Blumen Labyrinth

Jaik war einverstanden mit Jasons Plänen und griff bereits nach seiner Hand, um mit ihm Richtung Ausgang des Labyrinths zu gehen. Einen kleinen Einwand hatte Jaik dann aber doch noch. Er hatte tatsächlich noch etwas außer dem Händchenhalten und dem Eis geplant, was Jasons Augenbrauen vor Verwunderung nach oben wandern ließ. Jason selbst konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, was genau er in dem Moment zu Jaik gesagt hatte und auch die von Jaik erwähnte Wette war nur bruchstückhaft in seinem Gedächtnis vorhanden. Ersteres war nicht so schlimm, aber eine Wette vergessen zu haben, machte Jason dann doch ein recht schlechtes Gewissen.
"Ähm... ich kann mich leider nicht mehr genau erinnern, worum es bei der Wette ging.", gab Jason zu und schaute betreten zur Seite, "Wann war die Wette überhaupt? War sie schon etwas länger her?"

„Interessant....“ ,murmelte Jaik grüblerisch. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal die Erinnerungsstütze für eine hochentwickelte Lebensform sein werde.“ Diese Feststellung gefiel ihm sichtlich. In Zeiten in denen sich alles digital abspeichern und nachschlagen ließ hatte sein Gehirn, dass sich PI bis auf die 126. Kommastelle merken konnte, also doch noch einen Nutzen. Sein Entsetzen das Jason eine so wichtige Abmachung vergessen hatte hielt sich deswegen in Grenzen. Sie hatten in letzten Monaten angefangen ein Raumschiff zu restaurieren und dann auch noch verwirrende Emotionen entwickelt. Das dabei einige Dinge in den Hintergrund rückten war nur logisch.
„Das war in der Perseidennacht. Wir haben abgemacht das ich dich in einem Jet in die Stratosphäre bringe, wenn du mich auf einem Flug mit deinen Flügeln mit nimmst. Wer das bessere Erlebnis bieten kann, bekommt eine Pizza ausgegeben. Der Part mit der Pizza stammt von dir, offensichtlicher Weise.“ ,kicherte Jaik. Er stieß seinen Freund provokant mit seiner Schulter an. Dass er ein faszinierendes Wesen war, dass mit seiner bloßen Existenz Jaiks physikalisches Wissen auf die Probe stellte, war nicht das einzige was er in dieser Nacht über Jason gelernt hatte. Auch seine Passion für Nahrungsaufnahme war nicht lange ein Geheimnis geblieben und sorgte seither bei Jaik immer wieder für Erheiterung.

Jason war es so schon peinlich genug die erwähnte Wette vergessen zu haben, Jaiks Worte machten sein schlechtes Gewissen nicht gerade besser. Beschämt senkte Jason den Blick und biss sich bedrückt auf die Unterlippe. Der Blick seiner vor Erkenntnis geweiteten Augen hob sich sofort, als Jaik ihn darüber aufklärte, um welche Wette es sich handelte. Zwar lag diese Wette wirklich schon ein wenig zurück, doch das entschuldigte es in Jasons Augen nicht es einfach vergessen zu haben, vor allem weil er seinen Teil der Wette noch nicht erfüllt hatte.
Nachdenklich ging Jasons Blick kurz zur Seite, ehe er wieder zu Jaik wanderte. Mittlerweile ging es Jason kein Stück mehr um den Gewinn, der für ihn am Anfang durchaus noch eine Bedeutung gehabt hatte. Allerdings war er auch essenstechnisch bei Jaik in guten Händen und sorgte sich selbst auch nicht mehr um genügend Energiezufuhr. Wobei...
"Ich sehe da nur ein Problem: Selbst, wenn wir uns vom Stützpunkt die G-Kraft-Anzüge ausleihen, fehlt mir die nötige Energie, um uns rauf und runter in einem Stück zu bringen. Hast du eine Idee, wie wir das lösen könnten? Ich glaube nämlich kaum, dass eine ganze Pizzaria so viele Pizzen backen könnte, wie ich dafür essen müsste.", meinte Jason und lachte nun amüsiert über diese Vorstellung.
Tatsächlich wusste er nicht einmal, ob er in der Lage war sich zu überessen. So weit war es ehrlich gesagt noch nie gekommen. Zudem war auch die Frage was er in welchen Mengen vertragen konnte. Wenn Verträglichkeit nämlich kein Problem war, dann könnte er sich einfach so viel Schokolade reinstopfen bis er die benötigte Energiemenge erreicht hatte.

