Nightclub "Red Death Masquerade"

Postbeginn

28. April / abends
Rune & Nemesis

Dick betrat das Red Death Masquerade und steuerte zielstrebig auf den Eingang zum weißen Raum zu, vor dem ein Türsteher postiert war und Gäste daran hinderte den Raum zu betreten. Ein Schild neben dem mit weißen, schweren Ledervorhängen verdeckten Torbogen prangte an: Heute geschlossene Gesellschaft. Der breitschultrige Türsteher hatte fast das Gesicht von John Cena, trug ein schwarzes Shirt, unter dem seine Berge an Muskeln gut zu sehen waren und eine Liste mit Klemmbrett in der einen Hand seiner verschränkten Arme. Er grüßte Dick mit einem wortlosen Nicken und ließ den Geschäftsmann eintreten.
Drinnen war es ruhig bis auf das leicht im Hintergrund zu hörende wummern der Bässe aus einem der anderen Räume. Der gesamte Raum bestand aus weißen und gelegentlich schwarzen Akzenten. Die Bar war bis auf den Barkeeper dahinter, der gerade von seinem Handy aufschaute, als Dick den Raum betrat, gänzlich leer, ebenso wie die schwarzen Tische mit Glasplatte um welche mit weißem Leder bezogene kubische Sessel sich drängten.
Dick legte seinen schwarzen Trenchcoat ab und legte ihn über einen der mit weißem Leder bezogenen Barhocker. Er bestellte einen Bourbon Whiskey, nahm dann das Glas und seine Jacke und setzte sich mit Blickrichtung zum Eingang an einen der Tische. Das Glas stellte er vor sich auf die Glasplatte des Tischs, welche von unten mit weißem Neonlicht beschienen wurde, seine Jacke legte er auf einen leeren Sessel hinter seinem. Er lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und nippte gelegentlich an seinem Drink, während er auf eine bestimmte Person wartete.

Manchmal sehnte Rune tatsächlich die ersten Dienstjahre in seiner Heimatstadt zurück. Das Norwegische Lillehammer das so verschlafen und friedlich war das die Polizisten allenfalls als Richter für einen Kuchenbackwettbewerb gebraucht wurden. Es war eine Stadt in der man schon riskierte zum Stadtgespräch zu werden wenn man einmal falsch parkte. Das Leben war einfach gewesen. Besonders an Tagen wie diesen fragte er sich weshalb er nicht einfach in Lillehammer geblieben war.
Er kam sich vor als hätte in der Nacht in dem alten Fabrikgebäude seine Seele verkauft. Jeden Tag rechnete er damit das irgendeine vermummte Gestalt auf ihn zu kam um ihn mit einem vorgehaltenen Messer zu einem Treffen in irgendeiner abgelegenen Höhle einzuladen. Weit weg von der Gesellschaft. Damit es einfacher seine Leiche loszuwerden falls er nicht kooperierte.
Womit er nicht gerechnet hatte war eine Einladungskarte auf seinem Schreibtisch. Die elegant geschriebenen Worte war frei von unterschwelligen Drohungen und nicht einmal in Blut geschrieben! (Rune’s Fantasie war in den letzten Tagen tatsächlich Amok gelaufen und hatte sich dabei an so ziemlich jedem Gangster-Klischee das er kannte vergriffen.) Sein Kollege Mattock hatte  versucht die Gerüchteküche der Polizeistation zum Kochen zu bringen weil er das Schriftstück vor ihm entdeckt hatte. Es war eine Einladung zu einem der teuersten Läden der Stadt und unterzeichnet von einem gewissen Nemesis. In einem anderen Kontext hätte Rune sich wahrscheinlich sogar geschmeichelt gefühlt. Aber er hatte sofort gewusst das sich eigentlich um eine Einladung zu einem Berwerbungsgespräch war das er bestimmt nicht führen wollte handelte. Dieser schräge Nemesis hatte einen seltsamen Humor.
Rune meinte das er nun wusste wie jemand der sich auf dem Weg zu seiner Hinrichtung befand, fühlte. Die Hände hatte er in seine Taschen gesteckt während er die vorbei gehenden Passanten misstrauisch musterte als würde er hinter jedem Gesicht Akagi vermuten. Er hatte sich nicht viel Mühe damit gegeben seine Kleidung dem Establishment anzupassen, er wollte es schließlich nur möglichst schnell hinter sich bringen. Zumindest trug er ausnahmsweise einen Hoodie der nicht so aussah als wäre er zwei Nummern zu groß und sogar so etwas Ähnliches wie einen modischen Schnitt hatte. Ja, er hatte sich sogar die Haare gekämmt! Das musste reichen.
Seine Sinne stellten sich auf Flucht ein als der Klotz von einem Türsteher ihn erspähte und zu sich heran winkte. Gehörte der etwa auch zu diesem mysteriösen Nemesis? Zu Akagi passte er auf alle Fälle ziemlich gut. Aber entgegen seiner Erwartungen schnappte er nicht nach seinem Arm um ihn in ein Geheimversteck zu zerren, sondern beschrieb ihn den Weg zum weißen Raum. Wortlos leistete Rune den Anweisungen Folge und ging dabei an edel gekleideten Besuchern vorbei die sich kichernd der Dekadenz hingaben. Der weiße Raum also. Gut, das hieß das seine Blutflecken nicht einfach zu entfernen sein würden falls das Gespräch nicht gut für ihn lief.
Sein Brustkorb hob und senkte sich als er schließlich vor der geschlossenen Vorhang stand. Er wusste nicht was ihn erwartete, aber sein Kopf gab sich viel Mühe dabei alle möglichen Szenarien durchzuspielen. Er verzichtete darauf den Raum mit seiner Wärmebildkamera zu durchleuchten. Es wäre reine Stromverschwendung, er musste ihn sowieso betreten. Zaghaft zog er den schweren Vorhang beseite und spähte misstrauisch in alle Ecken.
Dann stockte er plötzlich. Er war auf so ziemlich alles vorbereitet gewesen. Aber mit einer schneidigen Gestalt die an einem der Tische saß und einen wahrscheinlich völlig überteuerten Whisky trank hatte er nicht gerechnet. Er wusste aber nur zu gut das dieser Eindruck täuschen konnte. Steif ging er auf den Tisch zu und nahm wortlos Platz. Dabei vermied er es ihn anzusehen und starrte für einen Moment zu dem Tresen ohne wirklich hinzusehen. Tatsächlich brauchte er einen Moment bis er einen Ton heraus brachte. Als er sprach war seine Stimme ernst und brüchig. „Nemesis?“

