Campusgelände

Jasons Mahnung kam sehr überraschend. Bisher hatte er sich sehr zurückhaltend und ruhig gezeigt. Das hatte allerdings offenbar seine Grenze. Eilig nickte Teagan als er sie ermahnte über das Folgende Stillschweigen zu bewahren. Die Warnung hätte sie genauso zurück geben können. Wenn Jason Bambi weh tat konnte sie auch für nichts mehr garantieren. Im Moment hatten sie aber zum Glück das gleiche Ziel und außerdem griff sie keine Wesen an, die sie nicht einschätzen konnte. Unter Jasons Haut konnte tatsächlich alles mögliche stecken und besonders mit Wesen, die in die Psyche eindringen konnten war nicht zu spaßen. Das waren die gefährlichsten. Körperlich verletzten konnten viele. Aber mit so einer Fähigkeit konnte man jemanden zum Fall bringen und sein Opfer auch noch davon überzeugen das es alleine die Schuld dafür trug.  Sie verzichtete sogar darauf nachzufragen, denn im Gegensatz zu Arya, war Teagan sich sehr wohl um gewisse Grenzen bewusst.
Das sie ihn gerade eben noch fast verärgert hatte sah Teagan nun mit ganz anderen Augen. Doch er zeigte sich trotz ihrer anfänglichen Spionage kooperativ, obwohl er sie gar nicht kannte. Griff er etwa schon in diesem Moment auf ihren Geist zu?
Schnell kehrte Jasons Erscheinung zu dem ruhigem Wesen zurück, den er schon zuvor vermittelt hatte und berichtete von dem Gespräch das Teagans Familie vor zehn Jahren endgültig entzweit hatte. Sie blinzelte ein paar Mal, dann war das lange verhüllte Bild endlich klar.
"Das ich den Djak sehr ähnlich bin, stand nie außer Frage. Ich habe die Fähigkeiten und das Aussehen eines Djaks. Bambi hat sich mehr als ein Kall identifiziert. Mutters Stolz. Aber das hat ihm dann wohl seine Identität geraubt." Leise fügte Teagan die einzelnen Teile zusammen. "Kein Wunder, das er solche Probleme mit dem Vertrauen hat. Er hat immer gedacht das er der starke Kall wäre. Naja und auf Menschen...waren wir beide damals nicht allzu positiv eingestellt." Ihre Mundwinkel zuckten in die Höhe. Die Regung wirkte fast verzweifelt, so unwohl schienen sich ihre Lippen dabei zu fühlen. So viel Fremdenhass hatte ihre ersten Lebensjahre geprägt. Das ständige Gefühl der Überlegenheit und der tiefe Fall als sie gemerkt hatten, das es nicht so war. Dann die Suche nach einer neuen Identität. Sie hatte ihre in Büchern gefunden und die Vorzüge eines bescheidenden Erdenlebens gefunden, aber da war Jaik zu stolz für.
Sie hatte heute mehr Informationen erhalten als sie erwartet hätte. "Danke für deine Offenheit, aber lass uns nicht länger in der Vergangenheit verweilen. Ich finde die Gegenwart viel interessanter. Es sei denn du hast noch irgendwelche Fragen. Vielleicht schaffen wir es zusammen Bambi zu entschlüsseln." Während sie sprach kehrte ihr Lächeln zurück, am Ende schaffte sie es sogar zu zwinkern.
"Kritzelt er immer noch auf der alten Planetenkarte rum um Plutos Darstellung darauf zu rechtfertigen? Darfst du seine Teleskope anfassen? Ich durfte das nie. Hat er immer noch diesen alten Ordner, denn man nicht einmal von Weitem ansehen darf? Er hat das Ding sogar mit ins Bett genommen." Sie kicherte frech. Sie hatte schon so viele Okulare mit ihrer Brille zerkratzt, das Bambi ihr irgendwann einen eigenen Satz überlassen hatte. Doch von dem Ordner hielt sie sich fern. Sie ärgerte ihn gerne, aber vor dem Ding hatte sie Respekt. Schlussendlich stellte sie endlich die Frage wegen der sie die mehrstündige Zugfahrt auf sich genommen hatte. "Geht es ihm gut?"