„Wir müssen den Stoff den du umwandelst finden und diesen isolieren. Die Sonne gewinnt ihre Energie fast ausschließlich indem sie Wasserstoff zu Helium fusioniert. Wasserstoff ist wohl auch in unserem Fall am wahrscheinlichsten. Es ist in allen organischen Substanzen vorhanden, also auch in unserer Nahrung. Kohlenstoff allerdings auch. Hast du mal versucht...ähm...Diamanten zu essen? Das ist eine der reinsten Kohlenstoffformen die wir kennen.“ Zugegebenermaßen wäre das selbst für einen Testpiloten ein ziemlich teures Dinner und die Frage war auch ob Jasons menschlicher Körper das mitmachte. „Oder vielleicht Graphit? Erdöl würde eventuell auch gehen, das müsste man ausprobieren.“ Nachdenklich musterte er seinen Freund. Gerne würde er ihm helfen seine Energiezufuhr zu optimieren, aber er hing nun einmal aus sehr an den Organen seines Partners. Zumindest solange diese die einzige Möglichkeit waren ein Zusammenleben für sie beide zu ermöglichen.
„Meinst du es geht mit deiner normalen Nahrungszufuhr überhaupt nicht? Zumindest ein paar Meter?“ ,fragte der Pilot mit Hoffnung in den großen Augen, die sich schon wieder nach einem Abenteuer sehnten. Seitdem er sie gerade im Einsatz gesehen hatte hielten die Flügeln ihn in ihrem Bann gefangen. Einmal wollte er ihre Kraft spüren. Einmal wollte er dieses Gefühl eines freien Fluges mit Jason teilen.

Jaik begann zu überlegen und im Groben deckte sich seine Vorstellung mit der von Jason, der sich schon Stunden vor dem PC den Kopf zerbrochen und recherchiert hatte. Trotzdem musste Jason lachen, als Jaik vorschlug Diamanten zu essen. Auch die anderen Vorschläge brachten Jason teilweise zum ekeln, vor allem aber zum Lachen. Jaik kam zuletzt selbst auf den Kern des Problems.
"Ich schätze, wenn dann muss die Energiezufuhr dem Aufnahmeort angepasst werden. Wenn ich Energie über den Stoffwechsel von Jasons Körper gewinnen muss, darf es seine Organe nicht schädigen. Aber vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit auf andere Weise Energie in mich direkt einzuspeisen. Ich meine bis vor kurzem wusste ich nicht einmal etwas von dieser Antenne. Wer weiß, vielleicht gibt es noch andere Körperteile, die es mir damals ermöglichten direkt Energie aus der Umgebung zu saugen. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht an sehr viel erinnern, aber zum Glück weiß ich, dass ich einen ganz normalen Kopf hatte. Also... nicht ganz... also, wobei...", merkte Jason an und hielt dann kurz inne, "Du hast mal erzählt, dass sich der Organismus an seine Lebenswelt anpasst. Sogar genetisch. Ein Grund, weshalb du angeblich eher der menschlichen statt wahren Form deines Vaters ähnelst. Was, wenn das bei mir ähnlich ist? Vielleicht wusste ich nichts von der Antenne, weil sie bis vor kurzem keinerlei Zweck gehabt hatte und sich deswegen zurück gebildet hatte so wie wahrscheinlich viele meiner Gene sich abgeschwächt haben, die hier nicht notwendig waren. Ich meine immerhin ist das hier die Luxusversion von Lebenswelt. Hier gibt es alles im Überfluss im Gegensatz zu da draußen. Vielleicht habe ich mich ebenso angefangen anzupassen wie dein Vater."