Dicks Blick huschte zum Eingang, als dessen schwere Vorhänge beiseite geworfen wurden und ein recht hagerer Bursche mit Kapuzenjacke den Raum betrat. Unter der Kapuze erkannte Dick ein junges Gesicht, das pure Nervosität, vielleicht sogar ein wenig Angst ausdrückte, eingerahmt von schwarzen Haaren. Wirklich aufmerksam wurde Dick allerdings beim Anblick seines einen modifizierten Auges.
Der junge Mann blieb erst etwas konfus stehen und starrte zu Dick herüber. Dick wollte schon etwas sagen, damit er sich doch zu ihm setzte, doch darum musste er erst gar nicht bitten. Als er sich setzte, wanderte sein Blick allerdings nicht zu Dick, der den jungen Mann prüfend musterte, sondern zur Bar. Hatte er etwa Angst, dass der Barkeeper ihn verraten würde?
Dick folgte seinem Blick und zeigte dem Barkeeper mit einem Wink an den Raum zu verlassen. Dieser nickte nur einmal kurz und verschwand dann durch den Vorhang. Als Dick wieder zu seinem Besucher blickte, hatte der endlich den Mut gefunden etwas zu sagen. Er wirkte äußerst nervös, beinahe panisch. Was hatte Shin zu dem Kerl gesagt? Was er gemacht hatte, war klar. Der Beweis dafür befand sich in seinem Besitz. Vielleicht half es alle Zweifel zu zerstreuen und ihm zu zeigen, dass Shin ein Querkopf, selbst in der Avengers League war.
Dick lächelte dem jungen Mann zu, beugte sich leicht zur Seite und fischte aus seinem Trenchcoat, der immer noch über einem der nahen Sessel lag, die kleine Ampulle mit Blut, die Shin dem Kerl abgenommen hatte. Erpresst träfe es wohl eher. Immer noch lächelnd legte Dick die kleine Ampulle zwischen ihn und sich auf das Glas des Tischs. An den Rändern war schon deutlich zu sehen, dass das Blut begann zu gerinnen.
"Ich schätze ich muss mich bei Ihnen für die ungehobelte Art von Shin entschuldigen. Ich weiß nicht genau, was er Ihnen alles erzählt beziehungsweise wohl eher angedroht hat, damit Sie ihm Ihr Blut geben, aber ich möchte gleich klar stellen, dass das hier normalerweise nicht unsere Methode ist. Allerdings...", begann Dick die Stille zu brechen und deutete auf die Ampulle als sei sie etwas Ekelerregendes.
Dicks Lächeln war schwächer geworden und er faltete nun die Hände in seinem Schoss.
"... ist Shin ein äußerst mächtiger Verbündeter und ich sehe ihn lieber in meinen Reihen, als in denen der schwarzen Hand. Soweit Shin Sie mir geschildert hat - und Clive bestätigt - sind Sie ein pflichtbewusster Polizist, jemand der etwas bewegen und verändern möchte. Allerdings scheinen Sie die selbe Grenze zu spüren bekommen haben wie Ihr Kollege Richardson."
Dick machte eine etwas resignierende Bewegung mit seinen Händen und einen etwas nachdenklichen Gesichtsausdruck. Daraufhin lehnte er sich vor, sodass seine wieder gefalteten Hände auf der Glastischplatte zum Liegen kamen.
"Mr. Rune, wenn ich Sie so nennen darf. Die Avengers League wurde vor einem Jahr von mir und Mr. Richardson gegründet, um die Bürger dieser Stadt - die unschuldigen Bürger wohl gemerkt - vor bösen Mächten von außerhalb zu beschützen. Jeden Tag strömen unzählige Wesen ungehindert durch die Portale und nicht jeder ist friedlich gesinnt, nicht jeder wünscht sich ein harmonisches Leben mit den hier lebenden Wesen. Es gibt harmlose Fälle, bei denen lediglich die Selbstkontrolle ein Problem darstellt, doch diese Wesen sind nicht sofort böse. Aber es gibt sie, Mr. Rune. Abgrundtief böse Wesen und genügend Wesen, die solchen hörig sind. Wir nennen sie die Mitglieder der schwarzen Hand. Nicht jedes böse Wesen ist automatisch in dieser Organisation, doch wer nicht Mitglied ist, respektiert sie und hält sich von ihren Territorien fern. Es ist praktisch unmöglich dort jemanden einzuschleusen, wir haben es oft genug versucht. Wir können lediglich versuchen ihre Aktionen zu unterbinden.
Was uns zu Ihnen bringt, Mr. Rune. Soweit ich informiert wurde, verfügen Sie über äußerst nützliche Fähigkeiten und ihre moralische Korrektheit steht dabei völlig außer Frage - wenn ich das mal so nennen darf. Ich weiß, das ist alles neu für Sie und sicher sind Sie überfordert und haben zich Fragen an mich, aber lassen Sie mich eins klar stellen: Ich möchte, dass Sie in unsere Avengers League kommen und ihre Fähigkeiten einsetzen, um den Machenschaften der schwarzen Hand ein Ende zu bereiten. Ich kann Sie nicht dazu zwingen, egal was Shin Akagi zu Ihnen gesagt hat."
Dick streckte die Finger seiner rechten Hand aus und schob die Blutampulle zu dem jungen Mann hinüber, dann legte er seine Finger wieder ineinander.
"Ich wollte mich hier mit Ihnen ohne mein Kostüm und dergleichen treffen, um klar zu stellen, dass ich Ihnen vertraue und um Ihnen zu zeigen, dass jeder in der Avengers League wie ich im Grunde ein einfacher Mensch ist und kein Monster. Selbst Shin Akagi ist kein Monster, auch wenn sein moralischer Kompass eher nach dem ausschlägt, der ihm am meisten bietet. Aber wissen Sie, Mr. Rune, ich gebe sehr gerne all mein Geld her, wenn ich dafür die Möglichkeit erhalte Cadysa zu einem sichereren Ort zu machen."
Damit lehnte sich Dick wieder zurück und ließ das erst einmal sacken. Er erwartete einige Fragen und sicher würde dieser Rune noch Zweifel haben und zögern. Allerdings war Dick darauf vorbereitet. Sie hatten diesen Raum gänzlich für sich und er hatte Zeit und Geduld im Überfluss. Er würde heute nicht hier raus gehen ohne ein Ja von diesem Mann.