Jasons Erzählung schien bei Teagan eine Art Erleuchtung zur Folge zu haben und ihre Anmerkung dazu half Jason wiederum auch das restliche blinde Fleckchen von Jaik zu verstehen. Wobei das wirklich nicht das allerletzte Stückchen war, das Jason an Jaik noch nicht gänzlich erschließen konnte. Allerdings lichtete sich allmählich der Nebel. Sein Blick senkte sich nachdenklich, während Teagan weitersprach. Sie bedankte sich zudem bei Jason für seine Offenheit, schwenkte sogleich aber über zu den heutigen Geschehnissen. In der Hinsicht schien sie wirklich Interesse an dem zu haben wozu ihr Bruder geworden war. Sie fragte allerhand Dinge, die Jason abermals bewiesen, dass sie Jaik doch viel besser kannte, als er zuerst gedacht hatte.
"Ähm... naja...", begann er etwas verlegen und lächelte, während er sich am Hinterkopf kratzte, "Ich verstehe das mit Pluto schon irgendwie und was seine Teleskope angeht, ich glaube ich habe noch nicht einmal danach gefragt sie zu benutzen. Wie schauen uns Sterne meistens einfach so an oder auf Bildern, die er mit dem Teleskop gemacht hat. Den Ordner kenne ich tatsächlich, aber das geht jetzt etwas zu weit. Da fragst du besser ihn, wenn du darüber etwas wissen möchtest."
Jason wollte ja kooperativ sein, aber dieser Ordner schien ein pures Stück von Jaiks Herzen zu sein und es hatte lange gedauert bis Jason sich das Recht verdient hatte es zu sehen. Dieses Vertrauen wollte er nicht missbrauchen und außerdem fand er es auch nicht so relevant, dass Teagan alles von ihm wusste.
"Ich glaube schon, dass es ihm gut geht.", antwortete Jason, als er nach Jaiks Befinden gefragt wurde, "Ich schätze die einzigen Probleme in letzter Zeit habe ich zu verschulden. Manchmal habe ich das Gefühl ich mache ihm nur Ärger."
Jasons Blick senkte sich etwas betrübt. Das Gefühl hatte er wirklich. Nicht, dass Jaik auch schöne Momente mit ihm haben konnte, aber seit Jaik Gefühle für ihn entwickelt hatte, hatte Jason ihn immer wieder enttäuscht und ihm sogar Probleme bereitet. So wie es aussah würde damit auch erst Schluss sein, wenn sie entweder verheiratet und oder nicht mehr auf der Erde wären. Wobei selbst das nicht sicher war.

Sie versuchte es zurück zu halten, doch ein Kichern schaffte es trotzdem über ihre Lippen als Teagan sich vorstellte wie Bambi Plutos Status betrauerte und verzweifelte versuchte den Anlass zu akzeptieren, während Jason ihm verständnisvoll über den Rücken streichelte. Na da hatten sich ja zwei gefunden. Das ging offenbar sogar soweit das Bambi seinen geheimnisvollen Ordner gelüftet hatte. Dabei wollte sie überhaupt nicht weiter nachharken. Es war einfach nur schön zu hören das etwas von dem schrägen Nerd immer noch da war. Sie hatte sich wirklich gesorgt dass das Militär ihn abgestumpft hatte.
Doch ganz so harmonisch wie es sich zunächst anhörte war es nicht. Das hätte sie aber auch stark gewundert. Der Umgang mit Bambi konnte schwierig sein. Sie war sich ziemlich sicher das nicht nur Jason Probleme bereitete.
