Mensa

Jaik entgegnete, dass Steven seiner Meinung nach keine Manipulation, sondern eine Umwerbung im Sinn hatte. Jason wollte schon mit gerunzelter Stirn abwehrend den Kopf schütteln, doch dann gab Jaik nach und das auf so bemitleidenswerte und zugleich doch erzürnende Art, dass Jason bei diesem Verhalten seines Partners einfach nur perplex dreinschauen und ungläubig blinzeln konnte, ehe sein Gesicht wieder bitterernst wurde.
"Du warst doch dabei, du hast doch gehört, was ich zu ihm gesagt habe oder? Ich hatte noch nie Interesse an ihm. Wenn überhaupt, dann habe ich es nur zugelassen, weil es wie eine spielerische, unschuldige Sache wirkte. Ein harmloses Experiment. Aber es ist nichts passiert, da war kein Moment mit Herzklopfen oder das Gefühl, das ich bei dir habe, wenn du mich küsst. Darum verstehe ich nicht ganz, warum du das so eng siehst und dann auch noch versuchst Streit mit ihm zu haben.", entgegnete Jason und seufzte hörbar genervt, "Und selbst, wenn er mir täglich einen Liebesbrief schreiben würde, könnte dir das herzlich egal sein. Du weißt, was ich für dich fühle, was du für mich bist und was ich für ihn übrig habe und was er für mich ist. Klar, hat es mich überrascht, dass er immer noch ein gewisses Interesse hat, aber er verhält sich ganz normal. Vielleicht wirkt es für dich nur so zwielichtig, weil du denkst du müsstest mit ihm konkurrieren, dabei musst du das gar nicht. Das kann er auch gar nicht und das müsstest du eigentlich wissen."
Jason atmete hörbar aus und seufzte dann leicht genervt, bevor er sich mit der rechten Hand durch die blonde Mähne strich. Jaik schien mit der ganzen Situation jedoch immer noch nicht zufrieden und merkte an, dass Jason es sich viel einfacher machen könnte. Diese Worte ließen abermals Jasons Stirn zu Runzeln werden.
"Und was wäre die einfache Lösung? Keinen Kontakt mehr zu Leuten haben, die sich vielleicht für mich interessieren könnten? Oder am besten gar keinen zu irgendwem? Ich habe noch zwei nette Kommilitoninnen im Immunologiekurs, mit denen ich Dienstags immer meine Freistunde verbringe. Willst du die vielleicht auch kritisieren? Was erwartest du von mir?", spuckte Jason es schließlich aus und blickte Jaik entrüstet an.

Jaik senkte den Blick. Allerdings nicht schuldbewusst, sondern starr. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten sich an die von Jason erwähnte Nacht zu erinnern. Mit dem Auftauchen von Steven war jedes Detail wieder präsent gewesen. Er mochte es nicht daran zu denken. Für Jason hatte der Kuss vielleicht keine Bedeutung, aber für Jaik markierte er den Punkt, an dem sein sicheres Gefäß zersplittert war. Ein Gefäß, das ihn Jahrelang geschützt hatte.
Jetzt standen die Dinge vielleicht anders als in jener Nacht, aber davon hatte Jaik an diesem Tag nicht viel gespürt. Er war viel mehr dazu gezwungen dieses erniedrigende Spiel weiterzuspielen. Dabei hatte weder er noch Jason einen Grund sich zu verstecken. Anstatt zu sehen, was dieses Versteckspiel mit ihrer jungen Beziehung machte, wurde Jason immer wütendender. Bis zu einem Punkt an dem auch Jaiks Beherrschung aufgebraucht war. „Darum geht es überhaupt nicht! Ich habe nicht vor dir irgendetwas zu verbieten. Im Gegenteil, ich mache nur für dich bei diesem dämlichen Versteckspiel mit! Aber es müsste nicht zu solchen Missverständnissen kommen! Hast du überhaupt eine Ahnung was er mit mir macht dich mit ihm zu sehen? Dieser verdammte Kuss hat mich zwei Wochen verfolgt!”
Und so verlor Jaik ein weiteres Mal an diesem Tag seine Fassung. Mit dieser Erkenntnis kam sofort die Scham. Es war das kallaxische Temperament das ihm das Steuer aus der Hand gerissen hatte. Er schloss die Augen. Als er ausatmete, zitterte sein Atem. Doch sein Blick war wieder gefasst und sein Kreuz gerade. Es war noch nicht zu spät dieses erneute Scheitern auszubügeln. “Tut mir leid. Es ist unreif und irrational von mir deswegen so einen Aufstand zu machen. Das führt zu nichts. Ich kriege das noch in den Griff.”