Rune’s Auge folgte dem Barkeeper der den Raum verließ und blieb an dem Vorhang hängen hinter dem er verschwunden war. Mit ihm hatte der einzige potenzielle Zeuge den Schauplatz verlassen. Was er von dem Typen mit der ihm alleine gelassen hatte halten sollte, konnte er immer noch nicht sagen. Er machte keinen schlechten Eindruck, aber der Cyborg hatte inzwischen gelernt das er der äußeren Hülle nicht trauen konnte. Er konnte nicht wissen was er hinter diesem gutaussehenden Gesicht verschanzte und ob das Lächeln das er bisher nur aus seinem Augenwinkel gesehen hatte falsch war.
Er hörte ein Klicken als etwas auf den Tisch gelegt wurde. Rune wandte den Blick und starrte nun das Plastikröhrchen an mit dem er keine guten Erinnerungen verband. Er hatte angenommen das es ein Druckmittel war. Jetzt lag es vor ihm. Nur einen Griff entfernt. Er sollte es schnappen und schnell das Weite suchen. Doch seine Hand bewegte sich nicht um einen Zentimeter. Der unheimliche Boss einer rätselhaften Vereinigung entschuldigte sich bei ihm. „Akagi war sehr direkt… Wenn er so weiter macht, bricht er euch noch das Genick.“ Seine Worte waren kaum mehr als ein leises, gekränktes Murmeln. Trotzdem konnte er die Erklärung von Nemesis nachvollziehen, so jemanden wie Akagi würde er auch nicht frei auf der Straße laufen lassen.
Rune ging nicht darauf ein das seine Kollegen Richardson und Akagi behauptet hatten das er pflichtbewusst war. Tatsächlich wären die Beiden damit die ersten die das behaupteten. Rune vernachlässigte den bürokratischen Teil seiner Arbeit und war bei Fällen die er nicht als wichtig erachtete nur halbherzig bei der Sache. Deswegen war er auf der Station als nachlässig und unmotiviert verschrien. Wussten Richardson und Akagi etwas über ihn das er selbst nicht wusste? Natürlich wollte er eigentlich etwas verändern, er hatte nur bisher angenommen das niemand etwas von diesen Absichten mitgekommen hatte. Unter dem Tisch rieben Fleisch und Stahl aneinander als er nervös seine Hände knetete während sein rechtes Bein unschlüssig zuckte.
Rune war froh das Nemesis auf den Versuch verzichtete seinen Namen in irgendeinen Nachnamen umzuwandeln. Auch wenn die formelle Anrede sich seltsam anhörte war sie immer noch besser als Mr. S235, er war schließlich kein Roboter und hasste es so angesprochen zu werden.
Ein freudloses Schmunzeln huschte über seine Lippen als Nemesis von den geheimen, kriminellen Machenschaften in der Stadt berichtete. Es wunderte ihn nicht, einige seiner Berufsgenossen zogen es inzwischen vor einen netten Plausch mit potenziellen Verbrechern zu halten anstatt dem Fall wirklich auf den Grund zu gehen. Kulturelle Unterschiede waren ein weiteres großes Problem. Vampire und Dämonen wurden behandelt als wüssten sie es einfach nicht besser. In diesem Punkt drückte man aus Toleranz zu häufig für seinen Geschmack ein Auge zu. Morde standen inzwischen an der Tagesordnung. Das eine organisierte Verbrechergesellschaft dabei ein leichtes Spiel hatte überraschte ihn nicht.
Der Mann mit den silbernen Haaren brachte einen guten Punkt auf dem Tisch in dem Rune sich selbst noch nicht sicher war. Wollte er wirklich helfen? Er konnte nicht festlegen was er eigentlich wollte. Nemesis war ganz anders als Akagi. Er wirkte menschlicher. Rune hatte nicht vergessen, wen er vor sich sitzen hatte, doch er wurde mutiger. Fragen hatte er viele. Aber er verzichtete darauf die meisten davon zu stellen. Zum Beispiel ob er jemals wieder eine ruhige Nacht haben würde wenn er sich dieser seltsamen Avengers League anschloss. Doch das konnte warten. Denn es war unwichtig verglichen mit der einen Sache die ihm auf der Seele brannte. Eine Sache die ihm so wichtig war das er sein Gegenüber zum ersten Mal direkt ansah. Sein braunes Auge blickte weiterhin misstrauisch, aber auch prüfend. Er wollte genau sehen welche Reaktion seine Worte in den hellblauen Augen auslösen würden. Seine Hände unterbrachen ihren ungelenken Tanz und er vergaß sogar die Ampulle mit seinem Blut einzustecken. „Was ist mit dem Waldbrand? Wird bei euch ein Verbrechen dieser Größe auch einfach zu den Akten gelegt? Mir ist bewusst, dass die Ermittlungen in solchen Fällen schwierig sind. Aber ich habe den Tatort gesehen…“ Seine Stimme stockte kurz. Er räusperte sich vorsichtig ehe er in einem festeren Tonfall fortfuhr. „Das war kein Unfall, irgendjemand hat diesen Brand mit Vorsatz gelegt. Bitte sagen sie mir das ihr nicht genauso blind seid und einfach die Augen schließt.“ Im Grunde wollte er nur hören das sie es nicht einfach vergessen hatten, auch wenn es praktisch unmöglich war einen Täter zu schnappen. So etwas durfte einfach nicht in Vergessenheit geraten während die Natur Jahrzehnte brauchte um sich zu erholen.