"Naja, ich kann dir sagen das du, meines Wissens nach, die erste Person bist, der er sich derartig öffnet. Das würde er wahrscheinlich nicht machen, wenn du ihm wirklich nur Ärger bereitest. So selbstlos ist Bambi nicht, das kann ich dir versichern." Vorsichtig tastete Teagan sich vor. Sie legte ihren Kopf schräg und versuchte seinen Blick auf Jasons gesenkte Augen zu erhaschen. "Was habt ihr denn für Probleme wenn ich fragen darf?"

Bei Jasons Antwort bezüglich Pluto kicherte die Dunkelhaarige, was auch Jason ein wenig zum Lachen brachte. Er verstand auch die Komik hinter diesem Festhalten an Pluto. Daraufhin senkte sich sein Blick allerdings, als er an seine Fehler vor Kurzem denken musste. Teagan attestierte ihm jedoch, dass er wohl irgendwie doch etwas richtig machte, immerhin war Jaik immer noch mit ihm zusammen und obendrein war er definitiv nicht der Typ, der sowas aus Nachsicht machte, wenn es immer noch Ärger gab. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf Jasons Lippen, den Blick wagte er allerdings noch nicht zu heben. Auch nicht, als Teagan ihn fragte, um welche Probleme es sich handelte.
"Ich ähm... ich weiß nicht, ob ich das erzählen sollte.", meinte Jason zuerst, dachte dann jedoch daran, dass er es ja sonst niemandem erzählen konnte, also warum nicht Teagan, "Naja, wir... wir sind erst ein zwei Wochen so richtig zusammen und ich bin nicht gerade jemand, der seine Beziehungen öffentlich zeigen will, vor allem nicht, wenn es eine amouröse, homosexuelle Beziehung ist. Sowas wird nicht immer so freundlich gesehen. Ich wollte auch nicht Jaiks Kollegen allzu früh davon unterrichten, aber Jaik ließ nicht locker und meinte ich sollte mich von solchen Ängsten befreien, immerhin würde ja nur seine Meinung zählen. Am Ende habe ich mich breitschlagen lassen, aber bevor ich sie einweihen konnte, haben sie es leider schon vorher herausbekommen und Jaik und mich dann damit bedrängt. Nicht unbedingt negativ, sie hatten es nur gut gemeint, aber ich bin wortwörtlich aus dem Fenster gesprungen, weil mir das dann doch etwas zu weit ging. Ich meine... also... ich... wir... ich meine ich saß noch im Bett und war noch nicht angezogen und die wollten aber unbedingt mit mir reden..."
Ein lautes, resignierendes Seufzen entfuhr Jason und er ließ den Kopf hängen.
"Ich habe da ein wenig übertrieben, ich weiß, aber das war so plötzlich, dass ich ... ich kam darauf einfach nicht klar. Jaik musste mir dann hinterher und irgendwie wurde es dann wieder, aber trotzdem... es war Ärger wegen einer Kleinigkeit.", fügte Jason an und stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab.

Minimal, kaum sichtbar bewegte Teagan ihren Kopf auf und ab als Jason rätselte ob er sie überhaupt einweihen sollte. Sehen konnte er sie ja sowieso nicht, seine Augen klebten an der Tischplatte. Ob sie es nun schaffte ihn unterschwellig zu beeinflussen oder Jason von sich aus nachgab, er schüttete ihr sein Herz aus. Aufmerksam hörte sie zu. Nun bestand wirklich kein Zweifel, das sie über ihren Bruder redeten.
"Carrot und Birdbrain?", seufzte Teagan mit einem verständnisvollen Lächeln im Anflug. "Ja, die beiden können echt...intensiv sein, wenn sie etwas gut meinen." Das war keineswegs positiv gemeint. Doch zumindest hatten die beiden dafür gesorgt das sie bei der Verleihung von Bambis Pilotenschwingen nicht alleine mit ihrer Mutter dasaß, während ihr Bruder an Mom und Torch klebte.