Jasons Mutmaßungen ergaben Sinn. Gebannt hörte Jaik zu und nickte immer wieder zustimmend. Natürlich durften sie nicht davon ausgehen das Jason in seiner ursprünglichen Form auf einen Verdauungstrakt angewiesen war. Das war etwas für Wesen die noch kein effektiveres System entwickelt hatten. Wahrscheinlich wurde der Jasons Motor von einem Stoff in der Atmosphäre seines Heimatplaneten angetrieben, den er ähnlich wie bei der Atmung aufnahm. Eine perfekt angepasste Lebensform.
Sein Nicken wurde wesentlich weniger ekstatisch als Jason den Vergleich zu der primitivsten, ihnen bekannten Art zog; seinem Vater. „Epigenetik, genau. Areale die nicht genutzt werden verkümmern und neue, für diesen Planeten effektivere bilden sich heraus.“ Jaik vergub seine freie Hand in seiner Tasche. Der Griff um Jasons Finger wurde fester, sein Schritt strammer und sein Blick starrer. „Bei meinem Vater war das allerdings nicht der Fall. In seinem Gehirn wurden die Areale die er für eine Rückwandlung benötigt hätte operativ zerstört, als er auf die Erde verbannt wurde. Er war in seiner Heimat wohl ein....ziemlich passabler Gestaltwandler.“ Das war eine vollkommene Untertreibung. Aber das sein Vater ein Ausnahmetalent in diesem Bereich war musst er nicht laut aussprechen. Das hatte dieser Planet schon oft genug gehört. „Deshalb hat es geschafft so viel Macht an sich zu reißen, was wiederum der Grund ist weshalb er hier gelandet ist. Angepasst hat er sich nie. Er hat sich dazu entschlossen zu stagnieren und alles zu verteufeln was er nicht versteht.“ Jaik schnaubte verächtlich, nicht einmal sein eigener Sohn war von dieser Starrsinnigkeit ausgenommen. Nur weil er seine Pläne und Träume nicht verstand hatte er sich immer wieder anhören müssen wie schwachsinnig diese waren. „Sicherlich...er überlebt, aber viel mehr tut er auf diesem Planeten sonst nicht.“

Jaiks Lächeln von eben verschwand, als Jason auf seinen Vater zu sprechen kam. Diese Reaktion kam nicht gerade überraschend. Jaik erklärte für Jason noch einmal die Epigenetik, wandte dann aber ein, dass sein Vater sich nicht wie Jason angepasst hätte, sondern zu einem menschlichen Leben auf diesem Planeten regelrecht gezwungen worden war. Jasons Augen weiteten sich, als er Jaiks Aussagen zusammen puzzelte. Seine Schritte wurden langsamer und sein Blick ging nun fast schon besorgt zu Jaik.
"Moment, verstehe ich das richtig: Dein Vater war ein talentierter Gestaltwandler, was er genutzt hat, um auf seinem Heimatplaneten Macht zu erlangen und dann wurde er auf diese Erde verbannt und zur Strafe haben sie ihm seine Wandlungsfähigkeit aus dem Gehirn geschnitten?", versuchte Jason zu begreifen, was Jaik da eben erzählt hatte, "Das klingt schrecklich. Hat er denn etwas so grausames getan, dass sowas rechtfertigen würde? Ich meine, das ist schon etwas krass finde ich. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn man mir meine wichtigste Fähigkeit nehmen würde. Bei mir ist das aber ein bisschen etwas anderes, meine Kräfte entdecke ich erst, aber für ihn waren sie sicher ein großer Teil seiner Person."