Erst senkte Jaik den Blick und starrte auf Jasons Schuhe, dass der bereits fürchtete Jaik würde gleich die Flucht ergreifen, doch es kam ganz anders. Jaik erhob seine Stimme und entgegnete Jason, dass er das von vorhin so überhaupt nicht gemeint hatte. Er wollte Jason nicht seine Freunde streitig machen oder verbieten, für ihn spielte er ja sogar ihr Versteckspiel mit. Aber genau das war das Problem. Ihn störte nicht, dass Jason per se Zeit mit Kommilitonen verbrachte, die er mochte. Sondern, dass er Zeit mit dem Kerl verbrachte, der ehemals und vielleicht immer noch um ihn warb und Jaik damit ständig daran erinnerte, was da mal zwischen ihnen passiert war.
Jetzt weiteten sich Jasons Augen und schuldbewusst senkte er den Blick, während er sich auf die Unterlippe biss. Wenn das so war, dann... Doch ehe Jason sich entschuldigen konnte, ruderte Jaik zurück und bezeichnete sein Verhalten als unreif und irrational. Mit immer noch großen Augen schaute Jason nun erschrocken zu Jaik auf und hob abwehrend die Hände.
"Nein, nein. Ich... ich wusste nur nicht, dass dir die ganze Sache immer noch so zusetzt. Wenn es wirklich so ist, dann verstehe ich deine Reaktion zumindest. Und die ist sicher nicht unreif und irrational. Ich meine, ja, deine Angst, dass ich vielleicht etwas mit ihm anfange, ist unberechtigt, aber ich verstehe zumindest, warum ihr keine Freunde werdet. Trotzdem. Ich hatte nie so viele Freunde und jetzt habe ich die Möglichkeit mehrere Freundschaften zu haben, was aber problematisch ist, zumindest bei euch beiden, weil ihr euch nicht riechen könnt. Das liegt aber nur an mir und nicht an euch beiden. Steven ist vollkommen in Ordnung und du erst recht, aber wegen mir denkt ihr beide voneinander wie die schlimmsten Feinde.", sprang Jason ein und seufzte dann resignierend, "Es tut mir Leid, wenn dir das so zusetzt. Daran habe ich nicht gedacht."
Nun tat Jason einen Schritt auf Jaik zu und legte auch seine andere Hand in Jaiks Gegenstück.
"Du willst das nicht, das verstehe ich, aber bitte versteh auch mich. Ich finde es nicht gerade leicht das mit uns öffentlich zu machen, vor allem wenn wir ja selbst noch nicht so eingespielt sind.", gab Jason zu und atmete hörbar aus.

Damit das ihm die Draconiden-Nacht noch immer so aufwühlte hatte Jaik natürlich auch nicht gerechnet. Das es derartige Turbolenzen bei ihm auslösen würde an Stevens Existenz erinnert zu werden hatte er deswegen nicht einkalkuliert. Genauso wie Jason, den diese Erkenntnis aus den Hinterhalt zu treffen schien. Es war also nicht normal dass die Erinnerung an den Kuss immer noch die Regionen in seinem Gehirn die für Angst, Schmerz und den ganzen Blödsinn zuständig waren stimulierte? Na großartig, er war also nicht nur nicht immun gegen seine Emotionen. Nein, er war auch noch überdurchschnittlich sensibel. Nicht nur Steven war ein Störfaktor in dieser Geschichte. Auch seine Emotionen. Jason betonte zwar das er sein Verhalten nicht als unreif und irrational empfand, aber das ließ nur Jaiks Augenbraue ungläubig zucken. Was war es dann? Jaik ärgerte es unglaublich das ihn das Ganze so affektierte und als Jason einmal beteuerte das er keine Ahnung gehabt hatte zuckten seine Schultern abermals in die Höhe. Dabei schaute er so grimmig drein als hätte eine gerade eine fatale Diagnose erhalten. Er musste sich mehr anstrengen, dann funktionierte das mit er Beherrschung sicherlich auch wieder.
Das war allerdings nicht der einzige Rechenfehler den ihm dieses Aufeinandertreffen aufgezeigt hatte. Theoretisch musste er in der Öffentlichkeit nur ein bisschen Distanz wahren, um Jasons Wunsch zu entsprechen. Das war unschön, aber machbar. Zumindest hatte er das gedacht bevor er festgestellt hatte das es ihn physisch derartig zu Jason hinzog. Als wären sie zwei Billardkugeln im interstellaren Raum. Der nächste Stern ein Lichtjahrtausend entfernt.
Starr richtete er seinen Blick auf Jasons Hände die ihn nun beide festhielten. Damit rief er ihm in Erinnerung wie schwach er inzwischen solchen Berührungen gegenüber war. Wie sollte er das nur jemals in den Griff kriegen?
„Ich versuche es zu verstehen. Jedoch ist mir schleierhaft wie sich etwas einspielen soll, wenn wir es ständig unterdrücken und leugnen.“ Jaiks Lippen wurden hart. Jasons Blick weichte er weiterhin aus. Ein roter Schimmer schlich sich auf seine Wangen. „Nicht das es wichtig wäre...“ ,flunkerte er, in der Hoffnung sich dabei selbst zu überzeugen. „...aber ich dachte das zumindest eine Umarmung zur Begrüßung drin wäre.“