Dicks Gegenüber blieb nervös, doch zumindest begann er langsam zu kooperieren. Allerdings blieb er überraschend wortkarg. Anstatt zich Fragen über die League zu stellen, fragte er Dick, ob sie den Waldbrand ebenso ununtersucht gelassen hätten wie die Polizei oder ob sie sich damit befasst hätten. Immerhin sei es kein Unfall gewesen, sondern vorsätzliche Brandstiftung.
Dick stockte etwas und seine Stirn legte sich in Falten, während seine Augen zu Schlitzen wurden. Sein Blick wanderte nach unten ins Leere, während er nachdachte. Dann wanderte der Blick nach rechts unten, bevor er einen Moment später wieder zu Rune aufsah, ihn mit einem Handzeichen um Geduld bat und nach seiner Jacke griff, um etwas hervor zu holen. Es handelte sich um kleines, schwarzes Notizbuch mit Gummiband drumherum und einem hellblauen, großen Zeichen darauf.
Dick öffnete es, legte es vor sich auf den Tisch und begann darin zu blättern. Dabei bewegte sich sein Mund kaum merklich, es glich einem nachdenklichen Murmeln, als läse er halblaut. Dann hielt er inne.
"Tatsächlich.", begann Dick und entfaltete einen eingeklebten, kleinen Randartikel aus der Zeitung über den Brand, der mit rotem Stift eingekreist worden war, "In der Nacht zum 5. April wurden Nightwing, Fawkia und Kirishiro zu der betroffenen Stelle geschickt, nachdem Nightwing mir den Artikel aus der Zeitung gezeigt hat. Ja, stimmt, jetzt erinnere ich mich."
Dicks Blick aus seinen eisblauen Augen hob sich von dem Büchlein und ging geradeaus auf Runes Seite des Tisches, wobei er diese Stelle nicht fixierte, sondern nachdenklich in die Leere schaute, während er nachdenklich die rechte Hand hob und an seine Unterlippe legte.
"Die Spurensicherung der Polizei hat nichts gefunden, sagte Nightwing und Kirishiro - also Shin - fand auch nichts neues darüber heraus. Fawkia versicherte uns, dass das Feuer nicht mit Benzin gelegt worden war oder durch ein ausgebrochenes Lagerfeuer gekommen sein kann."
Dann ging Dicks Blick direkt zu Rune, der ihn überraschenderweise ebenfalls direkt anschaute. Für einen Moment war absolute Stille bis auf das Wummern der Bässe aus einem der Nebenräume, dann riss sich Dick wieder aus seiner Starre, griff nach seinem Whiskey-Glas und nahm einen Schluck daraus, um seine Kehle zu befeuchten. Sein Blick und sein Gesichtsausdruck zeigten eine Mischung aus gewisser Sorge und Interesse.
"Interessieren Sie solche Fälle, Mr. Rune? Ich meine jetzt nicht Waldbrände per se, sondern ungeklärte Fälle, bei denen es wirkt, als stecke mehr dahinter?", fragte Dick.
Sein Blick blieb ernst und interessiert, als er das Büchlein wieder mit seinem Gummiband umspannte und die gefalteten Hände darauf legte.

Sorgfältig beobachtete Rune die Reaktion von Nemesis als er ihn auf den Waldbrand ansprach. Er schien nicht sofort zu wissen wovon er sprach, aber das hatte er auch nicht erwartet. Für ihn selbst war es zwar schwer nachzuvollziehen, denn bei ihm hatte sich das Ereignis so sehr in seine Erinnerung gebrannt das er sich kaum mit einem anderem Kriminalverbrechen auseinander setzen konnte. Er forderte von Nemesis keine ähnliche Reaktion. Rune wollte nur sehen ob ihn dieses Schwerverbrechen kalt ließ.
Im Moment konnte er allerdings noch nicht viel in seinen Augen erkennen was daran lag das er in seinem Buch nachlas und ihm seine weiße Haare ins Gesicht fielen. Der Cyborg wartete bis er fündig wurde und unterbrach ihn nicht als er von seinen Maßnahmen berichtete. Zumindest hatten sie etwas unternommen. Die Ergebnisse waren kaum mehr als Rune in Eigenarbeit herausgefunden hatte. Aber er hatte sich schließlich auch mit Herz und Seele dahinter gehängt. Trotzdem überstieg das was Nemesis berichtete die Bemühungen der Polizei bei weiten. Diese hatten schon nach einer Woche gescherzt das der Brand bestimmt nur von einem Drachen mit Schnupfen ausgelöst worden war. Er war nicht direkt zufrieden mit der Antwort, aber sie reichte ihm fürs Erste.
Er hätte das auch erwidert aber dann merkte er das Nemesis seinen Blick wieder auf ihn richtete und sie sich für einen Moment direkt in die Augen sahen. Auf einmal spürte er eine merkwürdige Beklommenheit in seiner Brust und fühlte sich wie ausgeliefert. Am liebsten hätte er wieder die Wand angestarrt. Er war Nemesis beinahe dankbar als dieser endlich die Stille durchbracht und nach seinem Interesse fragte. „Mich interessieren Fällen bei denen ich weiß das etwas Größeres dahinter steckt. Wenn Unschuldige ihr Leben lassen nur weil sich eine Person nicht unter Kontrolle hat. Die Rechnung dafür tragen wir alle. Die verheerenden Folgen sind vielleicht nicht sofort zu sehen, aber ich lasse mich nicht vertrösten nur weil anderen dieser Weitblick fehlt. Ich möchte das die Menschen wenn sie ihren Abgang von diesem Planeten machen nicht alles Leben mit sich zusammen verdammt haben.“ Dieser Waldbrand lastete Rune tatsächlich ziemlich schwer auf der Seele. Er steigerte sich schneller in dieses Thema herein als ihm lieb war. Als merkte das ihm das wieder passiert war griff der Norweger sich verlegen mit der Hand in den Nacken und entwickelte erneut ein reges Interesse an der Tischplatte.
„Aber das ist es nicht nur.“ Nachdenklich wanderte seine Hand wieder herunter und fand den Weg zurück in die Umklammerung mit ihrem bionischen Gegenstück. „Ich weiß das es anders sein kann. Ich weiß das eine Gesellschaft funktionieren kann. Wieso tut sie es hier nicht?“ Er ließ die Frage im Raum stehen. Er wusste keine Antwort darauf und war sich ziemlich sicher das sein Gesprächspartner auch keine wusste. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht Teil einer möglichen Lösung zu sein.
Rune schloss für einen Moment die Augen und seufzte. Er wusste das er seine Entscheidung eigentlich schon getroffen hatte. „In Ordnung. Wie läuft das bei euch ab? Ihr arbeitet im Untergrund, wie schützt ihr euch als Privatpersonen?“ Nemesis hatte bereits erwähnt das er normalerweise ein Kostüm trug, aber reichte das? Rune's ursprüngliches Ziel war es gewesen lebend aus dieser Geschichte heraus zu kommen. War diese neue Aufgabe nicht noch viel gefährlicher als seine Anstellung als Polizist? Er musste das Risiko einschätzen können. Es nützte Jesper nichts wenn er nach einem paar Wochen als Vigilant sein Leben verlor während er gegen einen Kriminellen kämpfte.