Das Jaik in einem zügigen Marsch verfallen war merkte er erst als Jason seinen Schritt verlangsamte, sodass er seinen Partner schließlich eher hinter sich her zog. Schnell passte Jaik sein Tempo dem von Jason an und schloss zu ihm auf bis sie wieder auf einer Schulterhöhe waren.
Ein bisschen musste er sich doch über Jasons Gesichtsausdruck wundern. Er wirkte betrübt. Hatte er Mitleid? Mit seinem Vater? Er war nie Zeuge des Tonfalls geworden mit der der ehemalige Reptiloid seinen Alltag beschritt, dann würde sich die Frage nämlich erübrigen wie eine Herrschaft unter seiner Führung wohl ausgesehen hatte.
„Ich kenne natürlich nur seine Version der Geschichte, die vollkommen pathetische, rein gewaschene Fassung.“ Jaik schnaubte verächtlich, mit diesen Geschichten konnte er vielleicht naive Sechsjährige beeindrucken. Es war nicht schwer gewesen sie beim Entwickeln eines gesunden Verstandes zu durchschauen.
„Ich weiß das er seine Widersacher gemeuchelt hat, indem er sich als Verbündete ausgab. Alleine damit arbeitet sich der Kümmerling eines Geleges aber nicht zum obersten Heerführer hoch. Dass da noch mehr passiert ist liegt auf der Hand. Sonst wäre wohl kaum eine hochentwickelte Rasse von einem anderen Planeten eingeschritten. Es wäre natürlich einfacher gewesen ihn hinzurichten.“ Jaiks Tonfall blieb trocken. Sein Blick starr und emotionslos. Von allen intergalaktischen Themen mochte er dieses am wenigsten.
„Aber dann wäre er für seine Anhänger zum Märtyrer geworden. Sie wollten ihn stattdessen demütigen, ihn brechen. Damit seine Unterstützer sehen was für ein Schwächling er eigentlich ist. Es ist ihnen definitiv gelungen. Er ist vollkommen verbittert und verabscheut aus Prinzip alles was von diesem Planeten stammt.“ Das war seine Strafe. Der ehemalige Intrigenspinner war ein Mann in der Masse geworden. Einer von vielen. Zu blind und verängstigt um seine Möglichkeiten in dieser neuen Welt zu sehen. Zu kurzsichtig um die Mission seines Sohnes zu verstehen, nur weil sie keinen Machtgewinn zum Ziel hatte.

Jaik schien Jasons Reaktion auf die Geschichte dann doch zu verwundern. Das wiederum ließ Jason überrascht dreinblicken. Warum Jaik genau seinen Vater hasste, wusste Jason zwar von ihm, doch so langsam wurde ihm klar, dass da deutlich mehr dahinter steckte. Die Ablehnung seines Vaters kam nämlich nicht von ungefähr. So langsam klärte sich dieser bisher recht vage Teil von Jasons Vorstellung über Jaiks Familie auf. Was ihn jedoch stutzig werden ließ und bis zum Ende nicht losließ war die kleine, aber nicht unwichtige Randnotiz über die Herkunft von Jaiks Vater.
Jason wirkte sehr nachdenklich, nachdem Jaik geendet hatte. So gesehen war Jaiks Vater wohl eine Art lokaler Tyrann gewesen, den man irgendwann zur Rechenschaft gezogen hat, indem man ihn hierher verbannt hat. Da wunderte es Jason nicht mehr, dass er diese Welt hier hasste und wahrscheinlich auch alles, was ihn an seine Strafe erinnerte. Bestimmt gab es auch deshalb diesen Streit zwischen Vater und Sohn, der nicht die Erwartungen des Vaters erfüllen konnte, um in seine Fußstapfen zu treten. Eher seine Tochter, doch die war laut Jaiks Angaben noch weniger an etwas außerhalb ihres Dunstkreises interessiert als Jaik. Was Jaik wohl für ein Mann geworden wäre, wenn er mit viel mehr Kräften seines Vaters zur Welt gekommen wäre, fragte sich Jason und kam damit wieder zurück auf die Kleinigkeit, die ihn vorhin kurz hatte stutzen lassen.
"Ich schätze daher kommt auch das Problem zwischen euch, oder?", fragte Jason vorsichtig nach, "Vielleicht gerade deswegen, weil er selbst nicht mehr herrschen kann, hätte er es gerne gesehen, wenn du seine Kräfte geerbt hättest und sie dann nutzt, um möglichst mächtig zu werden in dieser Welt. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass ich dann mit diesem Reptilien-Amphibien-Sonstwas-Jaik-Tyrann bestimmt nicht befreundet oder gar zusammen wäre."
Jason lachte leicht, doch nicht wirklich amüsiert, eher peinlich berührt. Seine Gestik und Mimik verriet, dass er immer noch in der Defensive blieb und alles unter Vorbehalt sagte. Er wollte Jaik definitiv nicht zu nahe treten.

