Lillehammer, Norwegen [Gegenwart]

Plante sein Liebster jetzt etwa sich mit seinem Vater zusammen über ihn lustig zu machen? Rune widerstand den Drang Richard in die Schulter zu boxen, zumindest vorerst. Er hatte sich damals wirklich Sorgen um ihn gemacht und so wurde ihm das gedankt?
Zum Glück ließ Rune sich davon nicht beirren und fuhr mit seiner Erzählung fort. Diese wurde mit einem Blick belohnt der seine Knie weich werden ließ. Ein weiteres Mal wurde er zu Wachs in Richards Finger obwohl er eigentlich sauer auf ihn sein wollte. Er wollte diese Lippen die ihm stumm die süßen Worte übermittelten die sein Herz höher schlagen ließen berühren. Da das aber gerade nicht ging, streichelte er mit seinem Zeigefinger sanft über Richards Hals. Eine kleine, zärtliche Geste als Stellvertreter für einen Kuss.
Damit bot er seinem Vater eine ausgezeichnete Gelegenheit um zu beweisen das er manchmal das Taktgefühl eines Bergtrolls besaß! Umso überraschter war Rune über das kurze Schweigen das auf Richards Erklärung folgte. Wortlos dirigierte Øystein den Wagen an den modernen Stadtgebäuden vorbei. Allmählich ließen sie die Stadt hinter sich und erreichten die geschnörkelten Straßen die sich kurvenreich in Norwegens hügelige Landschaft einfügten. Richards Worte schienen den alternden Mann nachdenklich gestimmt zu haben.
„Du bist nicht der Erste den er dazu bringt.“ Dieser mit gedämpfter Stimme ausgesprochene Satz weckte Runes Misstrauen. Wo blieb die auf sein Selbstwertgefühl abgezielte Pointe? Wo blieb die peinliche Anekdote aus seiner Jugend? Sein Vater war einer der uneinsichtigsten Menschen die er kannte. Wann hatte er es geschafft ihn über den Tellerrand blicken zu lassen? Was hatte dieses seltsame Gefühl von Nostalgie hier zu suchen?
Øystein beendete diesen für Rune sehr befremdlichen Moment indem er sich mit einen Schmunzeln an Richard wandte. „Ich hoffe bei euch hängt nicht der Haussegen schief wenn du den Müll falsch trennst.“, gluckste der Neurochirurg. Rune war beinahe erleichtert über diese Reaktion. So kannte er seinen Vater und er weckte sogar die Hoffnung das zumindest ein bisschen etwas von seinen verzweifelten Vorträgen über die Wichtigkeit von Recycling hängen geblieben war. Rune fiel dabei allerdings auf das er bei Richard tatsächlich um einiges nachsichtiger war wenn Papier nicht in mühseliger Kleinstarbeit von Plastikmüll getrennt wurde. Diese Erkenntnis ließ Rune selbst stutzen. War er etwa so weich geworden?
Er kam nicht dazu einen Kommentar über Øysteins grauenhaftes Verständnis von Mülltrennung zu verlieren, denn sein Vater beschloss direkt das Thema zu wechseln. „Also, was ist das für ein Beruf bei dem man sich mit gemeingefährlichen Angestellten herum ärgern muss? Ich will doch hoffen das du kein Mafia-Don bist.“ ,harkte der Wissenschaftler im Plauderton nach.

Richards Blick huschte noch einmal kurz zu Rune, als er dessen Finger an seinem Hals spürte und schenkte ihm ein leichtes Lächeln, bevor er etwas überrascht über Oysteins Worte zu dem hinüber schaute. Der alte Herr war also doch nicht so ein Griesgram wie zuerst angenommen. Ihm war die gesellschaftskritische Ader seines Sohnes also ebensowenig entgangen wie Richard, auch wenn er annahm dass Oystein eher weniger Freude daran hatte.
Mit einem Lächeln wandte Richard sich dann wieder der Landschaft zu, die sich langsam aber merklich veränderte. Interessiert musterte er die Berge und vielen Hügel, die Seen und Flüsse, an denen sie vorbei fuhren. Nach einer Weile meldete sich Oystein wieder zu Wort und fragte mit einem glucksenden Lachen, ob sie Streit hätten, wenn Richard den Müll nicht anständig trennte. Richard lachte leicht.
"War noch nie nötig, da bin ich von Haus aus pingelig.", meinte der Weißhaarige und merkte gerade, dass sie das Thema tatsächlich noch nie hatten.
Aber tatsächlich gab es auch keinen Grund mit Rune darüber zu streiten, denn Richard war wirklich jemand, der diszipliniert Ordnung hielt, auch was die Mülltrennung anging. Gut, er ließ den Müll manchmal schon arg voll werden und war dann zu faul ihn selbst zu leeren, sondern wartete darauf, dass Jacque das übernahm, aber in seinen Papiermüll gehörte einfach kein Plastik und die einzige Ausnahme die okay war, war die, dass er Plastik manchmal in den Restmüll warf, wenn der Plastikmüll zu voll war. Aber das Thema schien auch nicht von großem Interesse zu sein, denn keiner hatte etwas dagegen umzuschwenken auf ein neues Thema.
„Also, was ist das für ein Beruf bei dem man sich mit gemeingefährlichen Angestellten herum ärgern muss? Ich will doch hoffen das du kein Mafia-Don bist.“, fragte Oystein recht locker nach und Richard musste fast wieder lachen, grinste aber stattdessen nur breit.
"Meinen Hauptberuf könnte man als Broker bezeichnen, aber dort habe ich keine Probleme mit meinen Untergebenen. Eher in meiner Nebentätigkeit und Rune hatte anfänglich auch die Vermutung, dass wir eine kriminelle Vereinigung wären. Aber das konnte ich ihm nicht einmal verdenken. Ich hätte wahrscheinlich ähnlich gedacht, wenn ich zuerst auf diesen Kameraden anstatt auf den Rest von uns getroffen und dann noch von ihm bedroht worden wäre. Cadysas Eigenheiten in allen Ehren, aber als ich davon erfahren habe, war ich stinksauer, weil das einfach nicht unsere Art ist. Wir sind keine Kriminellen und auch keine Mafia. Oder würden Sie einen Verein, der sich für wohltätige Zwecke einsetzt als solches bezeichnen?", erklärte Richard und richtete sich dann wieder an Oystein.