Recht energisch argumentierte dieser Rune über das Thema und Dicks Gesicht bekam einen Ausdruck, der von einer gewissen Überraschung, aber auch gewissem Respekt sprach. Dick wollte schon den sprichwörtlichen Hut vor diesem Statement ziehen, doch lieber ließ er den jungen Mann weiter reden.
Er wirkte allerdings trotz seiner Ansprache noch etwas klamm, offenbar hatte er immer noch etwas Angst vor Dick, was ihm nicht ganz unverständlich war, bedachte er doch wie sein erstes Treffen mit Shin abgelaufen war.
Und dann stellte er die eine Millionen Pfund Frage und kaum hatte er sie ausgesprochen musste Dick unwillkürlich lächeln. Nicht weil er den Mann nicht ernst nahm, sondern weil er ihn sehr gut verstand und erleichtert war. Ja, er war erleichtert darüber jemanden zu treffen, der seine und die Sichtweise von Richardson teilte. So jemanden sah Dick als Juwel an.
"Das ist genau die Frage, welche wir in der Avengers League versuchen zu lösen.", antwortete Dick nur knapp und lächelte verständnisvoll.
Dann schien eine Art Wendung in diesem Gespräch endlich erreicht zu sein. Dick fühlte sich schon richtig wie ein Sieger. Er würde ihn wirklich überreden können. Er war so kurz davor diesen Kerl in die League zu holen. Eine richtige Aufregung und Freude stieg in ihm hoch, dass er sich ein breites, glückliches Grinsen echt verkneifen musste.
Er räusperte sich und begann dann zu erklären:
"Manche von uns besitzen alternative Formen - Verwandlungen - andere wiederum schützen sich durch eine Maske. Desto weiter vorne man kämpft, desto wichtiger ist der Schutz der eigenen Persönlichkeit, denn niemand von uns möchte morgens statt dem Päckchendienst, einem Abgesandten unserer Gegner aufmachen und mit dem Morgenkaffee in der Hand auf der Türschwelle sterben. In der League kennen nur wenige die wahren Namen der anderen und selbst dann, sollte man sich privat in der Stadt sehen oder aufeinander treffen, bleibt die League und die Mitgliedschaft ein Geheimnis. Einzig ich alleine kenne alle bürgerlichen Namen, aber selbst ich weiß nur von wenigen mehr als das. In der League selbst werden zudem nur Decknamen verwendet. Wir operieren nicht unbedingt geheim, muss ich zugeben, allerdings nutzen wir überwiegend den Schutz der Nacht, um unsere Missionen durch zu führen. Sollte irgendjemand aus der League es wagen Ihnen privat zu nahe zu treten oder damit drohen Sie enttarnen, seien Sie versichert, werden wir rigoros gegen diese Person vorgehen. Ich riskiere nicht das Team für einen Ausbrecher, das möchte ich gleich klar stellen.", antwortete Dick und seine Stimme verriet, dass er da durchaus ernst meinte.

Langsam merkte Rune das ein Teil seiner Anspannung von ihm abfiel und er bekam allmählich das Gefühl wirklich eine Wahl zu haben. Vielleicht könnte er tatsächlich einen Rückzieher machen und es in Zukunft einfach versuchen Akagi nicht über den Weg zu laufen. Er konnte sein Leben weiter leben, sich weiter über seinen Vorgesetzten ärgern und so tun als ob nie etwas passiert wäre. Das hatte er doch gewollt. Warum plagte ihn jetzt also das Gefühl das er genau das nicht mehr wollte? Vermutlich war einfach das Maß an Drohungen das er verkrafte ausgelastet und trübte sein Urteilsvermögen.
Schweigend hörte er zu als Nemesis ihm die Vorgehensweise erklärte. Er begrüßte es das sein Name auch für die anderen Mitglieder geheim bleiben würde und das man in der Stadt bisher noch keine Mitglieder einer Superheldenliga entdeckt hatte milderte seine Skepsis etwas. Vielleicht war es nur seine eigene Nervosität die ihn blendete, aber irgendetwas sagte ihm das Nemesis kein Mensch war der halbe Sachen machte. Mal abgesehen davon das er seinen Schoßhund Akagi nicht im Griff hatte. Aber ansonsten schien er jemand zu sein auf dessen Wort man sich verlassen konnte.
Mit einer Verkleidung kam er zurecht. Auch in seiner Freizeit lief er meistens mit einer Kapuze auf dem Kopf herum. So wie jetzt auch. In Norwegen hatte das praktische Gründe gehabt, er war es einfach gewohnt. Das war es auch nicht was ihn beschäftigte. Er wollte nach fragen, ob es schon Todesfälle innerhalb der Gruppe gegeben hatte. Doch beim näheren Nachdenken ließ er das lieber denn er wollte es eigentlich gar nicht wirklich wissen. Die Antwort würde ihm wahrscheinlich nicht gefallen.
Das mit dem Schutz und der Verschwiegenheit schien tatsächlich sehr wichtig für den Weißhaarigen zu sein. Dabei fiel Rune etwas ein. Die genauen Details zu Decknamen und der Organisation konnte er auch noch später klären. „Was das angeht hätte ich eine Bedingung. Ich würde gerne jemanden von dieser Regelung ausnehmen.“ Er leitete seinen Wunsch nicht so selbstbewusst ein wie er geplant hatte und er bereute die Worte in dem Augenblick als sie seinen Mund verlassen hatten. Er konnte doch nicht einer geheimen Vereinigung beitreten und gleich die wichtigste Regel brechen. Doch nun war es ohnehin zu spät und er wollte mit offenen Karten spielen. Ein wenig scheu hob er den Blick und sah seinen zukünftigen Boss an. „Ich habe einen kleinen Bruder, Jesper. Er ist zehn und hat das Down-Syndrom. Ich würde natürlich keine wichtigen Informationen an ihn weiter geben. Ich möchte nur das er weiß was ich mache. Er… er sieht zu mir auf, verstehen sie?“ Ihm war das Thema sichtlich unangenehm. Aber es fühlte sich einfach nicht richtig an Jesper eine so große Sache zu verschweigen. Sein Bruder würde niemanden etwas erzählen wenn er ihn dazu ermahnte, das wusste Rune. Aber würde Nemesis das nachvollziehen können?

