Erster Stock

17. April | Klassenzimmer | Später Abend, Unterrichtsbeginn

Jayden betrat mit angemessener Laune den Raum, zumindest angemessen für den Unterricht. Natürlich waren die Schüler wie immer etwas laut, doch das legte sich als sie den Rassekunde- und Geschichtslehrer erblickten. Eine angenehme Ruhe breitete sich aus als Jayden seine Tasche neben dem Schreibtisch abstellte und sich setzte. "Guten Abend", begrüßte er die Nachtklasse und holte während ihn die Schüler leise murmelnd begrüßten seine Ordner und Mappen für die Unterrichtsvorbereitung heraus. Er war ordentlich und gut organisiert, zudem war er wie immer in einen edlen Anzug gekleidet und hatte sich herausgeputzt. Jayden hatte schon immer viel Wert auf angemessene Kleidung und die richtige Etikette gelegt, ganz besonders dank seiner altmodischen Angewohnheiten, die er zwar inzwischen schon ganz gut im Griff hatte, sie aber nicht ganz ablegen konnte.
Nachdem er sich den Lehrplan angesehen hatte hob er den Kopf und sah bereits die erste Meldung, die er natürlich sofort aufrief. Während ihm der Junge eine Frage zu den Prüfungsfächern stellte, die die Abschlussschüler bald wählen würden müssen, hielt der Drache Ausschau nach Jane. Sie war allerdings nirgends zu sehen.
Entweder sie kam zu spät oder sie schwänzte, was er sich jedoch nicht besonders gut vorstellen konnte - wenn sie schwänzte dann vorzugsweise den Unterricht von Lady Cryptcrawler oder den von Fächern, die sie nicht interessierten. Seit sie zusammen waren kam es nur noch äußerst selten bis nie vor, dass Jane tatsächlich seine Stunden schwänzte. Er hoffte also auf die erste Option und versuchte sich nicht allzu viele Gedanken zu machen. "Nun Michael, da haben Sie ganz recht. Anders als bei normalen Schulen können Sie sich an dieser übernatürlichen Akademie Ihre Prüfungsfächer aussuchen, das Spektrum in den Prüfungsgebieten ist da ausnehmend vielfältig", beantwortete er die gestellte Frage während er einen Stapel Papier zusammenklopfte. Schließlich wurden die Abschlussschüler, alle über 18 und viele bereits älter, der guten Sitten nach gesiezt. Und Jayden handelte stets nach den guten Sitten. "Allerdings müssen zwei mündliche Prüfungen abgehalten werden sollte Ihre Wahl von einem der drei Prüfungsfächer auf ein schwächeres Fach oder Nebenfach fallen, wie Sie bereits wissen sollten."
Er dachte einen Moment nach, während er einer weiteren Frage von einer Schülerin in der vorletzten Reihe lauschte. Multitasking war als erfahrener Lehrer eine seiner großen Talente. Es wäre ungünstig den Überraschungstest zu schreiben, wenn Jane nicht da war, schließlich würde sie dann glimpflich davonkommen und das hatte Jayden eigentlich nicht vorgehabt ihr so einfach durchgehen zu lassen. Also ließ er sich mit Geduld darauf ein, für die Schüler ein paar der vielen Fragen zu beantworten die sie ohnehin im Hinblick auf ihrem baldigen Abschluss hatten um den möglichen Test hinauszuzögern und sicherzugehen, dass die Halbdämonin wirklich nicht mehr aufkreuzen würde.

