Wenn Emma sie beide nun sehen könnte, wie sie durch den hübschen Laubwald gingen, Arm in Arm - wahrscheinlich könnte sie sich nicht zurückhalten, Ben damit aufzuziehen. Auch wenn es sie sicherlich freuen würde, sie war schließlich diejenige, die ihn immer darauf hinwies, dass er seine Herzblätter doch mal besser behandeln sollte und er nicht immer tun konnte, als interessiere es ihn eigentlich nicht. Auch wenn immer klar war, dass er niemals jemandem völlig nah kommen konnte, nicht geistig. Einige Geheimnisse konnten einfach nicht aufgedeckt werden, und das trennte ihn immer von den anderen.
"Sag mal, würdest du mir auf dem Rückweg vielleicht deine Verwandlung zeigen? Oder ist das zu anstrengend und stressig?"
Er wusste nicht wirklich, wie das für Onai war, doch er hatte den Gedanken noch immer im Hinterkopf. Er wollte den schmächtigen Jungen unbedingt mal als Drachen sehen, weil er es sich einfach nicht vorstellen konnte und es zudem einfach unendlich cool war.
Onai nahm Bens Idee ziemlich positiv auf und schien die Einstellung zu teilen, dass das einfach sehr japanisch und absolut faszinierend war. Ben als Engländer im Herzen würde diese Kultur zwar wohl nie ganz aufnehmen, aber toll fand er gerade solche Besonderheiten natürlich schon.
"Na, die Preisfrage ist jetzt wohl, ob dir männliche Maids lieber wären", neckte Ben, während er mit den Augen spielerisch den hübschen Bedienungen folgte und sich dann in Richtung Onai lehnte. So ganz genau hatte er noch nicht herausgefunden, was für Beziehungen oder Affären Onai zuvor schon gehabt hatte, wenn überhaupt. Zumindest der Typ für Affären schien er charakterlich nicht zu sein, auch wenn er, doch recht attraktiv und außergewöhnlich wie er war, sicherlich keine schlechten Chancen hätte. Wäre er ein bisschen mehr...outgoing. Was Ben sich aber vor allem fragte war, ob Onai sich wirklich wohl damit fühlen würde, sich auf Dauer zu einem Kerl zu bekennen. Ben selbst würde das nämlich alles andere als einfach fallen, auch durch die Erfahrungen, die er zuvor schon gemacht hatte. Im Moment hatte das alles noch einen spielerischen Anklang und die Leute schienen hier was das anging viel offener zu sein, doch beim Gedanken daran, länger offen mit einem Jungen zusammen zu sein war ihm noch immer nicht wohl. Noch ein bisschen weniger als beim Gedanken an längere Beziehungen überhaupt. Also galt es ruhig herauszufinden, wie es da bei Onai aussah. Auch wenn Ben den Gedanken, das zwischen ihnen aus solchen Gründen zu beenden, noch zurückwies. Dafür genoss er Onais Nähe zu sehr.
Eine andere Frage war, wieso er nie länger mit jemandem zusammen sein konnte, ohne solche Gedanken zu fassen. Doch die würde er heute ganz sicher nicht beantworten. Stattdessen wendete er sich seinem Kaffee zu, den die Bedienung brachte. Onais Schokoladenkuchen sah hervorragend aus und Ben lächelte seine Begleitung an.
"Übrigens ist es nicht so, als hätte ich die Veranstaltung heute vergessen", sagte er dann beiläufig, weil es ihm gerade einfiel. So einige Mädels die er mal gedatet hatte hätten ihm schon eine Szene gemacht, weil er keine Pralinen und Rosen gekauft hatte - aber zumindest hatte er gestern noch zwei Karten für diese Valentinstagsparty an diesem Abend besorgt. Zwar mehr im Vorübergehen und ohne den festen Plan, mit Onai hinzugehen, doch irgendwie war das relativ klar gewesen. Gerade hatte er kein Bedürfnis, irgendwelche Mädels aufzureißen, die ihm nur Stress machten - erst recht nicht in der Schule, wo man eng zusammenlebte.
Ben zog sein Portemonnaie hervor und holte die Karten heraus, legte sie entspannt auf den Tisch und grinste Onai an. Er würde daraus jetzt kein Riesending machen, die roten Karten waren ja schon kitschig genug und vielleicht hatte Onai ja auch überhaupt keine Lust auf dieses Ball-Ding. Auch wenn ein bisschen mehr Partyfreude vielleicht garnicht schlecht für ihn wäre.