Dicks Blick sah den Schwarzhaarigen ein wenig verwundert an, als dieser um eine Ausnahme bei dieser Regel bat. Verwundert und nachdenklich zugleich wanderte Dicks Blick auf sein Whiskeyglas und sein Mund öffnete sich leicht, als wolle er etwas sagen und sich dann doch umentscheiden. Dann schloss er ihn wieder, schien allerdings noch weiter zu überlegen. Er rieb sich ein paar Sekunden lang am Kinn, dann sah er wieder zu Rune auf.
"Sie können ihm sagen, was Sie tun. Sollte ich allerdings erfahren, dass Sie ihm irgendwelche Daten von Missionen oder Mitgliedern übermitteln, werden wir zwei ein Problem bekommen. In Ordnung?", fragte Dick und sein Blick verriet, dass er das durchaus ernst meinte.
Normalerweise hasste Dick es solche Ausnahmen zu machen, allerdings glaubte er von einem Zehnjährigen nicht wirklich viel befürchten zu müssen. Trotzdem würde er Richardson wohl bitten müssen ein Auge auf den jungen Mann zu haben. Zumindest in den ersten Wochen. Das war ihm eigentlich nicht so recht, besonders da es Probleme aufwerfen könnte, wenn er davon Wind bekommen würde, allerdings konnte er auch wiederum nicht einfach blind jemandem vertrauen, der ohne ein Druckmittel allen Grund hatte sie auffliegen zu lassen.
Dicks Glas verlangte Nachschlag und mit dem Glas in der Hand erhob er sich und ging hinüber zur Bar.
"Wollen Sie auch etwas trinken? Sie können haben, was auch immer die Bar her gibt. Aber seien sie nicht zu wählerisch, ich kann nur drei Cocktails.", meinte Dick und lachte auf.
Er stellte sein Glas auf den Tresen und suchte nach der Whiskey-Flasche. Die Auswahl war viel zu groß, also griff er nach dem erstbesten Bourbon und füllte sein Glas bis zur Hälfte.
"Also was darf es sein?", fragte er noch einmal nach, dieses mal mit einem freundlichen Lächeln, lehnte sich nach vorne und stützte seine Unterarme auf dem Tresen ab.

Hatte Rune sich zu weit aus dem Fenster gelehnt und zu viel verlangt? Erneut klopfte ihm das Herz bis zum Hals als wollte es flüchten während er Nemesis’ nachdenklichen Blick auf sich spürte. Dann wanderten seinen Augen zu seinem Glas. Rune fühlte sich allerdings trotzdem nicht weniger ausgeliefert. Vielleicht hatte er doch zu schnell positiv über den mysteriösen Anführer geurteilt. Überlegte er gerade wie er ihn am besten los wurde? Er hoffte das er seine Leiche im Wald vergraben würde, wo er langsam mit der Natur eins werden konnte. Das war viel besser als mit Betonklötzen an den Füßen ein Gewässer zu vergiften. Seine Kollegen von der Polizei würden hoffentlich daran denken seine Familie vom seinem Verschwinden zu unterrichten. Dieser Gedanke war zwar auch nicht sonderlich erbaulich aber immer noch besser als sie im Dunkeln zu lassen.
Seine Finger krallten sich in seinen Hosenbeinen fest als er hörte das Nemesis antwortete und zwar mit einer Antwort mit der er nicht gerechnet hatte. Erleichtert lehnte der Cyborg sich zurück und saß zum ersten Mal an diesem Abend wirklich entspannt in seinem Sessel. Er vorsichtiges Lächeln huschte über seine Lippen. Er hatte es nicht verbockt. „Danke“ war seine einzige Erwiderung. Er gab damit sein Einverständnis.
Überrascht sah er den Weißhaarigen an als er fragte, ob er etwas trinken wollte. Er hatte völlig vergessen das sie sich in einem Nichtclub befanden. Rune traute seinen Augen nicht. Der Mann von dem er vor kurzem noch gedacht hatte das er ihn am liebsten tot sehen wollte schien völlig entspannt und lachte. Eigentlich war etwas zu trinken eine der letzten Dinge an die er gedacht hatte, aber mit einem Mal fühlte sich sein Mund seltsam trocken an. „Ein Ginger Ale“,nuschelte er. Sollte er ihn im Auge behalten um aufzupassen das er nicht etwas in seinen Drink mischte? Langsam sah Rune keinen Anlass mehr dazu und allmählich fühlte er das seine Sinne nicht mehr vor Panik betäubt waren. Er registrierte sogar das es eigentlich zu warm in diesem Raum für eine Kapuze war. Es war ohnehin albern von ihm sich unter einem Kleidungsstück zu verstecken, er tat das viel zu häufig. Mit den Fingerspitzen schlug er den Stoff zurück. Wozu hatte er sich eigentlich die Haare gekämmt? Er sollte inzwischen das dieses Vorhaben bei seinen Haaren aussichtslos war. Unbeholfen versuchte er das zu richten was nicht mehr zu richten war. Im Anschluss nutzte er endlich die Gelegenheit seine Blutprobe einzustecken. Wie hatte er ihm das nur entfallen können? Das Röhrchen wanderte in seine Hosentasche.
Die Stimmung war inzwischen sehr viel lockerer geworden und der Cyborg fühlte sich nicht mehr wie bei einem Verhör. Er wandte sich wieder an Nemesis. „Ich muss aber keinen Latex-Overall anziehen oder?“ Er war froh dass das inzwischen eines seiner größeren Probleme darstellte. Vor ein paar Minuten hatte er noch um ganz andere Sachen gebangt.