Runes Hand auf Richards Schulter verkrampfte sich kurz, entspannte sich jedoch sofort wieder als er die Erklärung hörte. Er war ziemlich überrascht über Richards Ehrlichkeit seinem Vater gegenüber. Bisher hatte er ihm nicht eine Lüge aufgetischt, er ließ lediglich einige Details aus. Das hätte er nicht erwartet, immerhin operierten sie eigentlich unter Geheimhaltung. Rune beneidete ihn um diese Fähigkeit, er wäre dazu wohl nie im Stande und war deswegen auch ganz froh das sein Liebster das übernahm.
Allerdings reichten Øystein als Mann der Wissenschaft ein paar wage Worte natürlich nicht. Rune verdrehte die Augen, wäre ja auch zu schön gewesen wenn ein einziges Mal ein Gespräch einfach mit ihm ablaufen würde.
„Wohltätigkeit, so so....und was sind das für Zwecke? Das hört sich nicht einer Suppenküche an.“ ,er fragte mit ehrlichen Interesse, allerdings war in dem Seitenblick den er Richard zuwarf Skepsis zu erkennen. Rune wollte seinen Vater gerade daran erinnern das er seinen Partner nicht wie bei einem Verhör anzusehen hatte da wurde er von einer dünnen Kinderstimme unterbrochen. „Wohltätigkeit bezeichnet das Wirken zu Gunsten von Bedürftigen.“ Jesper war anzuhören wie sehr er sich darüber freute sich einbringen zu können. Seine Antwort ließ Rune jedoch schlucken. Das war einer der frühen Einträge. Einer von denen bei denen Øystein noch nicht daran gedacht hatte die Worte in eine kindgerechte Sprache umzuwandeln bevor er sie in sein Denken eingepflanzt hatte. Bevor der Theoretiker gelernt hatte sich auf die Psyche eines Kindes einzulassen. Dem schuldbewussten Zucken hinter Øysteins Brille war zu entnehmen das er sich gerade eine mentale Notiz machte das zu beheben...und das er sich über seine eigene Nachlässigkeit ärgerte.
„Was sind Bedürftige?“ Genau das kam nämlich dabei raus. Ein Kind das seine eigenen Gedanken nicht verstand! „Das sind Menschen die Hilfe brauchen. Wie du wenn du deine Schuhe zubinden musst.“ ,sprang Rune reflexartig ein. Das Gesicht des Zehnjährigen hellte sich schlagartig auf. Ihm war nicht einmal bewusst das er eine Bürde trug. „Das kann ich inzwischen ganz alleine.“ ,teilte er fröhlich mit woraufhin Rune ihn mit seiner freien Hand durch die Haare fuhr und sich ein Lächeln ab rang. „Super!“ Es war immer besonders schön zu erleben dass sein Bruder etwas lernte ohne das es ihm vorher einprogrammiert werden musste.
„Also, du bist in der Lage Müll zu trennen und engagierst dich sozial. So langsam dämmert mir weshalb du dich mit dem Blumenkind verstehst.“ Øysteins Brummen klang schon fast wieder belustigt, Rune wusste aber das er nur ablenken wollte. Doch obwohl Rune das bewusst war gelang es ihm, denn der Cyborg seufzte genervt. Als wären das die einzigen Gründe weshalb er sich Richard so nahe fühlte...
„Was ist das für ein Engagement?“ Natürlich ließ er nicht locker und gab sich nicht einmal Mühe damit die Neugierde mit der er Richard ansah zu verstecken. Ein zweites genervtes Seufzen folgte und Rune wünschte sich das sein Vater endlich mal seinen Blick auf die verdammte Straße richten würde!