Es bildete sich ein harter Klos in Jasons Hals, als er merkte wie Jaik begann dicht zu machen. Egal, was Jason auch sagte, Jaik schien dadurch nicht verträglicher, sondern nur noch unzufriedener zu werden. Sein Blick wurde so grimmig, dass Jason kurz überlegen musste, ob er Jaik jemals so finster dreinblicken hatte sehen. Jason wartete nur noch darauf, dass Jaik ihm wütend seine Hände entzog und davon stürmte. Instinktiv lockerte Jason seinen Griff und wollte schon seinerseits Jaiks Hände losgeben, da erhob dieser wieder seine Stimme und erklärte Jason, was er von der ganzen Sache hielt.
Etwas überfragt hob Jason die Augenbrauen und versuchte Jaiks Blick auf sich zu lenken, doch der wich ihm immer wieder aus. Es ging also doch um mehr als nur die Feindschaft mit Steven und Jasons Freundschaft mit ihm. Diese kleine Bitte es erst einmal geheim zu halten, entwickelte sich so langsam zu einem riesengroßen Gefallen, zumindest kam es Jason langsam so vor. Er schien da etwas von Jaik zu verlangen, das dieser zwar bereitwillig tat, jedoch nicht aus Überzeugung, sondern nur für ihn. Für ihn hatte diese Bitte nicht gerade viele Vorteile, sondern eher Nachteile und nicht zuletzt deswegen, weil nicht jedes Detail vorher geklärt worden war. Das, musst Jason zugeben, war leider sein Verschulden gewesen.
"Ich... ich will es nicht unterdrücken oder leugnen, aber auch nicht damit hausieren gehen.", erklärte Jason und nahm nun seine Hände wieder an sich, um sich nachdenklich durch die blonde Mähne zu streichen, "Eine Umarmung wäre da noch in Ordnung, aber du hast mich vorhin ziemlich überrascht und ich wusste im ersten Moment nicht so ganz, was ich jetzt tun soll. Zumal ich mir selbst noch nicht sicher war, ob ich Steven von uns erzählen wollte. Ich bin mir nicht sicher, wem er es weiter erzählt, daher denke ich, werde ich es ihm vorerst nicht sagen. Aber das heißt nicht, dass ich sofort Nein rufen würde, wenn ..."
Dann hielt Jason inne und senkte schuldbewusst den Blick. Er hatte es schon getan. Als Steven ihn vorhin direkt gefragt hatte, hatte er tatsächlich sofort nein gesagt, obwohl das geradewegs gelogen war. Jetzt fluchte Jason innerlich vor sich hin.
"Ich ähm... tut mir Leid. Ich muss mir da wirklich eine Strategie ausdenken. Ich will auch nicht, dass du von mir vollkommen kühl behandelt wirst. Ich will eher... dass es so ist wie früher. Also, dass wir einfach gute Freunde sind, solange wir in der Öffentlichkeit sind. Hier, wo uns keiner sieht, ist das was anderes, aber da draußen vor so vielen Leuten...", setzte Jason wieder an, dieses Mal jedoch mit deutlicher Unsicherheit in der Stimme, "Zumindest in der Uni, bitte. Vorerst jedenfalls. Vielleicht bis ich ein Senior bin, dann ist das nicht mehr so tragisch."