Wenn Jaik etwas noch weniger mochte als über seinen Vater zu reden, dann war es die Beziehung zu seinem Vater. Diese war von vielen Enttäuschungen beiderseits geprägt. Der von Jason genannte Grund spielte dabei sicherlich eine große Rolle, war aber nicht der einzige Konflikt. Um ehrlich zu sein erinnerte Jaik sich an kein Gespräch der letzten zehn Jahre das nicht in einen Streit eskaliert war. Wäre es anders gewesen wenn er von Anfang an die gleiche Anerkennung bekommen hätte sie seine Schuppen übersäte Schwester?
Er blieb stehen und schenkte Jason ein kurzes Heben seiner Mundwinkel. Insgeheim hoffte er das es für ihn keinen Unterschied gemacht hätte wenn er mit den Kräften seines Vaters zur Welt gekommen wäre. Er legte den Kopf in den Nacken und wandte sich seinen ältesten Freunden zu. Hätte er zu den Sternen aufgeblickt und sich gefragt welcher einen Planeten beherbergte der sich unterjochen ließ?
„Ich glaube nicht das es einen Unterschied gemacht hätte. Natürlich hatte er diese Absichten, aber bei Teagan hat das auch nicht funktioniert. Solange HBO Tyrion Lannister nicht tötet wird sie ihre Fähigkeiten jedenfalls nicht benutzen, um irgendwo aufzumucken.
Auch wenn meine Erscheinung ihn nicht ständig daran erinnert hätte wie menschlich er inzwischen ist, hätte er es nicht verstanden. Er denkt das ich als Versuchskannichen der NASA den Kopf hinhalte, damit mein Namen auf Plaketten und Zeitungsartikeln erscheit. Das ist seine Denkweise. Er glaubt das Bedeutsamkeit einer Person mit ihrer Macht gleichgesetzt wird. Aber das ist nicht mein Ziel.“ Er löste den Blick von den Sternen und wandte sich wieder Jason zu. Ein kleines Lächeln durchbrach die sture Maske. „Ich möchte einmal mit eigenen Augen sehen wie die Erde sich um ihre eigene Achse dreht. Mein Vater wird nie begreifen das es viel wichtiger ist etwas zu verstehen, als es zu besitzen.“
Hätte er die Wahl gehabt hätte er sich allerdings wahrscheinlich doch für eine spektakulärere Erscheinung entschieden. „Ich muss aber zugeben das mir wahrscheinlich mehr Leute geglaubt hätten das ich ein Außerirdischer bin, wenn ich auch wie einer ausgesehen hätte.“ Nachdem er die Anerkennung seiner Eltern abgeschrieben hatte, war das der lästigste Part seiner Jugend geworden. Es gab so vieles was er mitteilen wollte, so viele Fragen die er diskutieren wollte, doch niemand in seinem Umfeld schien ihn verstehen zu können.

Jaik legte den Kopf in den Nacken und schaute hinauf zu den mittlerweile gut zu erkennenden Sternen. In Jasons Augen war das eine für Jaik so typische Position, dass er in Zukunft jeden Sterngucker und alles aus dieser Domäne zum Anlass nehmen würde, um an Jaik zu denken. Auch, wenn sie dann nicht mehr zusammen wären, dieser Teil des Universums würde für Jason immer ein Teil von Jaik sein. Aber auch so für sich war es ein wunderschöner Anblick Jaik so zu sehen, auch wenn das Thema über das sie Sprachen wenig Freude bei ihm hervor rief.
Jaik erklärte Jason etwas genauer, was seinem Vater an seinem Leben so störte. Es war nicht nur die Sache, dass Jaik sein Erbe nicht antrat oder nicht nach Macht strebte. Für den ehemaligen Tyrann schien Jaiks Berufswahl und seine Weltanschauung auch den Rest Hoffnung zu zerstören. Beide schienen wohl wirklich sehr unterschiedlich zu sein und während Jaik drauf und dran war zu einem sehr wichtigen Mann für die Menschheit aufzusteigen, verblieb sein Vater auch weiterhin in unbekannten Tiefen. Wobei es dabei wirklich nicht um das Prestige ging, sondern darum, dass Jaik einen Wert für die Gesellschaft darstellte, der nicht zu verachten war, und dass Jaik glücklich mit seinem Weg war, was sein Vater mit seinem Weg offenbar nicht war.
Nach einer Weile wandte Jaik sich wieder zu Jason und lächelte ihm zu. Ganz automatisch hoben sich auch Jasons Mundwinkel. Er lachte leicht, als Jaik meinte, dass es sicher schon etwas hilfreich gewesen wäre etwas mehr Wandlungsgene von seinem Vater geerbt zu haben. Das brachte Jason dazu über mögliche Gestalten für Jaik nachzudenken. Sein Vater war wohl irgendein Reptil oder Amphibie oder so ähnliches, wahrscheinlich aber humanoid, während seine Mutter wohl eher in die Richtung Katzenmensch ging, wenn Jason sich recht erinnerte. Von ihr hatte Jaik seine Augen, soweit er wusste.
"Hm.", murmelte Jason nachdenklich und seine Augen wurden schmaler, während er sich Jaik in verschiedenen Versionen vorstellte, "Ich frage mich echt, wie du dann ausgesehen hättest. Ich meine, das frage ich mich auch bei mir, bloß kann ich mich zumindest vage an meine Gestalt erinnern."