Es war irgendwie schon fast zu erwarten gewesen, dass ein intelligenter Mann wie Oystein sich nicht von leeren Wortphrasen zufrieden gab. Allerdings war es ganz gut, dass Richard keine überhastete Antwort gab, sondern erst einmal überlegte. Im Grunde klärte die Sache sich dann von alleine. Der jüngere der beiden Brüder rettete die Sache nämlich schon ganz alleine. Richard merkte sich, später besonders nett zu ihm zu sein, vielleicht konnte er ihm nämlich irgendwann nochmal helfen.
Richard schaltete sich erst wieder ein, als Oystein sich direkt wieder an ihn wandte. Innerlich grinste Richard, als er merkte, dass er es hier mit einem intelligenten Sturkopf zu tun hatte. Von wegen lieber Papa, der alte Herr war ein gerissener Hund. Runes genervtes Seufzen von hinten machte Richard klar, dass das wohl nicht nur jetzt so war, sondern wahrscheinlich immer. Na dann, dachte sich Richard, lasst die Spiele beginnen. Mal sehen, ob du mithalten kannst, alter Mann.
"In dem Fall ein nur für Cadysa typisches. Jeden Tag kommen immer mehr neue Bürger in die Stadt und niemand kümmert sich darum, ob sie sich hier bei uns zurecht finden. Manche haben wirklich Schwierigkeiten und manche bringen auch noch ihre Probleme aus anderen Welten mit. Die Polizei ist ziemlich überfordert und was auch immer die Stadtverwaltung versucht, das hilft nicht. Daher werden wir Bürger selbst aktiv und gründen Selbsthilfegruppen und -verbünde. Wir sind allerdings noch ziemlich klein, daher noch nicht so präsent in Cadysa wie ich es mir wünsche. Aber das ändert sich hoffentlich bald.", erklärte Richard und lächelte leicht.

„Die Polizei ist also überfordert?“ Selbstverständlich ließ Øystein es sich nicht nehmen einen amüsierten Blick auf die Rückbank zu werfen. „Ich kann mir vorstellen das ein gewisser Polizist seine ganze Energie dafür verschwendet einen Brandstifter zu finden.“ Halleluja, zumindest wusste er von dem Waldbrand! Er informierte sich also über das Geschehen in Cadysa. Rune war beinahe versucht zu klatschen.
„Schön wärs. Meine Vorgesetzten interessieren sich nur für die Statistiken und lassen uns in dämlichen Eigentumsdelikten ermitteln oder schieben uns in den Schutzdienst. Die meisten meiner Kollegen sind so frustriert das sie nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Ich gelte lieber als undiszipliniert und werde regelmäßig zum Chef zitiert als da mitzumachen.“ ,empörte Rune sich und entlockte Øystein ein Glucksen das fast...liebevoll klang. „Ja, undiszipliniert warst du schon immer.“ Rune war verwirrt, diese Feststellung fühlte sich beinahe wie ein Kompliment an. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Er war froh das sein Vater sich nur wieder seiner Aufgabe zu wandte sie durch die scharfen Kurven zu manövrieren und diese Reaktion nicht sehen konnte.
„Als außenstehender Beobachter habe das Gefühl die Verwaltung von Cadysa ruht sich auf diesem Zustand aus und verlässt sich darauf das es irgendwie funktionieren wird. So einen Fall wie sie zurzeit überall auf der Welt auftauchen gab es noch nie, aber diese Unerfahrenheit darf keine Ausrede für Resignation sein. Die Stadt braucht dringend Leute die die Initiative ergreifen.“ Ungläubig wanderten Runes Augen zum ungekämmtem Hinterkopf seines Vaters. War das schon wieder der Klang von Anerkennung der sich als beiläufiger Smalltalk tarnte? Was war denn heute los? Dieses Mal war die Situation allerdings weniger verstörend weil die Anerkennung nicht ihm galt, sondern Richards Arbeit. Ob das wohl so bleiben würde wenn er wüsste was sich wirklich hinter der Aussage verbarg? Gut möglich, schließlich war Øystein auch derjenige gewesen der ihn dazu ermutigt hatte seine Fähigkeiten außerhalb von Norwegen einzusetzen.
Zufrieden stellten ihn die Informationen allerdings immer noch nicht. Die Neugierde eines Forschers war schwierig zu befriedigen, das wusste Rune nur zu gut. „Was habt ihr bisher gemacht? Informationsveranstaltungen über die Gesellschaftsnormen dieser Welt? Traumatherapien? Direkte Unterstützung bei der Eingliederung? Bürgerwehr?“

Richard musste laut lachen, als Oystein meinte, dass ein gewisser Polizist einen Brandstifter finden wollte und dabei gezielt auf Rune abzielte. Erst im Nachhinein fiel Richard auf wie taktlos das gewesen war.
"Sorry, Schatz.", entschuldigte er sich schließlich bei Rune.
Aber Rune verteidigte sich schon selbst, was allerdings nur dazu führte, dass Oystein wieder eines seiner bissigen Kommentare abgab. Darauf folgte allerdings etwas, das sogar Richard als Lob enttarnte. Interessant, daher kam also das kritische Denken von Rune. Die Umsetzung schien zwar anders zu sein, Oystein wirkte vernünftiger als Rune, aber vielleicht war genau das der Grund für Runes Verhalten. Diese kühle, analytische Seite kannte Richard nämlich überhaupt nicht im Bezug auf Rune. Er schien eher chaotischer und emotionaler vorzugehen als sein Vater. Der schien es sich wohl immer noch nicht nehmen zu lassen, Richard mit seinen Fragen auszuhöhlen. Er wollte es also wirklich wissen? Richard war fast verleitet es ihm wirklich direkt zu sagen, aber vielleicht war es doch besser, wenn er nicht erzählte, dass er das Leben seines Sohnes jedes Wochenende für das Allgemeinwohl riskierte.
"Wir kümmern uns um magische Anomalien und so Kleinkram, den die Polizei nicht ernst nimmt. Wir sind sozusagen die Spezialisten für besondere Phänomene in Cadysa. Runes Augen sind dabei sehr hilfreich, um solche Anomalien auszumachen.", antwortete Richard.