"Das ist keine Kleinigkeit. Hat Frodo ein Stück Metall in die Feuer des Schicksaalsberges geworfen? Nein, es war der eine Ring. Du musst schon die ganze Geschichte betrachten und nicht nur eine Momentaufnahme. Gerade wenn man Angst hat, handelt man eher nicht rational, weil einem die eigenen Dämonen im Nacken sitzen. Das weiß mit Sicherheit sogar Bambi." Hoffentlich verstand Jason im Gegensatz zu seinem Freund Metaphern.  Teagan konnte jedenfalls schwer ohne argumentieren. Wie sollte sie eine Botschaft vermitteln ohne Vergleiche zu ziehen?
"Ich weiß nicht was bei dir diese Angst ausgelöst hat, aber sie wird schon ihre Berechtigung haben. Und auch bei Bambi sitzt das Problem viel tiefer als man augenscheinlich vermuten würde. So tief, das er das wahrscheinlich selbst nicht schnallt. Ja, es mag auch sein Stolz sein, der nebenbei bemerkt auch nur eine Bewältigungsstrategie ist. Aber das ist nicht alles. Er versucht es sich nicht anmerken zu lassen, aber er hat wahnsinnige Probleme im Umgang mit Menschenmassen. Früher hat er ständig die Schule geschwänzt damit er sich bloß nicht mit seinen Klassenkameraden auseinander setzen musste, die übrigens jede Bisswunde verdient haben." Nun zeigte auch Teagan den altbekannten Hoffman-Trotz, inklusive hervorgerecktem Kinn. Nur sie durfte sich über ihren Bruder lustig machen, alle anderen bekamen ihre Zähne zu spüren.
Die Entschlossenheit schmolz zu einem nicht allzu freudigem Lächeln. "Schwer vorstellbar bei dem Streber, oder? Aber er ist über einige Jahre nur so oft zur Schule gegangen, dass sie ihn nicht durchfallen lassen durften und hat ansonsten blau gemacht um im Internet Astrophysik-Vorlesungen anzuschauen.
Ich wette mit dir, er sitzt gerade in der dunkelsten Decke seiner Mensa und versteckt sich hinter einem Buch, damit bloß niemand auf die Idee kommt ein Gespräch mit ihm anzufangen." Ihre Finger krallten sich um den alten Einband, sie konnte dieses Verhalten aus gutem Grund nachvollziehen.
"Einen Schuldigen zu suchen ergibt also überhaupt keinen Sinn. Bambi hat schon wesentlich extremer reagiert als du. Ihr habt beide Angst, aber eure Ängste sind sich gar nicht so unähnlich. Da lässt sich doch ein Mittelweg finden. Vielleicht..." Grübelnd wühlte Teagan durch ihre Haare. "Vielleicht kannst du ihm in solchen Situationen anders das Gefühl geben, dass du bei ihm bist und das es nicht mehr so wie früher wird. Gut ging es ihm mit seiner Strategie jedenfalls nicht. Das versucht er sich nur selbst einzureden. Du bereitest ihm keinen Ärger, zumindest nicht mehr als er zuvor mit sich selbst hatte. Im Gegenteil. Ich weiß nicht wie du das angestellt hast, aber du scheinst eine ganz besondere Wirkung auf ihn zu haben, wenn er dich so nah an sich heran lässt. Immerhin versucht er dich nicht abzuschütteln." Es war nicht ganz klar, wen das überraschend warme Lächeln der kleinen Reptiloidin aufmuntern sollte.

Teagans Reaktion verriet Jason so einiges, zu allererst aber, dass sie wohl auch etwas skeptisch gegenüber dem Verhalten von Jaiks Kollegen war. Zum anderen machte sie Jason klar, dass nicht alles so eng gesehen werden durfte, sonst veränderte sich ganz schnell und radikal die Wahrheit. Es war fast schon etwas gespenstisch, wie sie es zustande brachte aus Jasons Worten zu lesen, dass auch er Ängste hatte und dass manche Probleme ziemlich tief sitzen konnten. Manchmal war Angst sogar eine wichtige Schutzfunktion und sich deswegen manchmal Problemen nicht zu stellen viel leichter als alles zu reflektieren.