Mit ihrem Verhältnis hausieren gehen wollte Jaik auch nicht. Er wüsste überhaupt nicht wozu. Ihr störte es eher einen Teil von sich zu verstecken. Als Kind hatte es gehasst nicht von seiner Herkunft reden zu können, dabei sprach er so gerne von den Themen die ihn faszinierten. Er wollte sich nicht wegen Anderen einschränken, erst recht nicht bei etwas das eigentlich nicht versteckt werden sollte.
Doch bevor er Jason darüber aufklären konnte ließ der ihn verstummen indem er ihm einen großen Schreck einjagte. Perplex schaute Jaik auf seine nun leeren Hände. Was sollte das denn jetzt? Nun wagte er es wieder Jason anzusehen. Er forderte eine Erklärung!
Doch offensichtlich hatte Jaik Jason mit seinem Erscheinen nicht minder überrascht. Das war eine Miskalkulation seinerseits gewesen, allerdings hätte er auch nicht angenommen das er Jason damit in so eine Bedrohlie brachte. Er wirkte immer unsicherer, sprach von Tragik, datierte den Zeitpunkt an dem der Heimlichtuerei ein Ende haben würde wieder nach hinten und wünschte sich shcließlich das sie sich einfach wieder wie früher verhalten würden, zumindest vor anderen. Es war nicht das erste Mal das Jaik das von ihm hörte. Er verstand diese Unsicherheit nicht, aber er wollte für Jason ein Fels sein an dem er sich festhalten konnte. Deswegen sperte Jaik seine eigenen Emotionen in den Schrank zurück. Angst konnte er immer noch haben nachdem er dem Sturm getrotzt hatte.
„Tut mir leid. Ich wollte dir eine Freude machen indem ich dich überrasche. Sehen wir es einfach als gescheiterten Versuch an.“ Er verfolgte weiterhin die Ansicht das es nur zwei Faktoren gab die sie auseinander bringen konnte. Doch jetzt wo er Jason so unglücklich sah, war es sich bei dem einem nicht mehr so sicher wie noch vor einigen Tagen. „Ich möchte nur wissen...willst du das wirklich?“ Jaiks Adamsapfel zuckte hektisch, ansonsten blieb er gefasst. Er hatte Jason versprochen ihre Verbindung nie aufzugeben, das hieß auch sich einzugestehen das sein gewünschter Weg vielleicht nicht umsetzbar war. „Wir müssen das nicht machen, wenn es dich unglücklich macht.“

Allmählich schienen sie sich einem zumindest ansatzweise versöhnlichen Ergebnis zu nähern. Zumindest hatte Jason dieses Gefühl, als Jaik nun endlich den Blick wieder zu ihm hob und sich dann für die nicht ganz gelungene Überraschung entschuldigte. Wobei Jason da jedoch sofort einhakte und protestierte:
"Es war vielleicht etwas plötzlich, aber das hättest du ja nicht wissen können. Außerdem habe ich mich gefreut... freue ich mich dich zu sehen. Ich freue mich immer dich zu sehen, das solltest du wissen."
Zumindest diese Sache konnte er entkräften, doch Jaiks nächste Worte ließen Jason verwirrt die Stirn runzeln. Sprach er etwa gerade davon ihre Beziehung aufzugeben? Nein, oder? Er meinte bestimmt, dass Jasons Strategie alles zu verheimlichen ihn nicht glücklich machen würde.
"Ehrlich gesagt... ich sehe da kein großes Problem. Ich meine, das einzige, worauf ich vorerst achten würde, wäre dass man uns in der Öffentlichkeit nicht bei zärtlichen Interaktionen erwischt. Also, sobald wir alleine sind, können wir machen, was wir wollen. Das sind ja nur ein paar Stunden am Tag, also eigentlich sollte das nicht so eine Bürde sein. Ich würde auch gerne 24/7 an dir hängen, aber das ist aus vielerlei Gründen nicht ratsam. Für uns beide nicht.", erläuterte Jason seinen Standpunkt und seufzte dann hörbar, bevor er sich an einem Lächeln versuchte, "Also, mal rein theoretisch: Vor fremden Personen sich als Paar bezeichnen, nein. Unter dem Tisch Händchen halten, in Ordnung. Umarmung ist auch in Ordnung. Theoretisch wäre es sogar in Ordnung, wenn wir uns in eine Ecke wie diese Verziehen und..."
Jason hielt inne und lächelte dann äußerst verlegen, während er etwas errötete.