Jaik nahm den Weg wieder auf. Im Schlendertempo näherten sie sich nun dem Ausgang des Labyrinths. Auch den Themenwechseln nahm er mit größter Freude an. Der hatte nämlich zumindest ein wenig wissenschaftlichen Inhalt, im Gegensatz zu dem vertrackten Verhältnis zu seinen Eltern.
„Hmm...wahrscheinlich schuppiger.“ Jaik hatte die kleine, grüne, zusammengerollte Kugel vor Augen die ihm als seine Schwester vorgestellt worden war. Ein Alien, so klassisch das sie direkt aus einer Verschwörungstheorie stammen könnte. „Möglicherweise hätte ich einen Schwanz statt Beinen. Ich schätzte das Djakninn eine höhere Anziehungskraft als die Erde hat. Deswegen sind die Bewohner eine bodennahe Fortbewegung angewiesen. Außerdem hätte ich wahrscheinlich schärfere Zähne. Meine beiden Elternteile haben ein ausgeprägtes Raubtiergebiss. Teagan auch. Sie hat sich nie getraut mich zu beißen, ich hatte meine Methoden sie auf Abstand zu halten. Aber ich habe bei anderen gesehen wie übel das ausgehen konnte.“ Nicht einmal das hatte ausgereicht um seinen Klassenkameraden zu beweisen das er wirklich ein Außerirdischer war. Es wurde einfach als weitere Kuriosität der seltsamen Hoffmans gewertet. Er streifte seine Vergangenheit mit einem Schulterzucken ab. „Viele meiner inaktiven Gene wären im Alltag wahrscheinlich ziemlich lästig geworden. Insbesondere wenn es um meine Wandlungsfähigkeiten, genauso wie im derzeitigen Zustand bestellt gewesen wäre. Von daher ist es wahrscheinlich besser das ich so langweilig aussehe.“ ,gab Jaib schließlich zu. Das er keine außergewöhnlichen, außerirdischen Fähigkeiten wollte redete er sich nun schon so lange ein, dass er es selbst glaubte. Doch wenn er sah was Jason konnte, war trotzdem immer ein wenig Neid im Spiel. Der konnte aber zum Glück sein Lächeln nicht trüben.„So etwas Spektakuläres wie deine Fühler ist sowieso nicht dabei.“ Um eine Fähigkeit beneidete er sein Glühwürmchen ganz besonders. Jaiks funkelnde Augen wurden sofort wieder groß und rund als er die Gelegenheit ergriff um seine Bitte zu wiederholen. „Bist du dir wirklich sicher, dass sich zumindest ein kleiner Flug möglich wäre? Drei Meter würden schon reichen!““