17. April | Klassenzimmer

Nachdem Jayden die Fragen seiner Schüler beantwortet hatte - und dabei oft an Jane denken musste, schließlich waren all diese abschlussprüfungsrelevanten Informationen auch für sie wichtig und all das verpasste sie gerade - bereitete er sich darauf vor mit dem Unterricht zu beginnen. Er musste wohl oder übel ohne Jane anfangen, da hatte er als Lehrer keine Wahl. Zumal Jane ohnehin für ihn nichts weiter als eine seiner Schülerinnen sein sollte, zumindest in den Augen der anderen Schüler. Dieses Spiel trieben die beiden nun schon so lange, das es sich zwischen ihnen eingespielt hatte und sie das normale Schüler-Lehrer-Verhalten bereits ausgesprochen gut beherrschten.
Gerade als er den Schülern aufgeben wollte ihre Bücher aufzuschlagen öffnete sich die Tür des Klassenzimmers und ein nur allzu bekannter, pinkfarbener Haarschopf kam durch die Tür stolziert. Jayden musste sich zusammenreißen nicht zu lächeln und stattdessen streng zu gucken, als er zusah wie sie sich entschuldigend zu ihrem Sitzplatz begab.
"Miss McCassy, wieder einmal zu spät", sagte er dann und trug sie pflichtbewusst in die Liste ein. "Ich dachte diese Zeiten lägen hinter Ihnen", sagte er und konnte einen kleinen, spielerisch herausfordernden Unterton einfach nicht sein lassen. Sein Blick war aber für einen Lehrer absolut angemessen und auch sonst ließ er sich nichts anmerken, darin waren die beiden inzwischen schließlich Profis.
Nun ging sein Plan doch noch wunderbar auf, also stand er ohne große Umschweife auf und verschränkte die Arme autoritär hinter dem Rücken. "Nun, mit Hinblick auf die baldige Klausur wird heute ein Überraschungstest stattfinden", verkündete er und erhielt daraufhin ein einheitliches, genervtes Stöhnen der ganzen Klasse. Damit hatte er gerechnet, schließlich hatte keiner die Chance bekommen dafür zu lernen. "Bitte nehmen Sie sich einen Stift und lassen Sie alle anderen Utensilien vom Tisch wandern. Wie Sie wissen kann alles andere als Betrugsversuch gewertet werden." Er drehte sich um und schrieb an die Tafel, während es hinter ihm in den Reihen der Klasse raschelte als die jungen Abschlussschüler seinen Auftrag befolgten. Als sich der Drache wieder herumdrehte stand an der Tafel '20 Minuten', die den Zeitraum angaben nach dem die Getesteten ihre Zettel wieder abgeben sollten. Dann nahm er den Stapel an Tests und teilte sie unter den Schülern sorgfältig und umgedreht aus. Es waren sogar A und B Tests, damit die Schüler untereinander nicht vom Nachbarn spicken konnten.