Das Jason sich freute ihn zu sehen hatte er vorhin schon einmal erwähnt. Trotzdem war Jaik weiterhin erstaunt darüber wie subtil sich diese Freude äußerte. Seitdem sie sich begegnet waren gab Jason ihm eher Signale dafür das er sich unwohl fühlte. Jaik kam nur schwer damit zurecht wenn Aussagen nicht mit der Mimik übereinstimmten. Es machte Kommunikation zu einem kaum durchschaubarem Rätselraten. Freude sollte von einem Lächeln begleitet sein. Zwei Personen in einem amourösen Verhältnis waren ein Paar. Warum wurden diese Dinge komplizierter umgesetzt als sie sein mussten?
Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen stellte hierbei Jason dar, der auf eine völlig andere Frage antwortete als Jaik gestellt hatte und deren Antwort er eiegntlich mit Angst erwartete. War er jetzt etwa derjenige der nicht klar gesprochen hatte? Als er seine Worte mental noch einmal durchging fiel ihm aus das er bei der ganzen Mühe gefasst zu bleiben vergessen hatte die Grundaussage zu erwähnen. Er öffnete den Mund um seinen Fehler zu korrigieren. Doch kein Laut verließ seine Lippen. Stattdessen schloss er sie wieder. Jetzt lächelte Jason wieder. Endlich. Es war nur ein zartes Lächeln. Ein Lächeln das den spontanen Wunsch weckte es mit einer Kitzelattacke vollkommen von den Spuren der Zweifel zu befreien. Jaiks Hände verschwanden in seinen Hosentaschen, damit sie nicht mehr nutzlos in der Luft hingen. Wahrscheinlich war es besser so. Jason musste nicht wissen das der von ihm gewünschte Weg für Jaik schwerer war als erwartet. Zumindest einer von ihnen musste weiterhin fest an das Gelingen der Mission glauben. Kontinuierliche Stromschläge ließen ein Körperteil mit der Zeit schmerzresistenter werden. Jaik hoffte das sich das mit Emotionen auch so verhielt. Beim nächsten Mal wenn Jason abstritt sein Partner zu sein würde es bestimmt nur noch halb so...unbehaglich sein.
„Und?“ So blieb Jaik nur noch zu fragen was sie denn in einer dunklen Ecke verstecken konnten. Eine Liebesbeziehung wies erstaunlich viele Parallelen zu einem Mord auf.

Wirklich zufrieden wirkte Jaik nicht, als Jason schließlich endete. Genau das verunsicherte den angehenden Mediziner nun restlos und ließ ihn vor Überraschung stumm wie ein Fisch den Mund auf und zu machen. Am liebsten hätte er etwas frech nachgefragt, was Jaik mit seinem blöden Und versuchte auszudrücken, aber im Moment war er einfach zu perplex dazu. Schließlich wich die Überraschung einer genervten Wut und Jasons Gesicht verfinsterte sich.
"Du machst es mir wirklich nicht leicht.", meckerte der blonde Medizinstudent und gab einen genervten Laut von sich, ehe er die Distanz zwischen ihnen mit einem großen Schritt bewältigte, seine Hände auf Jaiks Wangen legte und ihm ohne Vorwarnung einen Kuss auf die Lippen drückte, "Genügt das jetzt bis heute abend oder muss ich dich nochmal küssen?"

Jaiks Finger verkrampften sich in seinen Taschen. Er machte sich auf eine weitere Standpauke gefasst. Offensichtlich hatte er Jason schon wieder verärgert und zwar dieses Mal so sehr das er...ihn küsste? Wie passte das denn jetzt in den Kontext? Jason ließ ihn vollkommen perplex mit feuerroten Wangen und zwei Fragen zurück. “Was sollte das?“ und “Wars das schon?“
„Nein“ ,grummelte Jaik. Der Flight Lieutenant war bestimmt nicht für seine Nachgiebigkeit bekannt. So leicht ließ er sich nicht ruhig stellen. Erstrecht nicht wenn ihm mehr in Aussicht gestellt wurde wenn er nicht kooperierte. „Das reicht nicht.“
Schmollend warteten seine Lippen darauf von Jasons Berührungen erweicht zu werden. Ohne einen Kuss der sich so anfühlte als wäre er auf beiden Seiten gewollt würde das nichts werden. Trotzig reckte er seinem Partner sein Kinn entgegen. „Versuchs weiter!“
Von ihm wurde immerhin auch erwartet das er sich bei der Geheimhaltung bemühte. Er konnte doch wohl erwarten das Jason sich dafür zumindest ein bisschen beim Küssen anstrengte! Dann könnte er ihm vielleicht auch endlich glauben das er sich freute ihn zu sehen.