Jasons Stirnfalten wurden immer tiefer und sein Blick immer skeptischer, desto mehr Jaik darüber sprach, was ihn auch hätte erwarten können. So langsam begannen Jasons Vorstellungen von einem extraterrestrischem Jaik immer angsteinflößender zu werden. Etwas verlegen und vor allem heil froh lachte Jason auf, als Jaik hinzufügte, dass es doch ganz gut war in dieser Welt nicht so abgedreht auszusehen. Jason stimmte dem sofort durch heftiges Nicken zu. Diesen Jaik hier hatte er dann doch etwas lieber.
Nachdem dieses Thema sich auch allmählich dem Ende neigte und sie schon fast am Ausgang des Labyrinths waren, wechselte Jaik das Thema und bat Jason regelrecht darum eine Runde mit ihm zu fliegen. Jasons Schritte wurden langsamer und für einen Moment schaute er Jaik unsicher an. Sollten sie es wirklich wagen? Das konnte recht schnell gefährlich werden, wenn sie nicht nur drei Meter hoch fliegen würden. Jason war sich ziemlich sicher, dass Jaik nämlich erstmal in der Luft ständig höher rufen würde.
"Wir könnten theoretisch schon einen Rundflug machen, allerdings würde ich das lieber mit ein paar Sicherheiten machen. Ich meine etwas, damit du nicht runter fällst.", meinte Jason und überlegte kurz, "Du hast nicht zufällig zwei Transportgurte oder etwas ähnliches in deinem Wagen. Nur etwas, dass wir dich sicher an mir fixieren können. Ich traue nämlich meinen Armen nicht zu dich zu tragen."

Jason sah nicht aus wie jemand der sich gleich voller Elan in die Lüfte schwingen wollte, aber noch ließ Jaik nicht zu dass seine Euphorie davon gebremst wurde. Sollte er nicht mitfliegen können, konnte er immer noch auf eine Demonstration von Jasons Flugkünsten bestehen. Er stellte sich die mächtigen Schwingen vor, die dem Nachthimmel entgegen strebten und dabei alle Sterne im Hintergrund überstrahlten. Alleine schon die Vorstellung ließ Jaiks Herz vor lauter Ehrfurcht schneller schlagen. Als Jason tatsächlich zustimmte stellte es einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Nun hätte Jaik seinen Freund am liebsten wieder gepackt und zum Auto getragen. "Wir können die Gurte nehmen die wir für Tandem Fallschirmsprünge benutzen. Ich nehme an deine Flügel können mein Gewicht tragen?" Er würde fliegen! Ganz ohne Stahl um sich herum. Er würde den Wind spüren. Er würde ohne Acrylglasscheibe auf die Erde herunter blicken. Im Gegensatz zu einem Fallschirmsprung würde er sogar genügend Zeit haben um den Ausblick zu genießen! "Ach, natürlich können sie das! Wahrscheinlich könnten sie in ihrer ursprünglichsten Form sogar Lichtgeschwindigkeit erreichen. Immerhin bestehen sie aus Licht." Vor lauter Vorfreude wurde der Pilot ganz übermütig. Er wusste gar nicht wohin mit seiner ganzen Aufregung. Um ihr zumindest ein kleines Ventil zu geben blieb er stehen und drückte seinem wundervollen Glühwürmchen einen Kuss auf die Stirn. Dabei beließ er es, dem Rest konnte er sich auch noch widmen wenn sie in der Luft waren. "Komm, beeilen wir uns!" Das er Jason einen langsamen Spaziergang versprochen hatte, hatte er schon längst vergessen. Auf federleichten Schritten zog er seinen Lieblingsalien gen Ausgang.
Oder zumindest war das der Plan, bis ihn das Top Gun Theme aus dem Konzept riss. Er seufzte schwer genervt zwischen die Gitarrenriffs. Sein Lächeln hatte sich umgedreht als er einen sehnsüchtigen Blick zu Jason warf. Er wusste was diese Melodie bedeutete. "Sorry...", nuschelte er und zog sein Handy aus seiner Hosentasche. Er stellte die Freisprechanlage ein, schließlich hatte er nichts vor Jason zu verbergen.
"Hallo Mom, ich bin derzeit..." "Ich bin mir sicher, das du gerade etwas wahnsinnig Interessantes vor der Linse hast, aber ich brauche dich jetzt auf der Erde." Wenn die dunkle Stimme seines Vorgesetzten so ernst klang, stimmte in Cadysas Luftraum definitiv etwas nicht. Es war seine Pflicht ihn zu sichern. Jaik wartete eigentlich immer auf Gelegenheiten sich zu behaupten. Aber doch nicht heute, wo er kurz vor dem Erlebnis seines Lebens stand! "Bist du dir sicher..." "Buck..." Das verständnisvolle, gleichzeitig gereizte Seufzen verriet wie der Squadron Leader zu seinem Rufzeichen gekommen war. "Wir haben ein unregistriertes Flugobjekt auf dem Radar. Ist ziemlich groß. Ich gefährde niemanden weil wir nicht genügeng Feuerkraft einkalkuliert haben. Deine Maschine ist um zweiundzwanzighundert abflugbereit, ich will dich an der Spitze haben. Beeil' dich!" Nach einem traurigen "Wilco..." ließ er einen ziemlich geknickten Flight Lieutenant mit einem Tuten zurück. Missmutig blickte Jaik auf die Uhrzeit-Anzeige seines Handys. Bis 22 Uhr blieb ihm noch eine knappe Dreiviertelstunde. "Tut mir leid, ich muss los. Das könnte ein Drache oder sonst etwas sein."  Er wagte es nicht Jason in die Augen zu sehen. Das hier war ihr erstes Date, es sollte grandiös werden! Eines an das Jason sich immer einnern würde und ihn alle Enttäuschungen vergessen ließ. Gleichzeitig drängte sein Pflichtgefühl ihn zur Eile. Sein Geschwader war die einzige Instanz dieser Stadt die auf einen Drachenangriff vorbereitet war. Es blieb ihm keine andere Wahl als Jason zu versetzen. " Ich kann dich unterwegs absetzen."