Jayden konnte es nicht vermeiden Jane kurz belustigt anzufunkeln als er ihr das umgedrehte Blatt hinlegte, dann ging er weiter herum bis alle einen Zettel hatten.
Wieder vorne angelangt setzte er sich. "Sie dürfen nun umdrehen", ordnete er an. "Von nun an haben sie 20 Minuten Zeit, die Fragen zu beantworten. Viel Erfolg."

17. April | Klassenzimmer

Sobald der Test ausgeteilt war und Jayden vorne Platz genommen hatte ließ er mit ungerührter Miene den Blick schweifen und lebte sein Lehrerdasein vollkommen aus. Die Schüler waren sichtlich erzürnt über den Überraschungstest, allerdings schien Niemand wirklich zu versuchen zu spicken, was den Drachen Stolz machte. Schließlich war er ihr Lehrer und somit verantwortlich für ihr schulisches Verhalten, also nahm er es quasi als seinen Erfolg hin, dass die Abschlussschüler so anständig waren. Es war sehr wahrscheinlich aber nur der Fakt, dass sie bald ihren Abschluss machten und sich deshalb eine schlechte Testnote nicht erlauben konnten - und sobald Jayden sie beim spicken erwischte würden sie diese ganz gewiss haben.
Als bereits eine Viertelstunde vorüber war beobachtete der Drache Jane aus dem Augenwinkel und erkannte, wie verzweifelt sie aussah. Sein Plan hatte also voll ins Schwarze getroffen. Schadenfreude konnte man es nicht nennen, aber er fühlte sich in seiner Vermutung bestätigt, dass sie nur lernte wenn es wirklich sein musste und sich ansonsten nichts aus ihren Fächern machte.
Nach weiteren fünf Minuten erhob er sich dann wieder und verschränkte erneut die Arme auf dem Rücken. "Die Zeit ist um, bitte legen Sie nun die Stifte nieder", ordnete er an und leises Geklapper folgte, auf das erleichterte Seufzer und empörtes Gemurmel folgten. "Bitte unterhalten Sie sich noch nicht mit ihrem Tischnachbarn solange die Tests noch nicht eingesammelt sind", hallte seine strenge Stimme durch den Raum als er mit dem typischen Lehrerblick herumging um die Zettel einzusammeln. Als er bei Janes ankam zeigte er dieses Mal keine weitere Regung, da die Schüler nun nicht mehr beschäftigt waren und daher ein paar Augen herumwanderten.
Den Rest der Stunde füllte er mit Unterricht, der die Antworten der Fragen des Tests erklärte und somit in einige Gesichter der Schüler erhellende Blicke zauberte, nur Jane schien ziemlich grimmig zu sein. Er dachte an ihren Blick von vorhin zurück und schmunzelte in sich hinein, dieses Tor ging an ihn.