Mit einer flüchtigen Handbewegung auf Richards Schulter bestätigte Rune das es vollkommen in Ordnung für ihn war das sein Liebster ihm in den Rücken fiel und sich über die Sticheleien seines Vaters amüsierte. Eine Entschuldigung war nicht von Nöten. Richard durfte das. Besonders in diesem Fall in dem die wahre Bedeutung hinter Øysteins Angriffen hindurch schimmerte.
Es wäre trotzdem schöner wenn er damit aufhören würde ihn systematisch zu blamieren!
Die Überraschung in  Øysteins Blick veranlasste Rune sofort wieder die Augen zu verdrehen. „Rune beteiligt sich daran? Obwohl es keine Bäume und Gletscher zu retten gibt? Interessant.“ Man hörte ihn nicht heraus, aber Rune spürte den Hohn hinter diesen Worten. Er hatte sein Engagement für diesen Planeten immer belächelt und zwar auf diese nervige Art wie es nur ein Vater zustande brachte.
„Stell dir mal vor! Natürlich macht es mehr Sinn einen kaputten Dachstuhl zu reparieren, aber das nützt nichts wenn es immer noch in den Ecken rein regnet.“ Rune verschwendete ungern zu viel Zeit damit über seine eigenen Motivationen nachzudenken, in Fällen wie diesen war es einfach unabdingbar die Bedenken herunter zu schlucken und einzuspringen.
„Gut zu wissen. Immerhin bin ich dafür verantwortlich das du überhaupt auf die Idee gekommen bist nach Cadysa zu gehen. Das wäre ein denkbar schlechter Rat gewesen wenn du dort nichts bewegen könntest weil du von der Polizei klein gehalten wirst.“ Oh wow, er formulierte das so als hätte er sich nicht groß und breit darüber ausgelassen wie sehr er seine Zeit in Norwegen verschwendete und damit dafür gesorgt hatte das Rune sich verpflichtet gefühlt hatte das Land zu verlassen.
Eines musste der Cyborg allerdings zugeben. „Es war so oder so ein guter Rat.“ ,nuschelte Rune. Diese Entscheidung hatte sein Leben völlig auf den Kopf gestellt...und er würde nichts daran ändern.
Ein einziges Mal bewies Øystein Taktgefühl seinem Sohn gegenüber und erkannte seine Worte mit einem stummen Lächeln an ehe er sich wieder an Richard wandte. „Das hört sich allerdings nicht nur nach Kleinkram an. Scheinbar reißt sich die Polizei solche Fälle gleich unter den Nagel. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher das Rune sich weigern würde seine Kamera für Kleinkram einzuschalten.“ Das von Falten geprägte Auge des Wissenschaftlers schloss sich zu einem wissenden Zwinkern. Es war eine Feststellung, weitere Nachforschungen waren nicht von Nöten, er hatte hatte genug Informationen gesammelt und erkannte das Ergebnis an. Rune war sich nicht sicher was er davon halten sollte und warf Richard einen besorgten Blick zu.
Ein einziges Mal zuckten seine Lippen und zeugten davon das er mit den Worten rang die ihm auf der Zunge lagen. Er würde damit Øysteins Verdacht womöglich betonieren, aber dafür war es inzwischen sowieso schon zu spät. „Ohne Richard gebe es in Cadysa viel mehr verbrannte Erde.“
„Das war mir schon bewusst.“
Natürlich...

Oystein begann zu zweifeln. Leider kannte er seinen Sohn eben doch noch besser als Richard. Aber vielleicht war das genau der Punkt an der Sache. Er kannte Rune, wie er sich verhielt und wieso, aber Richard wusste selbst wie das mit Eltern so war. Ja, sie kannten einen vielleicht, aber selbst, wenn sie einen wie Oystein Rune unterstützten, schienen sie blind für die Größe zu sein, die ihr eigenes Kind erreichen könnte.
"Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber in meinen Augen ist Rune mehr als nur ein Umweltfreak. In der Hinsicht widerspreche ich ausnahmsweise mal. Ja, es geht uns nicht um die Umwelt, aber ich glaube auch kaum, dass Rune einfach so jeden Löwenzahn liebt und die Menschen hasst, weil sie ihn abmähen. Da steckt viel mehr dahinter, auch wenn er das im Moment noch nicht sieht.", meinte Richard und blickte wieder nachdenklich nach draußen, "Es ist kein Kleinkram seinen Mitwesen zu helfen. Wir sind alle Teil des großen Kreislaufs des Lebens und das ist kein dummes Hippiegerede. Rune denkt wir müssen lernen allen unnötigen Mist loszuwerden und wieder zur Natur zurück zu kehren, ich denke wir müssen erst einmal damit anfangen die Leere in uns selbst zu füllen, dann kommt der Rest von alleine. Darüber werden wir uns wohl immer uneins sein, aber lieber nehme ich seine Herausforderung an, als mit jemandem zu leben, der niemals über den Tellerrand hinaus schaut."
Zum Ende hin lachte Richard leicht und kratzte sich dann seitlich am Kopf.

