Blick. „Aber ich glaube er mag dich.“

Richard lief rot an und grinste in sich hinein, als Rune ihm einen schnellen Kuss auf die Wange hauchte und sich dann wieder richtig hinsetzte. Ganz unrecht hatte Oystein mit seiner Warnung nicht, aber wie gerne hätte er... Leicht biss er sich auf die Unterlippe und hoffte sie würden wenigstens heute Abend genügend Zeit haben, um das hier wieder auszugleichen. Obwohl... das sollte er sich wohl doch lieber zweimal überlegen. Er konnte sich nämlich gut vorstellen, dass sie gar nicht erst ihr Ruhe haben würden und vor dem Kurzen wollte er Rune jetzt auch nicht unbedingt küssen. Vor allem, weil er sich selbst kannte.
Als sie endlich angekommen waren, war Richard froh seine Beine endlich wieder ausstrecken zu können. Auch sein Hintern war ein wenig eingeschlafen. Plötzlich packte Rune ihn am Handgelenk und zog ihn mit sich. Richard rief noch ein "Bis später." über die Schulter, bevor Rune ihn auf einmal um die Ecke hinter den Bauschuppen ziehen konnte. Das... war irgendwie verwegen... Richard konnte ein paar unpassende Gedanken gar nicht daran hindern in ihm aufzusteigen. Rune entschuldigte sich erst für seinen Vater, meinte aber auch, dass er Richard wohl zu mögen schien.
Langsam hob der Weißhaarige die Hand und strich dann vorsichtig Runes Sonnenbrille von dessen Nase, um ihm dann einen zärtlichen Kuss auf die Lippen zu drücken. Nachdem er die Sonnenbrille in seine rechte Manteltasche verschwinden gelassen hatte, schlang er die Arme um seinen Liebsten und zog ihn in einen zweiten, deutlich leidenschaftlicheren Kuss.
"Solange ich mit dir zusammen sein darf, kann mir eigentlich egal sein, was er über mich denkt.", hauchte er Rune zu und zog ihn dann eng an sich, um ihm tief in die Augen zu schauen und sich ihm langsam wieder zu nähern.

Zuerst schaute Rune noch verwirrt drein als Richard anstatt zu antworten seine Tarnung entfernte. Doch dann erklärten seine Lippen was er vorhatte. Nach dem ersten Kosten merkte er wie ausgehungert diese Lippen waren. Und wie ausgehungert er selbst war. Sie hatten schon längere Zeit ohne einander ausgehalten, aber noch nie hatte Rune sich solange zurück halten müssen während er den Quell seiner Begierde direkt vor seiner Nase hatte. Die Auswirkungen davon die Versuchung stundenlang vor Augen gehabt zu haben ohne sich ihr richtig hingeben zu können machten sich nun bemerkbar.
Die Atmosphäre gab ihm den Rest. Hier hatte er sich als Kind versteckt wenn er sein Zimmer aufräumen sollte, dort hinten war die Hintertür aus der er sich geschlichen hatte um nachts in der Stadt zu randalieren und in diesem Schuppen hatte er sein Gras versteckt. Auf einmal war Rune wieder ein Teenager der sich vor seinem Vater versteckte um mit seinem Freund herum zu knutschen. Es war das erste Mal das er diese Erfahrung machen durfte und wie jedes erste Mal hatte dieser Kuss einen ganz besonderen Zauber.
Als Richard sich von löste wünschte er sich mit jedem rasselnden Atemzug seinen Mund zurück.  „Als könnte mich das von dir fern halten. Ich gehöre dir.“ Er wollte nur noch von diesen kristallklaren Augen begehrt werden, er wollte diese Umarmung nie wieder verlassen, er für immer eins mit diesen Lippen werden, er wollte...nicht die Gelegenheit seine Familie zusammen zu führen für ein heimliches Stelldichein opfern! Das hier war keine flüchtige Sommerromanze, er wollte diesen Mann an seiner Seite wissen. Am liebsten mit möglichst wenig Unannehmlichkeiten. Das die Personen die ihm nahe standen miteinander aus kamen war keine Voraussetzung für ihn, aber wünschenswert. „Wir sollten nicht zu lange hier bleiben.“ ,keuchte er.
Er kämpfte. Jeder Atemzug kündete von seiner Zerrissenheit. Seine Worte forderten zum Aufbruch auf, aber sein Körper wollte verweilen. Sanft legte Rune seine Hände an Richards Wangen, zehn Herzschläge später hatte er bereits aufgegeben und sich dem Kuss hingegeben. Seine Hände waren auf Wanderschaft gegangen und griffen in Richards Haare um ihn noch enger in diesen Kuss zu ziehen.