Zum Ende der Stunde hin stapelte er seine Unterlagen zusammen und setzte sich wieder. "Sie haben heute keine Hausaufgaben auf", sagte er dann gnädig da der Test für viele bereits genug Unheil bedeutete und sie sich deshalb nicht auch noch Zuhause den Kopf zerbrechen sollten. Das stimmte die meisten wieder gut und die Schüler verließen mit leisen Verabschiedungen den Raum, während Jayden seine Akte packte und sich dann auf den Weg zum Lehrerzimmer machte, um sich auf die folgende Geschichtsstunde in der Nachbarklasse vorzubereiten.

Montag, 31. Mai | Klassenraum | 02:00 Uhr

Der Drache hätte sich eigentlich nicht wundern brauchen. Eigentlich. Natürlich tat er das im Endeffekt doch. Der Lehrer war wie gewohnt zum Unterricht erschienen, mit einer Klasse voller Beinahe-Abschlussschüler, die entsprechend wenig Lust darauf hatten von einem Lehrer noch belehrt zu werden. Ganz besonders von der Nacht von Freitag auf Samstag, der letzte Unterricht vor dem Wochenende für die Nachtschüler, wo es nicht gerade selten war das einige fehlten. Selbstverständlich konnte Jayden ihnen dennoch immer etwas Mitarbeit entlocken, nicht umsonst wurde er vom Schulrat häufig für die älteren und die Abschlussklassen eingesetzt, doch speziell diese Klasse hatte er nun die letzten beiden Jahre bereits durch ihre Schullaufbahn begleitet. Es war die Klasse, in der sich auch Jane befand. Normalerweise.
Heute war sie jedoch nicht zum Unterricht erschienen. Und er hätte sich das denken können. Nur verliefen die Gedanken anders, wenn man ein schlechtes Gewissen mit sich herum trug. Der Drache fühlte sich als würde jede Überlegung, wo Jane sein könnte und was sie dazu bewegt hatte nicht zu erscheinen,seine Schuld nur noch weiter steigern. Er fühlte sich furchtbar und nach dem einer seiner Schüler ihn gefragt hatte, ob er krank wurde, da er so blass aussah, fürchtete er das er das auch nicht sonderlich gut verbergen konnte. Obwohl noch amselben Abend ein bezauberndes Schein-Date mit einer Pädagogin hinter ihm lag, die er in Zukunft hoffentlich als gute Freundin betiteln konnte, fühlte er sich als habe er drei Nächte lang nicht geschlafen.
"Danke für ihre Mitarbeit. Nein, heute gibt es keine Hausaufgaben", sagte er und fuhr sich durch seine zerstörten Haare, als einer der Schüler bereits andeutungsweise den Arm hob. Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Sitzreihen, während das Geraschel von zusammenpackenden Händen erklang und die Schüler in Anbetracht der anbrechenden Pause wieder ihre Gespräche aufnahmen.
Der Drache blieb an seinem Pult sitzen und überschlug leise seufzend seine langen Beine, während sein Stift in dem Klassenbuch hinter Janes Namen ihr Fehlen eintrug. Er brauchte gar nicht zu hoffen zu wagen, dass sich seine Sorgen und sein schmerzender Magen allzu bald wieder verflüchtigen würden, denn er kannte sich wenn es um Jane ging und er wusste, dass er dieses Mal wirklich großen Mist gebaut hatte. Mit ihr logisch darüber zu diskutieren, wie es Zenva in so einem Fall vermutlich aus dem Stehgreif heraus fließend tun konnte, stand ihm leider nicht zur Option frei. Er war weder so gut mit Argumenten, noch war Jane ein sonderlich einsichtiger Mensch.
Er hoffte nur, dass sie in seiner Abwesenheit keinen Unfug anstellte und vorsichtig war, schließlich war sie schwanger.
Als der letzte Schüler den Klassenraum verließ, sah er kurz auf und griff mit der Hand an eines seiner Hörner. Der Junge hatte die Klassentür offen stehen lassen und der Lärm der Kinder drang an seine Ohren, doch er war zu deprimiert, um aufzustehen und sie zu schließen. Abgesehen davon, dass sich seine Beine anfühlten als würden sie nicht einmal auf ihn reagieren wenn er einen Hammer auf seine Kniescheibe zimmern würde. Er klappte mit einem Kloß im Hals das Klassenbuch zu und starrte es an. Theoretisch könnte er seine freie Zeit nun damit totschlagen, die Klassenarbeiten von der Tagesklasse zu korrigieren, aber auch dazu fehlte ihm der Ansporn. In der leisen Hoffnung, dass er vielleicht neue Hasstiraden bekommen hatte, holte er sogar sein Handy heraus. Doch sein Display war leer und das beunruhigte ihn mehr als alles andere.