Øystein schien nichts gegen Richards Widerspruch einzuwenden zu haben. Im Gegenteil, das Zucken seiner leicht zerknitterten Mundwinkel ließ sogar vermuten das er ziemlich zufrieden war. Hatte er etwa darauf gewartet?
Rune schüttelte den Gedanken ab, er wusste inzwischen das es ein ziemlich sicherer Weg war sich zu verlaufen wenn er versuchte zu verstehen was in seinem Vater vorging. Es gab zwar viele Orte an denen er sich gerne verlief, aber der Kopf eines sturen Wissenschaftlers gehörte bestimmt nicht dazu.
Außerdem musste er sich mit dem merkwürdigen Gefühl auseinander setzen das Richard über ihn sprach als wäre er nicht anwesend...und das diese Worte fast durchgehend positiv waren. Der Cyborg errötete von den Ohren bis zur Nasenspitze. Herregud, warum bewegte ihn das so? Er wollte doch gar nicht das Richard mehr in ihm sah als er war! Oder vielleicht doch nicht?
Er dachte über Richards Worte nach. Eigentlich war er sich ziemlich sicher bei den Dingen die er tat wenn sie getan werden mussten! Was gab es da nachzudenken?
Allerdings hatte Richard mit dem was er sonst sagte Recht, nur das der kleine Zusatz der die Brücke schlug fehlte. „Ich glaube die Menschen versuchen diese Leere mit den falschen Dingen zu füllen...und verlieren deswegen den Blick für das Wesentliche.“ Er hatte oft das Gefühl das Konsum und Außenwirkung war das Einzige was den Großteil seines Umfeldes interessierte und das machte ihn unheimlich wütend und traurig.
Selbstverständlich ließ Øystein sich nicht die Gelegenheit nehmen um darauf herum zu reiten wozu diese Wut ihn als Teenager getrieben hatte. In seinen Augen flackerte noch immer diese sehr verwirrende, zufriedene Flamme. „Immerhin hast du inzwischen begriffen das man mit Vandalismus keine Revolution einleitet.“ „Es ging darum ein Zeichen zu setzen!“ ,verteidigte Rune sein jüngeres Selbst. Er wusste inzwischen das diese Aktionen wenig Sinn gehabt hatten, aber es hatte sich dabei nicht um blinde Zerstörungswut gehandelt. „Was hast du denn mit 16 weltbewegendes bewirkt?“
Oh nein, er grinste. Das hieß das er seinem Vater mal wieder eine perfekte Vorlage geliefert hatte. Rune verfluchte sich innerlich dafür.
„Ich habe die Technik entwickelt wegen der du heute sehen kannst.“ ,gluckste er. „Im Endeffekt zählt sowieso nur das was man auch in die Tat umsetzt und das man sich der Konsequenzen bewusst ist. Was auch immer ihr Jungs genau macht, ihr werdet schon das Richtige tun.“ Obwohl Øysteins Stimme ruhig und vergnügt war wusste Rune einfach das er sich bereits ein genaues Bild von diesen Aktivitäten gemacht hatte. Hätte er das nicht würde er schließlich weiter nachfragen und es nicht hinnehmen, oder? Rune wusste genau was dieser Tonfall bedeutete, so klang er immer wenn er sich darüber freute bei etwas Recht behalten zu haben. Rune hasste es. Aber was sollte das sein? Rune tat es inzwischen fast ein bisschen leid das er Richard die Gesellschaft dieses Spinners zumutete. Dabei schienen sie eigentlich ziemlich gut miteinander aus zukommen. Besser als er erwartet hätte und das brachte ihn nur noch mehr durcheinander. Rune entspannte sich ein wenig, solange das nicht dazu führte das sein Vater die richtig peinlichen Geschichten auspackte...

Richard konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen, als Oystein Runes Worte aufgriff, um ihn wegen seines jugendlichen Vandalismus zu kritisieren. Rune verteidigte sich natürlich und wollte sofort zum Gegenangriff übergehen, aber Oystein war ein knallharter Kerl, der sich von sowas eher beflügeln statt behindern ließ. Richard grinste in sich hinein, während Oystein mit einem rechten Schwinger aus dem rhetorischen Ring beförderte. Erst dann wandte er sich wieder an Richard und gab dem fast eine Art Freifahrschein, dass Richard sich mit ungläubig hochgezogenen Augenbrauen zu ihm wandte. Dann senkte sich Richards Blick nachdenklich auf die Mittelkonsole.
"Sie wirken da so überzeugt, als würden Sie einfach darauf vertrauen, dass Rune sich nicht in mir und unserer Sache irrt.", meinte Richard und wandte sich dann wieder der Landschaft zu.
"Ich hoffe nur ich enttäusche dich nicht, Rune. Vielleicht bin ich gar nicht der Ritter in glänzender Rüstung, den du in mir siehst.", fügte Richard gedanklich an.

