Freier Raum

Sie stammelte inzwischen einfach nur noch vor sich hin… Sie hatte keinen Plan, was sie da sagte, oder besser gesagt, was sie sagen sollte! Sie war nie besonders gut darin gewesen jemandem ein Liebesgeständnis zu machen… bisher hatte es sich einfach so ergeben! Sie hatten mehrfach rumgeknutscht, sich getroffen… und irgendwann war man einfach zusammen! So war es in der Regel abgelaufen, doch jetzt musste es schneller gehen und vor allem anfangs unauffälliger! Da konnte man sich nicht einfach ins Eiscafé hocken und gemütlich ein Eis schlecken! Oder Hand in Hand quer über den Pausenhof laufen! Unmöglich! Klar, sie wollte das Ganze auffliegen lassen, aber erst in einem geeigneten Moment! Vorher wollte sie wenigstens noch ein wenig Spaß haben! Immerhin sah der Lehrer nicht grade schlecht aus! Da konnte man sich doch wohl noch ein wenig Spaß gönnen, oder?  
Außerdem war das ganze doppelt schwer durch die Tatsache, dass sie ihn nicht wirklich liebte. Sie musste ihm etwas vor machen und zusätzlich ein Liebesgeständnis? Es würde nicht leicht werden nicht all ihre Prinzipien über einen Haufen zu werfen! Sie wollte diesen Mann nicht anlügen, genau so wenig, wie jeden anderen! Und dann ein falsches Liebesgeständnis? Wie sollte das gehen? Wenn er nicht bald irgendetwas tat, würde er sie dazu treiben genau das zu tun, was sie am meisten verabscheute: Ihn anzulügen!
Doch zum Glück regte er sich in diesem Moment… und küsste sie. Sie war schon überrascht, wenn auch positiv! Diese Reaktion war gut, sehr gut! Glücklich über dieses Ergebnis ihres peinlichen Gestammels erwiderte sie den sehr intensiven und Leidenschaftlichen Kuss. Seine Hände hielten ihr Gesicht fest. Sie waren warm, um nicht zu sagen heiß! Genau, wie sein Atem, den er ihr ins Gesicht stieß. Doch verwunderte sie dies kaum, denn dass er kein Mensch war wusste sie bereits seit dem Moment, in dem er sie auf der Moon Akademie willkommen geheißen hatte.  Die Hörner waren einfach zu Gehörnt, als dass er als Menschlich hätte durchgehen können! Sie empfand es nicht als unangenehm, seinen Atem ins Gesicht gepustet zu bekommen, er hatte zum Glück keinen Mundgeruch, dies hätte ihren Plan weiter verkürzt! Und die Kuss Zahl aufs Minimum reduziert! Es war einfach widerlich jemanden mit Mundgeruch zu Küssen! Allerdings fand sie den Geruch doch etwas merkwürdig. So qualmig, rußig! War er etwa Raucher?
Hm.. dafür schien sein Waschmittel recht gut zu sein, oder Shampoo, denn der Rest roch nicht so… Natürlich wusste sie, wie Raucher rochen! Sie rauchte selber zwar nur gelegentlich, doch mehr als die hälfte ihrer Freunde daheim qualmten. Um dem auf den Grund zu kommen hätte sie am liebsten an ihm rumgeschnüffelt, denn im Moment konnte sie beim besten Willen nur sein Parfum und den rauchigen Atem riechen! Naja, sie würde schon noch dahinter kommen, vielleicht gab es auch einen ganz anderen Grund dafür!
Schon löste sich der Lehrer von ihr, als wäre er soeben erst seiner tat bewusst geworden. Er starrte sie völlig entgeistert an, als fiele er aus allen Wolken. Der Anblick wäre zum Wegschmeißen gewesen, wäre die Situation nicht so ernst… naja zumindest für ihn… Jane erhielt ihre Maskerade allerdings aufrecht und genehmigte dem Männlein in ihrem Kopf nur ein kurzes, schnaubendes Lachen, bevor sie es wieder schweigen ließ. Sie wartete darauf, dass er etwas sagte und fuhr sich nervös durch die Haare, wobei sie den Ohnehin schon ein wenig zerflatterten Zopf gänzlich zerstörte. Mist, das hatte sie vergessen! Weiterhin sah sie den Lehrer ängstlich und erwartungsvoll an, doch das schweigen zog sich in die länge…