Endlich schien der junge Mann sich langsam zu lösen. Er lehnte sich ein wenig zurück und das bisschen was Dick von seinem Gesicht sehen konnte sprach Bände. Trotzdem bedankte sich Rune bei ihm, so wie Dick annahm, für das entgegen gebrachte Vertrauen. Dick antwortete nur mit einem Ach-das-ist-doch-kein-Problem-Lächeln und winkte ab.
Sein Kopf verschwand hinter dem Tresen, als er nach einem Ginger Ale für Rune suchte. Da er sich nicht auskannte hinter der Bar, musste er richtig anfangen zu suchen. Das dämmrige Licht half ihm nicht gerade dabei den Ginger Ale zu finden. Während Dick noch nach der Flasche suchte, richtete sich der Cyborg mit der Frage an Dick, ob er denn so etwas wie einen Latex-Anzug tragen müsse.
Dicks Lachen war, obwohl er hinter der Bar verschwunden war, im gesamten Raum gut hörbar.
"Nicht, wenn Sie nicht drauf stehen.", antwortete er mit einem Lachen im Unterton und eine Flasche Ginger Ale landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Tresen, gefolgt von Dicks Gesicht, das hinter der Bar wieder auftauchte.
"Unsere kämpfenden Mitglieder tragen so gut wie alle einen magieabweisenden Spezialoverall, der so gut sitzt wie eine zweite Haut.", erzählte Dick locker, während er hinter dem Tresen nach einem Glas für Rune suchte, "Die meisten besticken und bekleben und bemalen ihn nach ihren ganz individuellen Wünschen. Am Ende erkennt man das Original kaum wieder."
Dick beförderte ein normales achteckiges Glas aus den aufgereihten Getränkegläsern hinter dem Tresen auf die Bar neben die Flasche Ginger Ale und begann einzuschenken.
Er lachte auf und erzählte dann weiter:
"Manche sprayen sich nur ihr Zeichen auf, bei anderen bricht regelrecht ihr innerer Modedesigner aus."
Dick stellte die angebrochene Ale-Flasche neben dem halbvollen Glas ab und schraubte sie wieder zu. Erst dann blickt er wieder zu seinem Gast auf, der nun seine Kapuze zurück geschlagen hatte, sodass Dick erst jetzt sein ganzes Gesicht sehen konnte.
Sein Lächeln verschwand langsam, während seine Augen schmaler wurden und sein Gesicht jenen Ausdruck bekam, den man hatte, wenn man glaubte, jemanden irgendwoher bereits zu kennen. So ging es Dick in diesem Augenblick, als er klar und deutlich das Gesicht des jungen Mannes erkennen konnte.
Dieses Gesicht... Wieso fiel es ihm erst jetzt auf, wo Rune die Kapuze abgenommen hatte, dass ihm dieses Gesicht nicht fremd war? Dick begann in seinem Kopf die Gesichter aus seinem Geschäft und seinem Privatleben, ja sogar seiner Arbeit bei der League, nach diesem Gesicht zu durchsuchen, konnte allerdings beim besten Willen keine Übereinstimmung finden. Nachdenklich ließ er seine Finger auf das Holz des Tresen schlagen, sodass seine Fingernägel beim Auftreffen ein Tock Tock von sich gaben.
Er kam einfach nicht drauf und nach fast einer ganzen Minute darüber grübeln, gab er es schließlich auf. Vielleicht hatte er ihn schon einmal in der Zeitung bei einem Artikel auf einem der Fotos mit den polizeilichen Ermittlern gesehen und es unterbewusst abgespeichert. War auch nicht so wichtig. Wichtig war eher, dass er ein neues Mitglied für seine Avengers League hinzu gewonnen hatte.
Dicks Lächeln kehrte zurück, nachdem er einen Schluck Whiskey genommen hatte und sich dann wieder an Rune richtete:
"Haben Sie schon eine Idee, wie Sie sich nennen wollen?"

Rune war froh darüber das Nemesis sein Gesicht nicht sehen konnte als er seine Antwort auf die Frage nach dem Latex-Anzug erhielt. Es war doch nur ein kleiner Spaß, eine lockere Andeutung. Das war ihm bewusst. Konnten also seine Wangen bitte wieder ihre natürliche Farbe annehmen? Er gab sich Mühe damit das man diesen unerwarteten Zustand seiner Stimme nicht anmerkte. „Nein, nicht wirklich …“ Er hoffte das die Erklärungen zu den Kostümen ihn ablenken würden.
Das taten sie auch. Das was Nemesis da beschrieb, hörte sich nach viel Bastelarbeit an. Für den Cyborg war es schon ein seltenes Kunststück war wenn er zwei Socken an hatte die zusammen passten. Er wollte gerade fragen, ob es eine einfache Vermummung auch tat. Ob es reichte dass er sich seine Kapuze einfach tief ins Gesicht zog. Doch dann bemerkte er das Nemesis ihn mit zusammen gekniffenen Augen ansah.
Mit einem Mal saß Rune wieder stocksteif und in Alarmbereitschaft in seinem Sessel. Dabei konnte er sich dieses Mal absolut nicht erklären was er falsch gemacht hatte. Unruhig und verwirrt fuhr er mit seiner Hand erneut durch seine schwarzen Haare. Erwartete er nun etwas von ihm? War dieser durchbringende Blick eine Probe für seine nervliche Belastbarkeit?
Was auch immer es gewesen war. Er schien zufrieden zu sein und scheinbar hatte Rune die Prüfung bestanden. Zumindest hoffte er das.
Er würde sich wohl oder übel damit abfinden müssen das sein Leben nicht mehr so bequem sein würde wie bisher. Wenn er Alles richtig verstanden hatte, würde er seine ruhigen Nächte zukünftig opfern müssen. Es war an der Zeit sich mit diesem Schicksal abzufinden. Außerdem musste er sich nun einen neuen Namen für sein neues Leben ausdenken. „Ich bin nicht sicher …“ Er lehnte sich wieder zurück und ließ nachdenklich seinen Blick auf Wanderschaft gehen. War das da eine Überwachungskamera an der Decke? Was dachte er da eigentlich, natürlich war es eine Überwachungskamera. Sie waren in einem öffentlichen Gebäude!
In seinem Kopf ging er die Namen von allen Bluesmusikern und botanische Bezeichnungen die er kannte durch. Ihm fiel aber nichts ein was ihn nicht zum völligen Gespött machen würde. Ein bisschen eindrucksvoll musste es schon klingen. Das war keine leichte Denkaufgabe für jemanden wie Rune der sich lieber im Hintergrund aufhielt. „Taraxacum wäre okay denke ich.“ Es war die lateinische Bezeichnung für den Löwenzahn, eine der widerstandsfähigsten Unkraut-Arten und der Albtraum von jedem Ziergartenbesitzer. Damit konnte Rune sich identifizieren.
„Darf die Kostümierung auch ein bisschen weniger ausgefallen sein?“ Er war nicht wirklich künstlerisch veranlagt. Er konnte Mundharmonika spielen, aber das war bereits die Grenze seiner ästhetischen Begabungen und außerdem wusste davon niemand. Er zweifellos nicht dazu in der Lage sich ein Kostüm zusammen zu stellen. „Eine Kapuze tut doch ihren Dienst im Prinzip auch oder?“ Er klang ein wenig hoffnungsvoll. Er zog es vor nicht allzu sehr aufzufallen.