Rune zuckte merklich zusammen als Richard sprach, seine Finger verkrampften sich. Waren das Zweifel die er da hörte? Bisher hatte es immer so gewirkt als wäre Richard von der League vollkommen überzeugt gewesen. Diese Überzeugungen hatte seine eigenen Zweifel zerschlagen. Auch Jesper warf ihm nun einen fragenden Blick zu.
Øystein hingegen reagierte sofort, er nahm sich nicht einmal die Zeit die Augen von der Frontscheibe abzuwenden. „Ich kenne den Burschen inzwischen lange genug um zu wissen das er sich zu nichts aufraffen würde von dem er nicht überzeugt ist und ich weiß das der Versuch ihm etwas auszureden wenig Sinn macht.
Ich für meinen Teil denke das man nur scheitert kann indem man nichts macht. Die Initiative für das Richtige zu ergreifen ist hingegen nie falsch, im schlimmsten Fall nutzlos, aber nur so kommen wir voran. Niemand wird weit kommen wenn er nur auf vertrauten, sicheren Wegen bleibt.“ Für einen Moment war er tatsächlich ernst geworden. Diese Ernstheit drückte Rune schwer auf die Brust. Hatte er deswegen immer so locker reagiert wenn er von der Polizei nach Hause gebracht wurde?
Das leicht überhebliche, selbstsichere Lächeln kehrte jedoch bald zurück. „Außerdem bin ich mir ziemlich sicher das Rune dich auf den ersten Blick verabscheut hat. Ich möchte wetten das er Broker mindestens ein einziges Mal als Jünger des Kapitalismus bezeichnet hat.“ Ertappt wurde Rune auf der Rückbank ganz klein. Was sollte er dagegen einwerfen? Ihm blieb nichts anderes übrig als zu hoffen das sein Vater mit dieser Aussage nicht versuchte seine Beziehung zu sabotieren.
Das Gegenteil war der Fall. „Was das angeht hat er seine Meinung garantiert nicht leichtfertig geändert. Er hasst die Oberschicht mit Leidenschaft. Du musst irgendetwas in ihm bewegt haben.“ Rune fühlte sich als würde er einen Bericht über sich selbst zuhören, so wie die über seine Entwicklung in Øysteins Unterlagen. Es war ein unangenehmes Gefühl so durchleuchtet zu werden, insbesondere weil diese Analyse stimmte. Es gab nichts was er einwerfen konnte ohne seinem Vater in irgendeiner Form Recht zu geben. Faensdritt! Das hatte er mal wieder schlau eingefädelt.
„War die einzige Möglichkeit den Mist den meine Vorgesetzten verzapfen auszubügeln...“ ,murmelte Rune gekränkt weil er es für seinen Vater so leicht war ihn zu durchschauen.
Der war scheinbar schon wieder darauf aus Daten zu sammeln. „Ich gehe davon aus das du keine eigennützigen Absichten verfolgst. Dafür würde es sich  nicht lohnen sich mit Rune herum zu ärgern. Aber die Frage ist, bist du denn von deiner Sache überzeugt? Meinst du nichts tun wäre die bessere Alternative?“

Oysteins Worte ließen Richard fast schon etwas beeindruckt die Augenbrauen heben. Er hatte schon Recht, für Cadysa würde Richard so einiges riskieren, aber er wusste nicht, ob Rune das alles auch wollte oder es nur machte, weil er ihn dazu irgendwie überredet hatte. Er hatte kein Problem damit beim Einsatz zu sterben, aber er könnte es niemals zulassen, dass Rune wegen ihm auch nur wegen einer Verstauchung zum Arzt musste. Dafür würde er sich wochenlang die Schuld geben.
Als Oystein dann noch meinte, dass Rune ihn am Anfang verabscheut haben musste wegen seinem Beruf, musste Richard amüsiert lachen. Sein Lachen verstummte allerdings und sein breites Grinsen wurde zu einem sanften Lächeln, als der alte Herr hinzufügte, dass Rune sich wohl dahingehend etwas verändert hatte. Es klang beinahe so, als hätte Richard irgendetwas dazu beigetragen.
"Naja, ich glaube das kann ich nie kurieren. Wahrscheinlich würde er sogar immer noch gegen die wettern, wenn er schon lange selbst dazu gehört.", antwortete Richard und lachte wieder leicht.
Rune schaltete sich kurz ein, um auf das eigentliche Thema zurück zu kommen. Damit kehrte auch Oystein zu Richards Aussage zurück und Richards Lächeln wurde wieder etwas schwächer. Einen Moment lang dachte er schweigend über Oysteins Worte nach, doch dann hob er seinen Blick wieder umso entschlossener.
"Nein, ich würde mich zwar sehr über das Ergebnis freuen, doch es wäre nichts, das ich nur für mich tue. Cadysa hat Frieden verdient und jeder, der dort lebt. Ich finde das ist kein abgedrehtes Ziel und definitiv besser daran zu scheitern, als nichts zu tun. Das könnte ich nicht, jeden Tag an den Missständen vorbei fahren und mir denken, mir geht es doch ausgezeichnet dabei. Ich bin abgesichert, mich müsste das doch gar nicht kümmern. Trotzdem könnte ich nicht schlafen bei dem Gedanken an ein Cadysa, dass sich langsam selbst auffrisst. Wie könnte ich daheim sitzen und ruhige Zeit mit Rune verbringen, während draußen die Welt untergeht?", argumentierte Richard, musste dann allerdings unpassenderweise leicht lachen, "Außer es geht wirklich alles unter. Ich schätze dann würde ich mich auf den Balkon setzen und zuschauen, während wir Bier trinken, Pizza essen und... "
Er stockte merklich, als ihm fast etwas unpassendes raus gerutscht wäre. Ein wenig lief er rot an und setzte dann den Satz mit etwas fort, dass der Kleine hinten nicht falsch verstehen könnte.
"...Runes Lieblingsplatte hören."