Jaik schien richtig Feuer und Flamme für die Idee zu sein und fand sogar eine Möglichkeit einen Flug zu bewerkstelligen. Jasons gesamtes Gesicht begann regelrecht zu leuchten. Allein in seiner Vorstellung wäre so ein Flug schon unglaublich toll. Damals war das nur so eine Idee unter Freunden gewesen, aber jetzt waren sie zusammen und zusammen sich in die Lüfte zu erheben, das war so unfassbar romantisch, dass Jason bei dem Gedanken wieder ziemlich rot wurde. So ein klein wenig waren sie wohl doch kitschig, er natürlich hundertmal mehr als Jaik, auch wenn dessen Kuss auf Jasons Stirn verriet, dass auch er ziemlich süß sein konnte.
Sie waren schon drauf und dran zum Wagen zu gehen, um die Gurte zu holen, da klingelte auf einmal Jaiks Handy. Erst war Jason etwas amüsiert über die Melodie, doch als er die Person auf der anderen Seite der Leitung Mom nannte, verschwand Jasons Lächeln und seine Anspannung und Ernsthaftigkeit kehrte zurück. Er blieb allerdings nicht lange so angespannt, denn statt einer weiblichen Stimme, meldete sich eine für Jason doch nicht ganz unbekannte Männerstimme zu Wort. Jetzt erst fiel Jason wieder ein, dass sie in Jaiks Einheit ja immer so lustige Spitznamen vergaben. Als sich während dem Gespräch zwischen Jaik und seinem Vorgesetzten langsam heraus kristallisierte, dass Jaik dringend gebraucht wurde, rutschten Jasons Gesichtszüge langsam nach unten und als Jaik endete, blickte er ziemlich traurig drein. Jaik musste weg und daran schien auch nichts zu rütteln zu sein. Jaiks Pflichtbewusstsein hätte ihm wahrscheinlich nicht mal erlaubt an Schwänzen zu denken, auch wenn Jason ihn jetzt gerne davon überzeugt hätte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich geschlagen zu geben.
"Ach, Mann, ey, das ist doch jetzt echt scheiße.", brummte Jason und nahm langsam seine Hand wieder an sich, "Ich wollte den restlichen Abend mit dir verbringen, das war eigentlich unser Abend."
Traurig und genervt seufzte Jason hörbar und ließ seinen betrübten Blick dann etwas nachdenklich hin und her wandern.
"Und wahrscheinlich würde dein Squad Leader mir nicht erlauben mitzukommen. Ich meine nur so als Verstärkung.", murmelte Jason vor sich hin und kratzte sich dann nachdenklich am Hinterkopf, "Oder willst du, dass ich nach Hause gehe und wir holen den Rest demnächst nach?"