Rune gab sich Richards Kuss hin und nicht weniger ließ Richard sich in diese zärtliche Berührung fallen. Nur ungerne trennte er sich von Rune, doch dessen Worte schienen diese Pause allemal wett zu machen. Vor allem seine nochmalige Bezeugung, dass er ihm gehörte, ließ Richards Herz heftig schlagen und ihn sofort näher an sich drücken. Er spürte Runes Atem auf seinem Gesicht und sein Ein- und Ausatmen verriet ihm, dass Rune nicht weniger erregt war als er selbst. Irgendwie reizte es ihn unfassbar es hier und... nein, Rune hatte Recht.
Sie waren hier auf Besuch und wahrscheinlich jetzt schon extrem verdächtig, daher war es besser erstmal die Füße still zu halten. Richard konnte aber nicht garantieren, dass das bis zu ihrer Abreise so bleiben würde. Dieses Mal war es Rune, der ihre Distanz überwand, seine Hände auf Richards Wangen legte und ihre Lippen wieder zueinander finden ließ. Als Rune seine Finger in Richards weiße Haare vergrub und ihn zu sich zog, wurde Richard sofort klar, dass das hier nicht so schnell enden würde, wenn nicht einer von ihnen vernünftig werden würde. Einen Moment lang genoss er noch den liebevollen Kuss, bevor er sich von Rune reißen musste und ihn schwer atmend und mit erregtem Gesichtsausdruck anschaute.
"Rune, wenn wir nicht aufhören, kann ich mich nicht zurückhalten.", mahnte er.

Herregud, was würde wohl passieren wenn Richard sich nicht mehr zurück halten konnte? Würde er über ihn herfallen? Hier im Hinterhof seiner Kindheit? Rune wollte es wissen, verdammt nochmal! Er brauchte dieses Wissen!
„Hmmh“ ,war die einzige Möglichkeit diese Feststellung zu beantworten weil er seine Lippen nicht benötigte um diesen Laut zu bilden. Denn die hielten die Distanz einfach nicht mehr aus und hatten seinen Händen befohlen Richard herunter zu ziehen damit sie sich holten konnten was sie wollten.
Mit einem lauten, unwilligen Laut zwang Rune sich aus diesen Kuss loszureißen. Es klang fast wie ein unterdrückter Schrei. Das hier war ihm wichtig! So verlockend es auch war, aber es würde noch unzählige Gelegenheiten geben um mit Richard zu verschmelzen und einer von ihnen beiden musste jetzt vernünftig sein. Aber warum musste er das sein?
Er blickte Richard mit wehmütigen, leidenden Augen an. Seine Lippen waren aufeinander gepresst, die einzige Möglichkeit sie zurzeit im Zaum zu halten.
„Später!“ ,stieß er keuchend aus. Er klammerte sich an dieses Wort. Da sein Mund ja nicht durfte strich er mit seinem linken Zeigefinger  über Richards Lippen. Sie waren so weich, so verlockend. Rune musste sich ermahnen sie nicht zu küssen. „Später will ich das du es mir ordentlich besorgst.“ ,knurrte an seinen aneinander gepressten Lippen vorbei. Sein Brustkorb vibrierte während diese Worte sich aus seinem Innersten hervor schlichen. Seine rechte Hand vergrub sich fest in Richards Haaren. Dann wurde seine Stimme mit einem Mal ganz weich.
„Aber ich möchte nicht nur mit dir Liebe machen, mir ist das hier...ziemlich wichtig.“ ,gestand er. Die Worte stockten, es war ihm ein bisschen peinlich. Er verstand selbst nicht weshalb es ihm so verdammt wichtig war, aber er wollte diese neue Möglichkeit Richard an seinem Leben teilhaben zu lassen gebührend würdigen.

Plötzlich zog der Norweger ihn am Kragen zu sich herunter und legte seine Lippen wieder fordernd auf seine. Verdammt, er wollte ihn, hier und jetzt. Diese Küsse verlangten Richard wirklich jeden Rest Selbstbeherrschung ab. Zum Glück riss sich Rune gerade noch rechtzeitig von ihm los und Richard entfuhr unweigerlich ein erregtes Keuchen, als Runes Lippen plötzlich nicht mehr auf seinen lagen. Richard zitterte vor unerfüllter Lust und fast schon flehend blickte er Rune an, während dieser ihre Zärtlichkeiten mit einem Wort auf später verschob.
Dieser sehnsüchtig flehende Blick wurde noch stärker, als Rune seine Finger über Richards Lippen fahren ließ. Unter seinen Fingern zitterte Richard vor Sehnsucht. Als Rune plötzlich direkt heraus sagte, dass er wollte, dass Richard es ihm später ordentlich besorgte, wurde dessen schicke Hose von einer Sekunde auf die andere viel zu eng, während ein gefährlich mächtiges Brennen sich unter seiner Haut entfachte. Dass er dem Drängen nicht nachgab, sondern selbst jetzt stark blieb, schien sich zu entlohnen, als Rune darauf hinwies, dass er nicht nur das wollte, sondern dieses Treffen ziemlich wichtig nahm.
"Ich...", begann Richard und atmete erst einmal, um zu versuchen sich langsam zu beruhigen, "Ich werde dir keine Schande machen, das verspreche ich dir. Sollte ich irgendwas versuchen, dann brems mich, okay? Ich habe das Gefühl mich kaum zurückhalten zu können, wenn du es mir nicht befiehlst."
Langsam senkte sich Richards Blick, während er immer noch verzweifelt versuchte seinen angestrengten Atem und sein stark schlagendes Herz zu beruhigen.
"Verdammt, vergib mir. Ich ... kann einfach nicht genug von dir bekommen. Ich komme mir manchmal vor ...", fügte er bedrückt an und verschluckte den Rest des Satzes, wobei deutlich war, dass nichts positives am Ende dieses Satzes stehen würde.