Jasons Augenbrauen wanderten mit jedem Satz immer überraschter in die Höhe. Wie alt war Teagan nochmal? Sie klang jedenfalls älter und reifer als Jason und Jaik zusammen, hatte er das Gefühl. So langsam klärten sich für Jason ein paar Dinge auf, die ihm nicht nur halfen Jaik, sondern auch sich selbst besser zu verstehen. Es war fast schon etwas unangenehm, dass sie so viel Verständnis für sie beide aufbringen konnte. Wahrscheinlich, weil sie irgendwie doch immer noch eine Fremde für Jason war, die hier gerade über ihre innersten Ängste und Gefühle sprach. Sie schlug sogar eine Lösung vor, wie Jason Jaik ein wenig unterstützen konnte, gleichzeitig verteidigte sie aber auch Jason dahingehend, dass sie ihn nicht als Nachteil für Jaik sah, obwohl er glaubte ihm nur Ärger zu machen. Nachdem sie am Schluss auch noch lobte, welche besondere Wirkung er auf Jaik hatte, blieb Jason fast eine ganze Minute lang einfach nur starr da sitzen und blinzelte Teagan perplex an.
"Ähm...", begann er schließlich immer noch sichtlich überrascht, fasste sich dann aber langsam wieder, "Nein, eher im Gegenteil. Eigentlich hat Jaik schon von Anfang an Interesse gezeigt, wahrscheinlich weil ich ihm erzählt habe, dass ich auch extraterrestrisch bin. Aber es ist nicht nur das. Ich glaube in manchen Dingen sind wir uns sehr ähnlich, manchmal zu ähnlich, vor allem wenn es um den Kontakt zu anderen Menschen geht. Ich weiß aber auch, dass er mir helfen will, ebenso wie ich ihm. Wir wollen nicht unbedingt große Kontaktpfleger werden, aber vielleicht die Angst etwas reduzieren. Ich wusste nur nicht, dass ich da auch etwas für ihn tun kann. Ich meine, es würde doch helfen, wenn ich zum Beispiel seine Hand nehme, oder? Jedenfalls, wenn ich das Gefühl habe, dass er Angst hat. Ich weiß nur nicht, ob er das überhaupt so weit zeigen oder mir sagen könnte, dass ich reagieren kann."

Ohje, sie hatte doch wohl nicht Jason mit ihrem Monolog außer Betrieb gesetzt? Das war natürlich alles andere als optimal. Wenn Bambi davon Wind bekam konnte sie sich auf etwas gefasst machen. Hatte sie womöglich gerade Hamlets Leben endgültig verspielt?
Doch nach etwas das sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlte, schien der Blondschopf die erhaltenen Informationen endlich verarbeitet zu haben. Der Ausdruck den sein Gesicht dabei zierte erinnerte sie stark an einen gewissen sturen Bock. Jasons Vermutung das Bambi diese Ähnlichkeit von Anfang unterbewusst wahrgenommen hatte, konnte sie jedenfalls bestätigen.
Sie nickte ermutigend als Jason vorschlug seine Hand zu nehmen um ihn zu unterstützen. "Zum Beispiel. Er wird zwar behaupten das er das nicht unbedingt braucht. Aber er behauptet auch, das er keinen Schlaf, geregelte Mahlzeiten und Freizeit braucht. Das macht es ja so schwierig, solche Situationen zu erkennen. Du solltest auf alle Fälle aufmerksam werden wenn er mit den Schultern zuckt. Damit versucht er häufig unangenehme Situationen abzuschütteln. Ein sicheres Zeichen ist es wenn er sich an einem Buch festhält. Wie du vielleicht schon bemerkt hast, habe ich diese Strategie von ihm übernommen." Mit einem Nicken wies sie in Richtung ihres Begleiters aus Papier, der nun unten ihren locker gefaltenen Fingern lag. "Bücher sind unsere Schilder. Sie bieten uns nicht nur ein Versteck und einen Fluchtweg, sondern auch Halt." Normalerweise sprach Teagan nicht so offen, allerdings sprach sie generell selten mit jemanden. Sie beobachtete lieber und Bambi hatte sie mit Abstand am längsten beobachtet.