Rune hob belustigt die Augenbrauen. Welche Umstände sollten ihn bitte dazu bringen jemals der Oberschicht anzugehören? Er tat doch nur wirklich alles um diesen Lebensstil möglichst fern zu bleiben. Doch bevor er einem amüsierten Kommentar abgeben konnte traf ihn die Erkenntnis was Richard mit dieser Aussage impliziert mit einem Schlag. Sofort flammte sein Gesicht feuerrot auf. Er war mit jemanden aus der Oberschicht zusammen. Richard sprach womöglich von ihrer gemeinsamen Zukunft. Eine Zukunft in der ihre Leben sich nicht nur langsam synchronisierten, sondern schon lange eins waren. Das war doch das worauf eine Beziehung hinaus lief. Warum machte ihn diese Feststellung das Richard das vielleicht genauso als selbstverständlich erachtete wie er so aufgeregt? Für einen kurzen Moment rang Rune mit seinem wild schlagenden Herzen, dann fing er sich wieder. Ein schüchternes Lächeln huschte über seine Lippen als er darüber nachdachte wie albern seine Reaktion gewesen war...und wie glücklich er war. Selbst wenn er für dieses Glück das Leben der Reichen auf sich nehmen musste.
Auch die nächste Antwort von Richard wärmte Rune von innen. Das war die Entschlossenheit die er von Richard kannte. „Genau darauf wollte ich hinaus.“ und natürlich musste sein Vater mal wieder allen Anwesenden unter die Nase reiben das er Recht gehabt hatte. Davon ließ er sich aber nicht die Laune trüben. Die Vorstellung das Richard das ultimative Finae mit ihm verbringen wollte klang unheimlich idyllisch, so schrecklich das Szenario auch war. Außerdem wäre ihm bei dieser Erzählung beinahe etwas unanständiges raus gerutscht, wie niedlich. Gerne hätte er jetzt seinen Kopf statt seiner Hand auf Richards Schulter platziert und hätte einen dieser Augenblicke genossen die nur ihnen gehörten.
„Wir wollen nicht offen dazu es dazu kommt, bis Rune sich dafür entschieden hat was seine Lieblingsplatte ist liegt die Stadt schon in Trümmern.“ „Crawl Out Through The Fallout von Sheldon Allman.“ ,erwiderte Rune wie aus der Pistole geschossen und grinste über seinen Erfolg dieses Mal derjenige gewesen zu sein der seinen Vater dazu brachte die Augen zu verdrehen. Er hatte eben nicht immer Recht! Es fiel Rune vielleicht schwer sich auf eine einzige Platte als Favoriten festzulegen, aber für den totalen Zusammenbruch von allem gab es keinen Song der besser passte. „Wenn die Welt untergeht möchte ich sie mit lebhaften Folk verabschieden.“
Øystein tat Runes Antwort mit einem Schnauben ab, was den Cyborg unheimlich freute. Als er sich das Wort dieses Mal an Richard wandte bildete er sich ein das er das tat um vom Thema abzulenken. „Behalt' dir diese Einstellung bei. Ich kann mir denken das ihr nicht nach konventionellen Methoden arbeitet. Aber oft muss man mit den Konventionen brechen um wirklich etwas zu bewirken. Selbst wenn das nicht immer frei von Risiken ist. Nur weil ich ihm damals den Kopf aufgeschnitten habe ist der dahinten überhaupt in der Lage ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“ Autsch, das hatte gesessen. Rune verzog pikiert das Gesicht und er konnte nicht einmal widersprechen.