Warum hatte Jason überhaupt gefragt? Diese Frage war sowas von rhetorisch gewesen, dass er sich jetzt selbst für seine Einfältigkeit scholt. Allerdings war der Anblick von Jaiks errötetem Gesicht und seinen nach mehr fordernden Augen so eine kleine, dumme Frage durchaus wert. Jason konnte nicht umhin amüsiert zu lächeln, als sein Partner ihn aufforderte weiter zu küssen. Dabei klang die Aufforderung nicht gerade nach einem oder zwei weiteren Küssen, sondern eher nach viel mehr. Zwar hatte Jason auch nicht vor wenn, dann nicht wenige Küsse folgen zu lassen, doch ein wenig verwunderte ihn schon die Gier seines Freundes.
"Hm, na gut. Wie wär's dann damit?", fragte Jason mit einem mittlerweile fast frechen Grinsen auf den Lippen und legte sie abermals auf Jaiks Lippen.
"Oder eher so?", fragte er weiter und dieses Mal schlangen sich seine Arme um Jaiks Taille, um ihn in den folgenden, fordernden Kuss zu ziehen.
Leider war ihm selbst nur allzu schmerzlich bewusst, dass er damit sich selbst dazu verdammt hatte weiter zu machen. Seine Lippen verzehrten sich nach Jaiks Mund und jede kurze Trennung fühlte sich wie eine Beleidigung an. Sie hatten sich spürbar viel zu lange nicht mehr berührt. Zumindest nicht auf diese Art und Weise und Jason wurde mal wieder bewusst, wie schnell Jaik ihn in seinen Bann ziehen konnte. So sehr, dass er fast verleitet war beim Luftholen ein Liebesbekenntnis auf Jaiks Lippen zu hauchen. Verdammt, jetzt musste Jaik doch begreifen, weshalb Jason nicht darauf aus war Zärtlichkeiten in aller Öffentlichkeit mit ihm zu teilen. Eben genau wegen diesem Effekt!
Jason wollte sich gar nicht vorstellen wie schnell sie zum Homopärchen des gesamten Campus werden würden, sobald man sie zusammen sah. Und selbst, wenn sie sich kurz nachdem sie aufeinandertrafen, sofort verschwinden würden, um in einer ruhigen Ecke zu knutschen, wäre es schon problematisch. Immerhin hatten nicht nur sie beide verliebten Hühner die Ruhe solcher Ecken für sich entdeckt. Außerdem wollte Jason nicht ständig fürchten erwischt zu werden und vor allem war es hier nicht möglich wirklich zu kuscheln ... und so weiter...

Da war endlich das Lächeln auf das Jaik die ganze Zeit gewartet hatte. Warm. Authentisch. Sogar ein klein wenig selbstbewusst. Jetzt hatte er wirklich Mühe damit hart bleiben. Allerdings wollte er es Jason auch nicht zu einfach machen. Er war viel zu gespannt darauf wie weit seine Bemühungen sich noch steigern ließen. Beim dritten Kuss taute endlich auch Jasons Körper auf und holte die verpasste Umarmung nach. Jaiks Lippen entspannten sich und glitten sanft in Jasons Berührungen hinein. Solange sein Arm Jason festhielt, konnten sie hier stehen bleiben. Solange seine seine Hand sich in seine Nackenhaare krallte, konnte ihm niemand sein Glühwürmchen weg nehmen. Sein süßes, schüchternes Wesen aus einem anderen Sternensystem, das noch keine Ahnung hatte das er sich keine Gedanken um die Meinung anderer machen wusste weil er sowieso viel heller als jeder Bewohner dieses Planeten strahlte. Jaik brauchte nicht einmal einen Geigerzähler um das zu wissen.
„Firefly...“ ,raunte er gegen Jasons Nacken. Mit seiner Nasenspitze schob er die Haare beiseite und platzierte auch dort einen Kuss. „Wir müssen wirklich zusehen das wir diesen Frachter in die Luft kriegen.“ ,murmelte er seufzend. Wenn Jason sich nicht mit ihm zeigen wollte musste er ihn eben von diesem Planeten runter bringen! Dann hätten sich auch ihre Probleme endlich erledigt.
Hoffentlich war er bis dahin noch nicht wahnsinnig geworden. Jaik legte sein Kinn auf Jasons Schulter. Es war so angenehm. Er schmiegte seine Wange an seinen Hals. Seine Gedanken fingen endlich an wieder ein wenig gradliniger zu werden. Ganz zufrieden war Jaik aber immer noch nicht. „Wie lange dauert es noch bis du ein Senior bist?“