Montag, 31. Mai | Klassenraum

Der Drache war schon immer der Typ dafür gewesen, sich unnötig zu sorgen. Meistens um Dinge, die eigentlich keinen Grund hatten bezweifelt und mit sorgenvollen Gedanken behandelt zu werden, aber heute war einer dieser Tage, an denen man ganz genau wusste was man falsch gemacht hatte und man sich deshalb nur fühlte, als wäre man ein schlechter Mensch und nicht dazu befugt, auf dieser Erde zu wandeln.
Der Lehrer starrte verloren in seinen eigenen Gedanken, aus denen er nicht schlau wurde und die ihm in keinster Weise halfen, auf die Zettel auf dem Schreibtisch. Seine langen Finger drehten seinen Korrekturstift erst in die eine, dann in die andere Richtung, um dann einen Salto zu vollführen und wieder in die erste Richtung zu drehen, als wäre es die einzige Möglichkeit für den Schwarzweißhaarigen, irgendetwas zu tun um irgendwo seine Sorgen zu lassen. Und da er wusste, dass er damit nicht zu Jane gehen konnte, da er es schließlich gewesen war der nicht mehr auf ihre Nachrichten geantwortet hatte, musste nun einmal der Stift herhalten.
Er hörte die Schüler im Gang, lauter als sonst da er sich nicht die Mühe gemacht hatte die Klassenzimmertür zu schließen - ebenso wenig wie der letzte Schüler, der den Raum verlassen hatte, den er deshalb definitiv in der nächsten Stunde noch einmal höflich-freundlich zurecht weisen würde -, doch plötzlich stach eine Stimme inmitten der anderen unter ihnen heraus.
Der geistesabwesende Drache hob irritiert den Kopf und in seine grünen Augen kehrte für einen kurzen Augenblick ein Leben ein, das dort die letzten beiden Schulstunden nicht vorhanden gewesen war. Wurde er langsam verrückt, hörte er jetzt schon Stimmen? Er war sich ziemlich sicher Jane gehört zu haben.
Seine Beine schienen sich plötzlich auf einmal wieder daran zu erinnern, dass sie ja Muskeln hatten die funktionierten und auf die Befehle von Jaydens Körper reagieren sollten, als der Drache sich überrascht erhob und mit langsamen Schritten in Richtung der Tür ging, angestrengt lauschend. Der Stift landete dabei mit einem Klacken auf dem Schreibtisch, auf einem der unbearbeiteten Zettel, die dem Drachen vermutlich in der nächsten Woche noch unnötig die Nerven rauben würden, da er sie eigentlich schon längst hätte bearbeiten können.
Ihm fiel alles aus dem Gesicht, was er dort an Regung gehabt hatte, als er in den Gang hinaus sah: Jane stand mit zwei gleichaltrigen jungen Frauen an einer Ecke im Gang - Klassenkameradinnen, wie dem Drachen erst nach dem zweiten Hinsehen auffiel, da der Anblick von Jane für's erste seine gesamte Aufmerksamkeit beanspruchte.
Ihr deutlich sichtbarer, runder Bauch ragte in ihrer Mitte empor als wäre es eine mehr oder weniger stolze Trophäe, die sie notgedrungen zeigen musste, da es nahezu unmöglich war sie in dem jetzigen Stadium noch zu verbergen. Ihr Gesicht war mit dunkler Schminke geziert, die schon deutlich viele Stunden durchgemacht hatte und ihr zu gelassener Blick ließ den Drachen erahnen, wie viel Alkohol sie wohl dazu veranlasst hatte so im Schulgebäude aufzukreuzen - nachdem der Unterricht geendet hatte.
Doch Jayden war unfähig, sauer auf sie zu sein. Nicht, das er das ohnehin nie mit Überzeugung sein konnte, doch er wusste das er derjenige war, der für Janes Anblick verantwortlich war. Seine grünen Augen verloren alle Farbe, die sie durch das Geräusch ihrer Stimme erhalten hatten, als er traurig und betroffen ihren Anblick in sich aufnahm. Dann riss er sich mehr oder weniger zusammen und trat auf sie und ihre Freundinnen zu.
"Meine Damen, ich fürchte ich muss Ihnen Miss McCassy einmal entwenden. Sie ist nicht zum Unterricht erschienen", ließ er Janes Freundinnen wissen und seine Hand nahm ihren Arm. Nicht so fest, dass es ihr Schmerzen bereitete, doch fest genug um einen betrunkenen Fluchtversuch von ihr zu verhindern.
Kaum im Klassenzimmer angekommen schloss er mehr oder weniger leise die Tür hinter ihr und ließ ihren Arm los, bevor sein betroffener Blick den ihren suchte. "Schluss mit dem SMS-Texten, wir sollten offen darüber sprechen", beschwerte er sich leise und wenig überzeugend, bevor er in dem halbherzigen Versuch, streng auszusehen, die Arme schwach überkreuzte. Sein Herz rutschte ihm hinunter bis in die Schuhe, als er die Fahne roch die von ihr ausging.