Wieso er sich in diesem Moment dazu entschieden hatte nicht mehr nachzudenken war selbst dem Drachen ein Rätsel. So viele Überlegungen und Möglichkeiten waren durch seinen Kopf geschwirrt, dass sie ihn verrückt gemacht hätten. Er hatte sich selbst dazu gebracht aufzuhören, doch die Gefühle waren nicht verschwunden. Und dann hatte er Jane geküsst. Warum hatte er sie geküsst? Das zeigte ihr doch nur, dass es richtig war, was sie mit ihm angestellt hatte! Und das er ebenso empfand! Empfand er denn ebenso? Er hatte gedacht, dass das für ihn nicht möglich war. Er war ein Drache. Er verliebte sich nicht von einem Moment zum anderen. Er war an die Schule gekommen um zu unterrichten, er war in die Menschenwelt gekommen um sie zu studieren. Und nun stand er dort, in dem komplett verlassenen Raum, hielt mit seinen Händen das Gesicht einer Schülerin und küsste sie. Es gab so vieles, was an dieser Situation so verkehrt war.
Vielleicht gab es die Chance, er könnte sich einreden, dass er auch die Liebe studieren würde. Doch selbst wenn er sich in eine solche Ausrede flüchten wollte, es gäbe stets genug, das dagegen sprach. Wieso eine Schülerin? Wieso an derselben Schule, wo er mit den Schülern umzugehen lernen wollte? Es gab genug Begründungen dafür. Er konnte sich selbst nichts vormachen. Dazu war er ein zu intelligenter, zu nachdenklicher Mensch. Er schlug sich seine eigenen Theorien stets selbst aus, lieferte sich oft mit sich selbst einen Gedankenschlagabtausch. Er konnte sich nichts vormachen. Er küsste eine Schülerin die er erst vor sehr kurzer Zeit kennen gelernt hatte. Und  ihm gefiel es. Das durfte nicht sein, das durfte er nicht zulassen. Erst hatte er Jane versucht zur Vernunft zu rufen, jetzt musste er es mit sich selbst tun.
Er löste sich von ihr, stand dort, starrte sie an, fassungslos. Über sich selbst. Über seine Tat. Über ihre Tat. Das, was die beiden getan hatten. Seine Augen waren weit aufgerissen, er schaute in ein erwartungsvolles, wenn auch etwas ängstliches Gesicht. Sie wartete auf eine Reaktion von ihm. Er reagierte nicht. Er arbeitete. Sein Verstand arbeitete.
Er musste gehen. Er konnte nicht länger bei diesem Mädchen bleiben. Sie war nicht gut für ihn. Das alles hier war nicht gut für ihn. Die Schule. Er wollte sie herumführen, ihr alles zeigen… Das konnte sie sich aus dem Plan streichen. Er brauchte Luft. Zum Atmen.
Er begann auf der Stelle vor ihr her zu laufen, wie er es immer machte wenn er in Gedanken beschäftigt war. Er verschränkte die Arme vor der Brust, fuhr sich mit den Fingern das schlanke Kinn entlang, stierte den Boden unter seinen Füßen an, dachte nach. Er murmelte dabei leise vor sich hin, beachtete die Pinkhaarige gar nicht mehr. Er stritt mit sich selbst. Innerlich. Man konnte es ihm ansehen.
Er traf eine Entscheidung. Es lief alles fast mechanisch ab, sein Körper hatte mit einem Schlag gemerkt was das alles hier für ein fataler Fehler war. Er musste erst von Ort und Stelle weggebracht werden, dann konnte er sich mit sich selbst auseinandersetzen. Und die Gefühle brodelten auch wie verrückt unter der Oberfläche, unter dem streng guckenden Jayden, der versuchte seine Gedanken sinnreich zu ordnen. Doch momentan sperrte er das alles von sich weg, es war fehl am Platz. Er durfte jetzt nichts fühlen, sonst begab er sich in noch größere Schwierigkeiten als er eh schon war. Schlagartig drehte er sich wieder zu seiner Schülerin um, sah sie an. Sein grüner Blick sprach Bände und doch verriet er nichts. Jayden hatte es innerhalb sehr kurzer Zeit geschafft, sein komplettes innerliches Gefühlschaos vor sich selbst zu verschließen, damit er erst einmal aus dieser Situation herauskam. Sein Gemurmel verstummte.
„Ich… Muss gehen…“ war alles, was der labile Drache noch sagte, bevor er sich die Haare raufend den Raum verließ und schnellen Schrittes den Flur entlangging, um kurz darauf in Richtung des Treppenhauses aus dem Sichtfeld zu verschwinden.