Jaik erwiderte Jasons Küsse natürlich, was es dem Mediziner immer schwerer machte sich zurück zu halten. Seinem Liebsten schien es dabei ganz ähnlich zu gehen, denn bald spürte Jason wieder Jaiks Hand in seinen Nackenhaaren, wie sie ihn daran tiefer in ihre Küsse zog. Dabei dachte sich Jason, dass Jaik zwar nach außen nicht eifersüchtig wirken wollte, aber so wie er ihn gerade küsste und dabei festhielt, wirkte es schon recht besitzergreifend. Jason hatte nichts dagegen, er genoss es sogar. Es verriet ihm unmissverständlich wie sehr Jaik ihn liebte und wie abhängig er mittlerweile von ihm war. Jason ging es nicht anders.
Das wirkliche Problem waren also nicht ihre Gefühle, sie wussten, dass sie einander näher standen als so manches Paar. Das Problem war eher die äußere und innere Welt aufeinander abzustimmen. Das merkte Jason besonders deutlich, als er Jaiks Lippen an seinem Hals spürte und ihm deswegen ein leicht erregtes Keuchen entfuhr. Sein Atem ging plötzlich deutlich schwerer und das Blut schoss ihm in den Kopf und südlicheren Regionen. Umso verwirrter blickte er drein, als Jaik plötzlich das Thema wechselte. Perplex blinzelte Jason seinen Partner an, als dieser meinte, dass sie sich langsam mit der Reparatur des Raumschiffs beeilen mussten. Jason verstand erst nicht, was Jaik damit ausdrücken wollte, doch dann fragte Jaik nach, wann Jason endlich ein Senior war und die Absicht hinter Jaiks Worten wurde etwas deutlicher.
Jetzt verstand Jason was hier los war. Jaik ging es nicht einmal um die Anerkennung vor den anderen, die waren ihm wahrscheinlich sogar sehr egal. Der Punkt war, dass Jaik so unglaublich gerne mit Jason zusammen sein wollte und das so nah wie möglich, dass Jasons Bitte wie ein Keuschheitsgürtel wirkte. Jaik wollte also mit ihm zusammen sein und ihm jede Minute, in der sie zusammen waren, zeigen wie sehr er ihn liebte. Das nicht tun zu dürfen stellte ihn vor eine große Herausforderung und genau deswegen wollte er auch gerne das Schiff reparieren. Er wollte weg von allem, was sie davon abhielt sich nahe zu sein, was sie davon abhielt, sie selbst sein zu dürfen. Ein kleiner Schritt war, wenn Jason Senior sein würde, aber das war nur ein kleiner Trost. Wirklich frei wäre er deswegen trotzdem nicht.
Jason seufzte leicht und drückte Jaik eng an sich, der sein Kinn auf Jasons Schulter gelegt hatte.
"Vielleicht nächstes Semester, wenn ich alle geplanten Kurse gut bestehe. Nur...", murmelte Jason seinem Liebsten zu und nahm dann seinen Kopf etwas zurück, um Jaik in die Augen schauen zu können, "Ich glaube selbst, wenn ich Senior bin, können wir in der Öffentlichkeit nicht alles machen, was wir wollen. Und ganz ehrlich, ich will das auch nicht. Nicht, weil dann jeder sehen würde, wie sehr ich dich liebe, sondern weil jeder eine Seite von dir sehen könnte, die ich niemandem zeigen will. Ich will, dass du nur mir diese liebevolle Seite von dir zeigst. Ich will nicht, dass jemand sieht, wie schwach du mich machst mit jeder einzelnen Berührung, jedem Blick und jedem Kuss. Diesen Jaik will ich ganz für mich."