Montag, 31. Mai | Klassenraum

Der Drache dachte sich schon lange nichts mehr dabei, wenn Jane bei Freundinnen dieser Art stand. Er mochte tatsächlich etwas Vernunft in sie hinein bekommen haben in den letzten Jahren, aber ihre Vorlieben und ihre Umgangsweisen würde er wohl niemals aus ihr herausbekommen. Das meiste davon wollte er auch gar nicht an ihr verändern, er liebte ihre verrückte, wenn auch ziemlich gefährliche Art mit den Dingen umzugehen, doch wenn es zu illegalen Aktionen kam oder sie etwas tat, was er als Lehrer eigentlich nicht dulden konnte, befand er sich immer in einer Zwickmühle. In einer, aus der er nie richtig heraus kam, denn er war unfähig dazu seiner Freundin ihre Art wirklich zu verübeln, dafür liebte er sie zu sehr und dafür war sein Respekt vor der Straftat, die ihre Beziehung verkörperte, zu groß. In seinen Augen war es schon immer er gewesen, der den Fehler begangen hatte sich in sie zu verlieben, obwohl die Wahrheit etwas anders ausgesehen hatte.
Kaum waren sie in dem Klassenraum angelangt und die Tür hinter ihnen zugefallen, konfrontierte Jane ihn mit einem bissigen Ton. Sie klang schnippisch und wütend, eindeutige Zeichen dafür, dass sie sehr verletzt war, doch ihr aggressiver Ton konnte nicht den Alkoholpegel verbergen, der ihr inne wohnte. Jayden zog die Stirn kraus, als er sie nun genauer betrachten konnte und das schlechte Gewissen ergoss sich über ihm wie ein Eimer kalten Wassers, als er den Hass förmlich aus ihren Augen sprühen sehen konnte.
"Jane, lass uns darüber reden wie Erwachsene", erklang sein nicht sehr überzeugender Tonfall und er nahm die Hände zum Gestikulieren zur Unterstützung, um sie davon zu überzeugen ihm zuzuhören. Nie im Leben hätte er das, was er ihr sagen wollte, in einer anständigen und vor allem lesbaren SMS verpacken können, weshalb er mehr oder weniger erfreut darüber war, Jane nun doch noch hier in der Schule zu sehen. "Ich verübel es dir nicht, geschwänzt zu haben. Das... ist doch nichts Neues", schob er noch etwas leise hinterher, weil er sie sowieso nie davon abhalten konnte, zu tun was ihr beliebte. Die Umstände, unter denen sie diese Nummer aber nun dieses Mal abgezogen hatte, waren allerdings mehr als nur katastrophal. Doch der Drache wurde zu sehr durch sein Schuldgefühl erdrückt, als das ihm aufgefallen wäre, dass es jetzt gerade eigentlich Jane war, die definitiv Mist gebaut hatte. Hochschwanger war sie in der Schule erschienen, nach Stundenschluss, mit einer eindeutigen Fahne. Sie war zwar mit übernatürlichen Kindern schwanger, doch das war keine Entschuldigung dafür, sich Alkohol in solchen Maßen zuzufügen wenn ihr Bauch so rund war, dass es sicher nicht mehr lange dauern konnte.
Doch all das wurde abgeschwächt durch Jaydens 'Fehler'. Er wollte Jane davon überzeugen, dass er gar keinen begangen hatte. Was er allerdings nicht leugnen konnte war, dass er ihr Versprechen gebrochen hatte. Jayden war manchmal einfach zu anständig für diese Welt und außerdem war er das Gegenteil von Jane, weshalb es nun der Drache an ihrer statt war, der sich nervös durch die zerzausten Haare fuhr und sich beinahe schüchtern an eines seiner Hörner klopfte, wie als müsse er nach einem Beweis dafür suchen, dass er noch immer ein Drache war. "Ich habe schon versucht, dir über die Nachricht.. ich... Du weißt, dass ich mit den Dingern nicht umgehen kann", erklärte er argwöhnisch sein digitales Schweigen auf ihren SMS-Wutausbruch. "Aber es war unumgänglich - wenn ich noch länger ein Gerücht der Schule geblieben wäre, dann hätte ich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Denk doch nur einmal an die Konsequenzen, Jane!", sagte er und spürte, wie die aufgestaute Furcht davor in ihm hochkam, dass ihre Beziehung so kurz vor ihrem gemeinsamen Glück aufgedeckt werden würde. Er trat einen großen Schritt an sie heran und ignorierte die Fahne, die von ihr ausging, als er ihr Gesicht in seine Hände nahm. "Ich liebe dich, das weißt du! Und genau deshalb habe ich das getan, verstehst du das nicht?"
Er senkte die grünen Augen, beinahe schon erahnend, was sie erwidern würde. Er ärgerte sich darüber, dass er dieses Gespräch führte während Jane nur halb zurechnungsfähig war, denn der Geruch von Alkohol hing zwischen ihnen in der Luft als wäre er ein dritter Gesprächsteilnehmer - und er hatte gefährlich viel mitzureden, wie der Drache befürchtete.