"Versuchs einfach. Schaden wird es bestimmt nie. Du kassierst vielleicht hin und wieder einen belustigten Kommentar, aber das ist nur seine eigene Unsicherheit. Zusammen kriegt ihr das schon hin. Ihr habt doch ein Ziel. Wir leben im 21. Jahrhundert. Das ist einfacher als jemals zuvor. Du kannst ihm sogar jetzt schreiben das du ihn vermisst oder das du gerade an den Mars Rover gedacht hast, der alleine auf einem leblosen Planeten sein Dasein fristet. Keine Ahnung, worüber ihr euch sonst unterhaltet. Zeig ihm einfach das er nicht alleine auf diesem Planeten ist. Lass dich nicht von seiner schroffen, pragmatischen Hülle abschrecken, er ist in erster Linie ein Träumer, der sich nach Bestätigung sehnt." Ihre gesammelten Informationen waren bei Jason einfach besser aufgehoben. Immerhin hatte sie nicht so einem Zugang zu Bambi. Zum Glück war sie auch nur ein kleines bisschen eifersüchtig deswegen. "Und vergiss' bitte nicht nach Hamlet zu gucken, wenn du die Gelegenheit dazu hast!"

Offenbar war auch Teagan der Meinung, dass Händchenhalten seinen Zweck erfüllen würde. So langsam war Jason eindeutig überstimmt und er gab sich mit einem leichten Seufzen geschlagen. Teagans Tipps waren schon nicht schlecht, sie schien Jaik wirklich zu kennen und hatte sich offenbar auch ein paar kleinere Dinge von ihm abgeschaut. Trotzdem wirkte sie sozial deutlich kompetenter als Jason sich selbst oder Jaik einschätzte. Außerdem konnte sie reden wie ein Wasserfall und kam ständig mit neuen Ideen und Analyseversuchen von Jaiks Psyche. Irgendwann lächelte Jason einfach nur noch mit weit hochgezogenen Augenbrauen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Ob er sich das alles merken könnte?
Eine Sache hatte er nämlich schon vergessen, woran er nun vom plötzlichen Aufbruchfieber vieler Mitstudenten erinnert wurde. Sein Blick huschte schnell zur Uhr über dem Ausgang und ein leiser Fluch verließ seine Lippen. Ebenso rasch wandte er sich wieder an Teagan und lächelte wieder verlegen.
"Sorry, aber ich muss gleich weiter. Ähm... danke für alles, ich werde versuchen es zu beherzigen.", begann er sich zu entschuldigen und zückte dann noch schnell einen Stift, um neben die Zeichnung der Glyphen seine Handynummer zu kritzeln, "Du kannst mir ja simsen, wenn du was herausgefunden hast oder... allgemein. Ich hoffe nur Jaik kriegt wirklich keinen Anfall, wenn ich ihm dich als Übersetzerin vorschlage."

Überall um sie herum knarzten Stühle und das Hintergrundrauschen der Gespräche verlagerten sich allmählich nach draußen. Für Teagan hieß dass das sie sich langsam auf den Weg machen musste, wenn sie rechtzeitig in Cardiff sein wollte. Jason verabschiedete sich mit einem Dank und seiner Handynummer.