Langsam taumelten Jaiks Mundwinkel gen Erdmittelpunkt. Der Absturz wurde zusätzlich dadurch begünstigt, das er nach beinahe jedem intensiven Kuss die Frage auf der Zunge hatte ob Jason sich nun sicher war das seine Gefühle ausreichten. Er war so bedürftig nach Bestätigung das es ihn selbst erschreckte. Jason sagte doch gerade das er ihn liebte! Er würde das schon so meinen. Jaik brauchte doch eigentlich keinen Beweis. Außerdem hatte er mit dem was er sagte Recht.
„Nein, nein, keine Angst. Den Schwachkopf wirst sowieso nur du zu Gesicht bekommen! Ich kann es mir auf meinem Karriereweg nicht leisten das meine Zurechnungsfähigkeit in Frage gestellt wird. Mir widerstrebt es zwar mich wegen anderen einzuschränken, aber das heißt nicht das ich unsere Verbindung mit jedem teilen möchte.“Das war eine pragmatische Vorgehensweise, das konnte er nachvollziehen. Trotzdem wollte er endlich den Grund für die Lügen verstehen...und er wollte ehrlich zu Jason sein. Nur so konnte er die nötige Sicherheit erlangen um ihn zu stützen.
„Aber müssen wir deswegen wirklich alles verschweigen? Ich habe recherchiert. Es gibt so wahnsinnig viele Dinge auf die wir achten müssen damit niemand Verdacht schöpft. Ich darf dich umarmen, aber nicht zu intensiv. Ich muss aufpassen das ich dich nicht zu lange anschaue. Das ist alles so...kompliziert.
Ich will ehrlich mit dir sein. Die Chancen stehen schlecht das ich das auf Dauer hinkriege.“ ,gab Jaik beschämt zu. Er erinnerte sich noch lebhaft an das letzte Mal als er das Thema angesprochen hatte, deswegen ging er nun ganz vorsichtig vor. „Ich...bin nicht gut darin solche Sachen für mich zu behalten. Es war für mich eine Tortur niemanden davon erzählen zu dürfen das ich ein Alien bin. Das fühlte sich an als würde ich einen massiven Teil meiner Selbst leugnen.“ Es war seltsam daran zu denken das es einmal eine Zeit gegeben hatte in der er auf seine primitive Herkunft stolz gewesen war. Damals, bevor er die Tragweite einer Exekution wirklich begriffen hatte. „Naja...und es dauerte nicht lange bis mein Physiklehrer, meine Klassenkameraden, meine Frisörin und der Klempner der die Spüle repariert hat davon wussten. Nicht das jemand einem Achtjährigen geglaubt hätte, aber ich musste mich zumindest nicht mehr verstecken.“ Jaik schüttelte den Kopf und scheuchte diese Zeit seines Lebens in die Ecke zurück in die sie gehörte. Das war die Vergangenheit und allenfalls noch dazu gut um daraus zu lernen. Dieses Beispiel leider gut wie es um Jaik und Geheimnisse bestellt war. Er machte sich dabei keine Illusionen. Schließlich hatte er erst vor ein paar Minuten mitten in der Mensa von einem geheimen Forschungsprojekt gesprochen.
Er legte seine Hände an Jasons Oberarme und strich langsam auf und ab. Teils aus Hoffnung ihn ein wenig zu beschwichtigen sollte er nun sauer werden, teils um sich durch die monotone Bewegung selbst zu beruhigen. Er wollte doch einfach nur das sie zusammen glücklich sein konnten. „Ich will gar nicht jeden einweihen und ich bemühe mich dabei auch. Aber warum müssen wir lügen? Erst recht wenn es zu solchen Turbulenzen wie gerade eben kommt.“

Einen kurzen Moment lang schien Jaik wegen irgendetwas überrascht, doch dann zeigte er sich in gewisser Weise einsichtig und stimmte zu nicht vor allen ihre Beziehung präsentieren zu wollen. Trotzdem wollte er es nicht verstecken und damit bestätigte er Jasons Verdacht letztendlich, dass es eher an Jaiks Beherrschung lag und weniger an der Öffentlichkeit ihrer Beziehung. Als Jaik es daraufhin sogar als Lügen betitelte, zog sich etwas in Jason unliebsam zusammen. Abermals wurde er an seine feige Tat von vorhin erinnert und auch die durchaus problematischen Folgen davon.
So langsam musste er sich geschlagen geben, wenn auch nicht ganz. Er verstand jetzt aber zumindest, worum es Jaik bei der ganzen Sache ging und da er nun den Kern des Problems kannte, konnte er auch eine bessere Zwischenlösung finden. Zumindest eine vorläufige Zwischenlösung. Jason wollte ja auch nicht für immer alles leugnen und verstecken. Trotzdem würde er wohl bei manchen Leuten Ausnahmen machen müssen. Damit war nicht die geschwätzige Birdbrain gemeint, sondern Kandidaten wie Steven, die wegen ihrem kleinen Spiel auf die falsche Fährte kamen.
"In Ordnung.", seufzte Jason resignierend und lockerte seine Umarmung, um mit einer Hand seine Strähnen aus dem Gesicht zu streichen, "Wie klingt dann folgendes: Wir stellen unsere Beziehung nicht zur Schau, ABER... Wenn du das Gefühl hast, dass es dich überkommt, dann zwick mich einfach unauffällig und wir verschwinden in eine stille Ecke. Außerdem, wenn uns jemand direkt fragt, ob wir single sind oder vielleicht sogar, ob wir miteinander gehen, dann sind wir ab sofort ehrlich. Zumindest bei den Personen, bei denen es durchaus möglich ist, dass sie von uns etwas wollen könnten. Klingt das fair für dich?"