Montag, 31. Mai | Klassenraum

Jayden hatte geahnt, dass so etwas kommen würde, richtig vorbereitet war er deswegen aber noch lange nicht darauf. Vielleicht weil er nie die leise Hoffnung aufgab, dass Jane nicht doch ausnahmsweise mal erwachsen genug für solche Dinge war. Nur machte sie ihm jedes Mal aufs Neue wieder ihren Dickkopf klar und mit dem hatte der Drache für gewöhnlich kein allzu großes Problem, es sei denn er war absolut unbegründet. Und in diesem Fall war er das, denn das Treffen mit Touko war nichts von alledem gewesen, als das Jane es nun bezeichnete.
Er erwiderte nichts auf ihre schnippische Anmerkung, die ihre selbstgerechte, kindische Art noch unterstrich. Was sollte er auch darauf erwidern? Wenn sie erstmal wütend genug war wurde sie blind gegenüber den wirklichen Problemen, bettete sich in einem Beet aus Dingen die sie sich selbst einredete und zu dem Zeitpunkt war es bereits zu spät, sie wieder zu Verstand zu bekommen. Normalerweise hätte er ihr jetzt liebevoll geraten ihren Rausch auszuschlafen, doch die Umstände sahen dieses Mal etwas anders aus. Nicht zu vergessen der wichtigste: Ihr runder Bauch.
Jane war derzeit damit beschäftigt ihre Aggressionen rauszulassen und der Drache konnte nicht viel tun als dazustehen und zuzuhören. Zuhören war das mindeste was er tun konnte, denn es war offensichtlich das Jane verletzt war und es würde ihr guttun, ihren Frust abzulassen. Dass es der Drache war der ihn abbekam scherte ihn nicht, das war er von ihr gewohnt. Er liebte sie zu sehr, als das er es ihr nachtragen würde, generell war er nicht der nachtragende Typ. Und der wütende erst recht nicht.
Was ihn dann jedoch schmerzte war Janes nächste Anschuldigung. Die grünen Augen des Drachens hefteten sich an ihre goldenen, die ihn so voller Enttäuschung anblitzten. Janes Wut darüber das sie dachte, er hätte sie tatsächlich betrogen, tat ihm mehr weh als alles andere, mehr sogar als sie es vielleicht beabsichtigt hatte. "Jane ich lüge nicht - ich kann das nicht einmal gut und das weißt du. Nicht einmal ich kann sie mir abkaufen und das ist auch der Grund, warum ich es sein lasse." Er erinnerte sich an all die Male zurück, an denen Jane ihm unter die Arme greifen musste als die Gerüchte in der Schule drohten außer Kontrolle zu geraten - selbst da war es Jayden nicht gelungen, das Kollegium oder seine Schüler richtig anzulügen. "Deswegen habe ich dir auch Bescheid gesagt", ergänzte er obwohl er wusste, dass das kein starkes Argument war und es durchaus Potenzial hatte, sie ein weiteres Mal wütend auf ihn zu machen. Er hätte das Schein-Date schließlich auch vollständig vor ihr verbergen können, doch das wäre ihm im Traum nicht eingefallen. Er legte viel Wert auf eine ehrliche und vor allem offene Beziehung. Und so sehr ihn Janes Worte trafen, umso mehr schätzte er es das sie es ihm so direkt sagte. So konnten sie schließlich immerhin an einer Lösung für das Problem arbeiten, wie die Lehrerseite in ihm nun gesagt hätte. Nur stellte sich Jane dagegen.
Erst als er zu ihr herantrat verstummte sie für einen Moment und ihr Blick wurde etwas weicher. Jaydens dagegen war der Schmerz ihrer Worte anzusehen, liebte er sie doch viel zu sehr als das er es jemals in Erwägung ziehen würde sie zu betrügen. Dann allerdings wandte sie sich abrupt von ihm ab und als die Beschimpfung über ihre Lippen kam, war selbst Jayden dazu geneigt einmal zu fluchen, aber nur kurz. "Jane, wenn du mich nicht anhörst habe ich erst recht keine Chance dazu, dir zu sagen was passiert ist!", protestierte er, ignorierte das Stechen das ihre Beschimpfung in ihm ausgelöst hatte da er es von ihrer spitzen Zunge eigentlich gewöhnt war. Die Angst davor, wie sehr ihre Beziehung jedoch wegen der Kinder die ganze Zeit auf der Kippe stand ließ ihn hilflos werden. "Lass den Unfug und hör mir zu, bitte!"
Sie blieb allerdings stehen. Und als ihre Hand zu ihrem Bauch schnellte brauchte der Drache nicht lange, um wieder direkt neben ihr zu stehen. "Jane, was ist los?", fragte er, die Sorge in seiner Stimme beinahe zu viel für ihn als er sie ansah. Für den Moment hielt er noch etwas Abstand, hatte sie ihn doch gerade erst beschimpft, doch im Fall das etwas sein sollte wich Jayden ihr nicht von der Seite.