„Ich habe zu danken. Hätte ich gewusst das du so offen mit mir sprichst, hätte ich mir die Maskerade sparen können.“ Sie zückte ebenfalls einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche um ihre eigene Nummer auf eine Serviette zu schreiben. „Vergiss nicht mir noch mehr Texte zu schicken,dann haben wir das Ding ruck zuck entschlüsselt. Bambi wird wirklich nicht wütend sein. Was immer da steht, wird viel interessanter sein als ich.“ Schmunzelnd schob sie Jason die Handynummer zu und faltete seine ordentlich zusammen um sie in ihrem Buch zu verstauen. Dann stand sie auf. Ihre schimmernden Augen verdunkelten sich zu einem tiefen Braun. Ihre Haare hellten dafür auf, bis der tiefschwarze Glanz gänzlich hinter einem schnöden Braun verschwunden war. Sie war bereit dazu wieder in der Masse zu verschwinden.
Bevor sie ging geriet sie in Hadern und führte einen kurzen Blickdialog mit der Tischplatte. Bambis Gefühle analysieren war eine Sache, über ihre eigenen Gefühle sprechen eine ganz andere. Hierbei wollte sie allerdings nicht dem Beispiel ihres Bruders folgen. Sie hob den Blick, sie lächelte jedoch nicht. Stattdessen blickte sie ernst drein. Denn das folgende war ernst gemeint und sie wollte die Bedeutung nicht mit einer Mimik, die sich nur allzu leicht fälschen ließ, verwischen. „Ich bin wirklich froh das er dich hat. Ihr beiden Bruchpiloten scheint gut zusammen zu passen.“ Sie hatte zumindest etwas wesentlich schlimmeres erwartet. Die Sorge das ihr Bruder Opfer eines Incubus geworden, konnte sie jetzt zumindest begraben.
Mit einem Lächeln verabschiedete sie sich. „Vielleicht können wir ja wirklich irgendwann zusammen Witcher zocken.“, schlug sie plötzlich wieder ganz schüchtern vor. Beim letzten Mal hatte er diese Frage ignoriert, doch dieses Mal war sie schneller und verschwand winkend in einem Pulk Studenten.

Teagan schien Verständnis für seinen schnellen Aufbruch zu haben, aber wirklich überrascht war Jason erst, als sie sich bei ihm bedankte und ihn als offen bezeichnete. Im Austausch gab sie ihm auch ihre Nummer und die Bitte ihr noch mehr Texte zu schicken. Jason nickte zustimmend, immer noch etwas perplex von dem vorherigen Lob. Er nahm die Serviette mit Teagans Nummer und steckte sie in seine Tasche. Als er wieder aufsah, verschwand deren Gestalt gerade unter ihrer Tarnung von vorhin. Ein wenig neidisch wurde Jason bei dem Anblick schon. Wie gerne hätte er die Möglichkeit sich zu tarnen.
Bevor Teagan und er sich trennten, hatte sie noch ein paar etwas ernstere Worte für ihn übrig. Auch wenn sie ernst klangen, brachten sie Jason eher dazu hochrot anzulaufen und sich verlegen am Hinterkopf zu kratzen.
"D-Das von dir zu hören, bedeutet mir viel.", quetschte er schüchtern hervor und versuchte sich an einem kleinen Lächeln zum Abschied, "Ich glaube dir könnte Overwatch auch gut gefallen."
Damit war die Braunhaarige auch schon lächelnd verschwunden. Jason merkte erst da wie verrückt das gerade gewesen war. Jaiks Schwester machte sich offenbar wirklich mehr als keine Sorgen um ihn. Das Bild, das er bisher von Teagan bekommen hatte, war offenbar nur ein winziger Teil gewesen. Besonders freute ihn aber, dass sie seine Beziehung mit Jaiks gut hieß. Das war wie die kleinere Version des Gütesiegels, das er sich irgendwann von ihren Eltern holen wollte. Vielleicht fand er auch bei ihnen die richtigen Worte, um sie zu überzeugen.