Tbc: Wohnhaus der Lehrer - 1. Stock - Jaydens Zimmer

Sein Kuss war so intensiv! So Leidenschaftlich, wie sie es ihm niemals zugemutet hätte! Ist er doch so gefühlskalt gewesen bei den beiden letzten malen im vergleich zu diesem Kuss! Bei den vorherigen hätte es sich beinahe genauso angefühlt, wie einen Stein zu küssen, er ist hart und angespannt gewesen! Hatte beinahe jeden weiteren Kontakt gemieden, schon als sie sich an seine Hand lehnte, war es zu viel gewesen… Nun aber umfassten seine Hände ihr Gesicht, sogen es zu sich heran, seine Lippen schienen gar nicht genug von den ihren bekommen. Er war voller geschmeidiger Spannung, nicht steif, sondern beweglich wirkte beinahe süchtig nach der Berührung ihrer Lippen…  
Sie musste zugeben, dass er kein schlechter Küsser war, wenn auch nicht der beste, mit dem sie jemals herumgeknutscht hatte! Ha er schon einmal eine Freundin gehabt? Bestimmt! Schließlich muss auch er eine Jugend gehabt haben…  Auch, wenn die wohl anders abgelaufen sein dürfte, als die eines normalen Menschen… Ober hatte er etwa eine Freundin? Oder gar Frau?? Darüber hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht! Oh man, was hatte sie sich nur dabei gedacht einen Lehrer zu verführen?! Verdammte Kacke… am ende stand sie da und musste sich mit einer Zickigen Freundin herumschlagen! Obwohl… hätte er sie dann überhaupt geküsst? Vielleicht… sie hatte schließlich auch schon fremd geküsst… ist immer eine gute Medizin gewesen, wenn es grade nicht so gut lief… auch wenn es anschließend meistens aus war, aber dann hat sie wenigstens nicht mehr diesen stress gehabt! Wer weiß, vielleicht ging es ihm ähnlich? Sie hatte im Prinzip nichts gegen Affären, sie fand sie spannend und hatten einen Gewissen reiz… vor allem diese hätte einen schließlich stünde dann ein Doppeltes Tabu-schild zwischen ihnen! Einmal, dass er ein Lehrer war, was sie schon ein wenig reizte, und dann auch noch eine Freundin… Aber die waren nervig, wenn sie es herausfanden! Und auch sonst konnten sie verdammt nerven! Sie kannte das… sie hatte schon einmal eine Affäre gehabt, aber die hatte nicht lange gehalten, weil die Freundin ein ziemlicher Kontrollfreak gewesen ist… Er hatte den Druck nicht mehr aushalten können und ist unheimlich nervig geworden, da hatte Jane mit ihm Schluss gemacht, was die Freundin nur leider mitbekommen hat… Tja, dann stand er schließlich ohne Braut da, aber das ist Jane letztendlich egal gewesen.
Aber warum musste Jane grade jetzt über eine Freundin nachdenken??  Selbst wenn, sie wäre kein Hindernis! Zumindest nicht für Jane! Schon löste sich der Lehrer von der Pink haarigen. Er sah extrem verstört aus, was sie keineswegs überraschte, denn sie hatte das Chaos gespürt während des Kusses. Sie schwiegen sich eine Zeit lang an, keiner wusste, was er sagen sollte. Schließlich begann Mr Sanders auf und ab zu laufen, mit hoch konzentriertem Gesichtsausdruck, sie beobachtete ihn dabei mit undurchdringlicher Miene. Sie wollte etwas sagen, das Schweigen war ihr extrem unangenehm, doch hatte sie keine Idee, was sie sagen konnte! Nein, er würde wohl zuerst den Mund aufmachen müssen.  Er murmelte zwar die ganze zeit vor sich hin, doch war es unverständliches Zeugs, zu leise, als dass sie es verstanden hätte. Schließlich drehte er sich zu ihr herum. Er sah genauso durcheinander aus, wie nach dem Kuss, kein bisschen schlauer, als vor seinem herum gelaufe. Er meinte stockend er müsse gehen, bevor er ohne eine weitere Erklärung an ihr vorbeirauschte und im Treppenhaus verschwand. Sie blieb stehen. Hatte sie nun alles versaut? Nein, vielleicht nicht… er brauchte nur ein wenig ruhe… aber nicht zu viel! Bevor er noch zu falschen Schlüssen kam! Sie würde ihm später folgen, sie musste reden! Eine andere Möglichkeit sah sie nicht.

Tbc: Wohnhaus der Lehrer – 1. Stock – Jaydens Zimmer