Für die Zeit, in der Dick Rune musterte, verspannte sich der abermals und entspannte sich erst wieder als Dicks Blick sich wieder normalisierte und er weiter sprach. Der Cyborg überlegte eine ganze Weile und schlug dann vor sich Taraxacum zu nennen. Dick zog fragend die Augenbrauen hoch, dann zuckte er allerdings nur mit den Schultern und lächelte wieder.
"In Ordnung.", antwortete Dick, nahm ihre beiden Gläser und kam zurück zu dem Tisch, an dem Rune saß.
Er stellte das Glas mit Ginger Ale vor Rune auf den Tisch und setzte sich mit seinem Glas in der Hand wieder in seinen Sessel. Einen Schluck  nahm er noch von seinem Drink, dann stellte er es ebenfalls auf die gläserne Tischplatte.
Rune begann sich Gedanken um sein Kostüm zu machen und schien eher zu etwas unauffälligerem zu tendieren. Dick kam das ganz gelegen, denn er hatte vor diesen jungen Mann in die vorderste Reihe zu versetzen, wo er seine unglaublichen Fähigkeiten einsetzen konnte, um die Gegner auszukundschaften.
"Theoretisch können Sie tragen, was sie möchten, allerdings sollten dunkle Farben überwiegen und ihr Gesicht nicht zu erkennen sein.", wies Dick auf das Wichtigste bei der Sache hin.
Er zögerte einen Augenblick, dann fügte er hinzu:
"Ich habe unzählige Kostüme in meiner Sammlung. Ich zeige sie Ihnen gerne, wenn Sie Interesse haben."

Rune war dankbar das Nemesis die Frage nicht aussprach die ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Denn so konnte er sie einfach übergehen und musste sie nicht beantworten. Es musste nicht schließlich nicht jeder wissen das er in seiner Freizeit nichts lieber tat als sich die Flora der Umgebung anzusehen. Kaum einer wusste die beeindruckenden Eigenschaften von Löwenzahn wirklich zu würdigen, aber Rune hatte auch keine Probleme damit sie für sich zu behalten.
Für einen Augenblick beobachtete er die Luftblasen die aus dem Getränk auf sprudelten das Nemesis vor ihm abgestellt hatte. Langsam fielen ihm tatsächlich keine Gründe mehr ein die den Weißhaarigen Anlass dazu gaben ihm heimlich ans Leder zu wollen. Er wirkte sogar recht…sympathisch.
Das Glas war kalt als er es mit den Finger um schloss und an seine Lippen hob um einen tiefen Schluck zu trinken. Es war kein Alkohol in dem Getränk enthalten, aber alleine die Geste ließ ihn ruhiger werden. Außerdem beruhigte ihn die Gewissheit das er sich nicht in neonfarbenen Klamotten auftackeln musste. Im Nachhinein war es albern so etwas überhaupt erst angenommen zu haben. Wer riskierte schon seine Tarnung für ein paar bunte Farben?
Wie jedes Mal wenn Rune an diesem Abend das Gefühl bekam das er sich entspannen konnte sagte Nemesis etwas das ihn aus der Fassung brachte. Dieses Mal zum Glück nicht so gravierend das er wieder anfing um sein Leben zu fürchten. Er war lediglich ein bisschen überrascht das er ihm anbot seinen eigenen Kostümbestand in Betracht zu nehmen. Damit hatte er nicht gerechnet. Das Angebot fühlte sich auf eine sehr seltsame Art und Weise sehr intim an. Mit großen Augen (wobei die Einzahl in diesem Fall wohl zutreffender war, schließlich war sein bionisches Auge zu jeder Zeit weit geöffnet) nickte er mit dem Kopf. Es würde ihm schließlich einiges an Arbeit ersparen. „M-meinetwegen.“
Trotzdem hatte er das starke Bedürfnis schnell das Thema zu wechseln. Dinge die noch nicht geklärt waren gab es zum Glück genug. „Was für Aufgaben haben sie für mich vorgesehen?“ Er faltete seine Hände auf dem Tisch, hörte wie das Glas unter seinem Metallarm knarzte und überging es sich darüber zu ärgern das er nicht besser aufgepasst hatte. Stattdessen verließ er seine sichere Deckung und wagte es sich ein wenig über den Tisch zu beugen. „Bei der Polizei mache ich hauptsächlich die Drecksarbeit in der Spurensicherung die sonst keiner machen möchte und werde darauf angesetzt Diebstähle aufzuklären. Wegen meinem Auge.“ 'Ich habe keine Lust den gleichen Mist zweimal am Tag zu machen' war das was er eigentlich ausdrücken wollte, aber nicht offen aussprach. Durch seine Fähigkeiten fielen ihnen manche Aufgaben sehr viel einfacher als anderen. Das nutzten seine Kollegen gerne als Ausrede um ihn unbeliebte Jobs zuzuschieben.