Richard musste zweimal lachen. Das erste Mal als Oystein den Witz riss, dass die Stadt schon längst pulverisiert wäre bis der Cyborg sich endlich mal dazu entschieden hatte, welche von seinen vielen Platten denn nun seine Lieblingsplatte war und zum zweiten Mal als Rune wie aus der Pistole geschossen eine Antwort gab, die Oystein nichts weiter erwidern ließ. Als der alte Herr sich wieder an Richard wandte, wurde der fast verlegen, als Oystein ihn regelrecht lobte. Außer er verstand hier etwas völlig falsch. Was natürlich folgen musste war ein Seitenhieb zu seinem Sohn, der darauf auch erst einmal gar nichts antwortete, sondern nur entsetzt das Gesicht verzog. Aber Richard musste gar nicht über die Schulter schauen, um zu wissen, dass Rune dieser Satz getroffen hatte. Dieses Mal ging der Scherz für Richard dann doch ein wenig zu weit, aber wirklich anlegen konnte er sich jetzt auch nicht mit Oystein, sonst wären die eben gewonnen Pluspunkte gleich wieder verspielt. Manchmal half es mit Aggression jemanden zu verteidigen und manchmal...
"Wenn mein Vater sauer auf mich war, brachte er manchmal den Spruch: Deine Mutter hätte dich doch ins Waisenhaus bringen sollen, da hätten sie dir wenigstens ein paar Manieren beigebracht. Er war der Meinung, dass meine Mutter ein viel zu weiches Herz hätte und mich deswegen behalten hatte.", meinte Richard daraufhin und lachte leicht, "Naja, wirklich getroffen haben mich diese Sprüche nicht, immerhin war er nicht mein echter Vater und er ließ keine Gelegenheit aus das zu betonen, Wendy genauso wenig. Aber irgendwo nagt es trotzdem immer an einem."

Stille machte sich im Wagen breit während die Anwesenden Richards Worte verarbeiteten. Besonders Rune hatte daran zu knabbern der am liebsten seine Arme um seinen Partner gelegt hätte und sich lautstark darüber beschwert was für ein Arschloch sein Vater war.
Allerdings wagte Øystein es zuerst das Schweigen zu brechen nachdem er für einen langen Augenblick die Straße beobachtet hatte. „Rune war schon immer resistent gegen Manieren, hat mir viel Arbeit erspart es gar nicht erst zu versuchen. Wenn ich ihm eine Standpauke darüber gehalten hätte das man nachts nicht in Gewächshäuser einbricht um den gesamten Pflanzenbestand zu plündern hätte ich ihn sowieso nur bestärkt.“ Ohja, wie Recht er damit hatte! Aber warum erzählte er das jetzt? Rune runzelte irritiert die Stirn. Diese Erzählung kam ihm gerade ziemlich deplatziert vor. Der Cyborg war inzwischen dem Sitz vor ihm ein merkliches Stück näher gekommen ohne es direkt zu merken. Seine Hand war von Richards Schulter über seine Brust gerutscht wo er sich im ungelenken Versuch einer Umarmung festhielt.
Øystein fuhr mit seinen Anekdoten einfach fort. „Als ich ihn damals adoptiert habe haben meine Eltern mich als kaltherziges Monster beschimpft. Sie haben nie verstanden was meine Absichten waren. Sie dachten ich hätte einfach Spaß daran kleinen Kindern im Gehirn herum zuschneiden. Sie haben sich geweigert Rune als etwas anderes als das Opfer meiner Misshandlung zu akzeptieren, also habe ich aufgehört sie zu akzeptieren.“ Seine Stimme war ruhig als würde er einen wissenschaftlichen Vortrag halten, ein Moment den Rune selten mitbekam. Sofort huschte sein Blick zu Jesper um zu sehen wie sein Bruder den Abstecher in die Vergangenheit auffasste. Aber der beobachtete nur interessiert die blauen Weiten des Mjosa-Sees der sie nun schon seit einiger Zeit auf ihrer Fahrt begleitete. Seine Beine schlenkerten verspielt hin und her. Jesper schien das Gesagte überhaupt nicht zu kümmern, er kannte die Geschichte von seinem Vater bereits. Genauso wie Rune. Øystein hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht. Es war ein leises Echo aus der Vergangenheit das für die beiden Brüder keine Relevanz mehr hatte.
„Glaub mir, ich weiß genau was Rune verträgt. Genauso wie ich weiß das diese Familie hier weit davon entfernt ist perfekt zu sein. Aber ich habe selbst entschieden wer einen Platz darin hat. Das solltest du auch tun.“ Runes Augen weiteten sich bis aufs Äußerste, erst aus Schreck darüber wie ernst die Atmosphäre mit einem Mal geworden war, dann weil er verstand worauf sein Vater hinaus wollte. Er brachte genauso wenig Verständnis für das Verhalten von Richards Vater auf wie der vom Blitz getroffene Rune. Sein Vater mochte vielleicht viel zu viel Spaß daran haben ihn zu provozieren, aber er hatte ihm nie das Gefühl gegeben ungewollt zu sein. „Es waren immer nur wir drei, jetzt vier wenn du so willst. Du bist zwar noch in der Probezeit, aber solange du den Hippie glücklich machst bin ich zufrieden.“ ,brummte Øystein. Er war kein Mensch der gerne über Gefühle sprach und wenn das tat schaffte er es immer wieder die Fakten auf sehr distanzierte Art auf den Tisch zu legen. „Taschentücher sind in der Tür neben dir falls du gleich zu heulen anfängst, Rune.“ Aber der war noch damit beschäftigt das eben Gehörte zu erfassen.